Jugendfilm | Schweden/Dänemark 1999 | 89 Minuten

Regie: Lukas Moodysson

Als sich ein 16-jähriges Mädchen in seine zwei Jahre jüngere Mitschülerin verliebt, gilt es, eine ganze Reihe innerer wie äußerer Widerstände zu überwinden, bevor die beiden zueinander finden. Der sympathische Debütfilm überzeugt als sensible Geschichte adoleszenter Selbstfindung. Er nimmt die Perspektiven seiner Protagonistinnen ernst und enthält sich jeden wertenden Kommentars. Nicht zuletzt lebt er vom lebendigen Spiel seiner jungen Hauptdarstellerinnen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
FUCKING ÅMÅL | SHOW ME LOVE
Produktionsland
Schweden/Dänemark
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Memfis Film/Zentropa/Film I Väst/SVT Drama Göteborg
Regie
Lukas Moodysson
Buch
Lukas Moddysson
Kamera
Ulf Brantås
Schnitt
Michal Leszczylowski · Bernhard Winkler
Darsteller
Alexandra Dahlström (Elin) · Rebecca Liljeberg (Agnes) · Erica Carlson (Jessica) · Mathias Rust (Johan Hult) · Stefan Hörberg (Markus)
Länge
89 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Jugendfilm
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Heimkino

Verleih DVD
Concorde (16:9, 1.66:1, DD2.0 engl./dt.)
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Ein 16-jähriges Mädchen verliebt sich in eine jüngere Mitschülerin und muss viele Widerstände überwinden, um zu seinen Gefühlen zu stehen.

Diskussion

Obwohl die 16-jährige Agnes (Rebecca Liljeberg) schon seit zwei Jahren mit ihren Eltern in der kleinen Stadt Åmål wohnt, hat sie bislang keine Freunde gefunden. Selbst in der Schule verbringt sie einen großen Teil ihrer Zeit allein, wenn sie nicht gerade mit einer ebenso unbeliebten Rollstuhlfahrerin eine Art Zweckgemeinschaft bildet.

Doch ihre mangelnde Popularität bereitet ihr weniger Sorgen als ihre romantischen Gefühle. Sie hat sich nämlich ausgerechnet in die zwei Jahre jüngere Elin (Alexandra Dahlström) verliebt, die den zweifelhaften Ruf genießt, bereits viel zu viele Jungs geküsst zu haben. Ihre Reputation kümmert Elin allerdings wenig, denn sie verlangt es nach Glück und Aufregung hier und jetzt – was sie bislang leider bei keinem ihrer Übergangsfreunde finden konnte.

Ein Kuss mit Folgen

Daher kommt es auf Agnes’ missglückter Geburtstagsfete zum ersten Kuss zwischen den beiden Mädchen, die sich gleichermaßen unverstanden fühlen. Doch Elin will nicht wahrhaben, dass sie ihr Herz an eine junge Frau verloren hat, und stürzt sich daher in die Beziehung zu einem 17-jährigen Jungen. Erst als sie feststellt, dass der arglose Bursche nicht in der Lage ist, ihr Verlangen nach Leidenschaft zu befriedigen, bekennt sich Elin schließlich zu ihren Gefühlen für Agnes.

„Raus aus Åmål“ will weder als feministisches Statement noch als Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Akzeptanz homosexueller Liebe überzeugen, denn der plakative Gestus pädagogisch wertvollen Minderheiten-Kinos liegt dem Film von Lukas Moodysson gänzlich fern. Stattdessen erzählt er schlicht und direkt von zwei Jugendlichen, die entgegen jeder Wahrscheinlichkeit zueinander finden. Dass sie beide dem gleichen Geschlecht angehören, wird mit schöner Selbstverständlichkeit behandelt und darf lediglich zur spannungsfördernden Komplikation der Situation beitragen.

Die allmähliche Annäherung zwischen den beiden Mädchen folgt nämlich dem klassischen Muster einer Liebesgeschichte, in der charakterliche Unterschiede das Aufkeimen romantischer Gefühle zunächst undenkbar machen. Agnes, die in einem intakten Elternhaus aufwächst, gibt sich eher introvertiert, spielt vorübergehend mit Suizid-Gedanken und hat ihr Zimmer mit Bildern von Morrissey dekoriert.

Dessen Weltschmerz-Pop entspricht nicht einmal ansatzweise dem Musikgeschmack der extrovertierten Elin, die energiegeladene Techno-Musik als Soundtrack für ihr Dasein bevorzugt. Die Tochter einer allein erziehenden Mutter stellt in geradezu idealtypischer Weise die Inkarnation adoleszenter Lebenslust dar. Stillstand ist ihr ein Gräuel – und eine Zukunft im Provinzkaff Åmål unvorstellbar. Das gilt auch für Agnes, die entweder als Psychologin oder als Autorin der kleinen Welt ihrer momentanen Heimat entkommen möchte.

Wie man zu sich selber findet

Dennoch müssen beide in der ungeliebten Gegenwart zu ihrer eigenen Identität finden – sowohl in sexueller Hinsicht als auch in Bezug auf ihre Erwartungen an das Leben im Allgemeinen. Da sie im Verlauf der Handlung lernen, diese zu formulieren und sich zu ihnen zu bekennen, kann man den Film als Protokoll einsetzender Selbstfindungsprozesse verstehen.

Regisseur Lukas Moodysson lässt eine derart distanzierte Lesart jedoch nur retrospektiv zu, da es ihm gelungen ist, das Publikum für die Dauer des Films an der konkreten Perspektive der Protagonisten teilhaben zu lassen. Deren Alltag zwischen Schule und Party, Euphorie und Depression erlebt man ganz aus ihrem Blickwinkel. Das bedeutet aber nicht, dass die Erwachsenen, die in ihrer Welt nur eine untergeordnete Rolle spielen, als lieblos oder ignorant denunziert würden. Ganz im Gegenteil: Agnes’ Eltern zeichnen sich ebenso wie Elins Mutter durch aufrichtige Sorge um ihre Kinder aus. Dennoch erscheinen gerade die gut gemeinten Ratschläge von ihnen wie ein Albtraum, da Moodysson die Sichtweise seiner Heldin vorbehaltlos ernst nimmt.

Dem entspricht auch, dass der Film sich jeglicher Bewertung der Ereignisse enthält, ohne sich herablassend verständnisvoll zu geben. Stattdessen präsentiert „Raus aus Åmål“ selbst die Feten-bedingten Alkohol-Exzesse und die früh ausgelebte Sexualität der Jugendlichen als simple Normalität, die keiner Rechtfertigung bedarf.

Ein betont einfacher Stil

Um auch auf formaler Ebene die Distanz zu den pubertären Nöten seiner Helden zu minimieren, hat sich Moodysson für einen betont einfachen Stil entschieden. Die statische Kamera und die fahlen Farben, in denen sich nicht zuletzt das geringe Budget spiegelt, könnten es dem Film schwer machen, jene Teenager zu erreichen, die an die aufwendig konstruierten Oberflächen US-amerikanischer Produktionen gewöhnt sind. Doch der Mangel an visueller Raffinesse wird durch das lebendige Spiel der jungen Darsteller mehr als ausgeglichen, sodass man nur hoffen kann, dass „Raus aus Åmål“ auch hierzulande sein Zielpublikum findet. In Skandinavien ist dies offenbar gelungen, denn dort war der Film beinahe ebenso erfolgreich wie „Titanic“ von James Cameron.

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