Fred ist arbeitslos, und das lange schon. Man merkt es an der Routine, mit der er den Haushalt erledigt, das Kind von der Schule abholt und auf seinem Fahrrad in der Gegend herumkurvt. Aber auch an der Sensibilität, mit der er Veränderungen wahrnimmt, die sich in der direkten Umgebung der Wohnung abspielen. Kaum, daß er für einen Freund einmal einen riesigen Sattelschlepper von einem Ort zum anderen gefahren hat, tauchen immer wieder Fremde auf, die danach in einem blauen Lieferwagen verschwinden. Solche Details fallen zumal gerade in Freds Wohnviertel ins Gewicht, einer Vorstadt, die nur aus weißen, genormten Reihenhäuschen, kargen Grünflächen und endlosen Straßen besteht – weder Stadt noch Land, sondern bloß „la merde“, wie es später ein Polizist bezeichnen wird. Fred, einst ein Kranführer, beklagt sich nicht mehr. Es sind die anderen, die sich beklagen, weil sie sich an dem von ihm mitorganisierten Streit beteiligt haben und die Fabrik daraufhin schließen mußte. Freds Feinde sind auch nicht „die da oben“, sondern nur die Polizei, vor allem aber der Chef des Chemielabors, in dem seine Geliebte Lisa arbeitet, weil der sie ständig anmacht. Es gibt also ein gewisses Gleichgewicht in Freds Leben – bis zu dem Zeitpunkt, da ein ehemaliger Kollege von den Gestalten im Lieferwagen getötet wird. Bald mischen sich Freund und Feind: Sobald ein wenig Geld winkt, lassen sich manche der Langzeitarbeitslosen von skrupellosen Geschäftemachern instrumentalisieren, nicht ahnend, daß sie sich im wörtlichen wie übertragenen Sinn ihre eigene Lebensgrundlage vergiften.Regisseur und Drehbuchautor Pierre Jolivet läßt seine Hauptfigur fast nie aus den Augen, als müsse er stets befürchten, daß sie eine Dummheit macht, die ihm entgehen könnte. Fred, den Vincent Lindon ohne jede Proll-Attitüde spielt, nennt die Dinge beim Namen, gibt nie klein bei und weiß instinktiv, daß es plötzlich um das bißchen Existenz geht, das seiner kleinen Familie geblieben ist. Daß es dennoch nicht zu einer echten Heldengeschichte reicht, liegt schon in der Figur selbst begründet, die viel zu sehr von der trostlosen Umgebung geprägt und vereinnahmt ist, als daß sie sich einfach darüber hinwegsetzen könnte. Pierre Jolivet nennt folgerichtig die aktuellen britischen Sozialdramen ein mit seinem eigenen artverwandtes Kino. Ein Kino ohne plakative Anklagen, das dennoch die Verfehlungen politischer und gesellschaftlicher Art augenfällig und geradezu körperlich spürbar macht, an Hand einer kleinen, exemplarischen Geschichte. Selbst in der recht spät einsetzenden Krimihandlung setzt sich das Tempo allgemeiner Gleichgültigkeit fort. Als sich Fred auf Anraten seiner Geliebten dem Kommissar offenbaren will, in der Hoffnung, daß der ihm glaubt, trifft er ihn betrunken in dessen Wohnung an, lamentierend über „la merde“ und unfähig, Fred zuzuhören. Jolivet läßt auch Raum für kleine Nebenepisoden, die weniger Aufschluß über den weiteren Verlauf der Handlung bieten als über die Seelenverfassung der Figuren. Das Aufatmen im Gesicht von Lisa, als sie sich mit einem Polizisten über Kinder unterhalten kann; das Wettrennen Freds mit einem Radfahrer in voller Montur; und die regelmäßig gesetzten Szenen, die die unerschütterliche Liebe und Begierde von Fred und Lisa zeigen, ohne die beide ihr Leben kaum durchstehen würden.Das ständig bedrohte Gleichgewicht zwischen Familie, Beruf und sozialem Umfeld im unteren Drittel der Gesellschaft zieht sich als roter Faden durch die Filme Jolivets, der als Schauspieler und als Drehbuchautor für Luc Besson angefangen hat („Subway“, fd 25 452). „Nur wenn man nichts tut, hat man Angst“, sagt Fred einmal. Aber wenn man etwas tut, sagt Jolivet mit einem eigentlich recht niedrig angesetzten moralischen Maßstab, dann sollte es das Richtige sein.