Der Ruhm von Francis Bacon als bedeutendster Maler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat wenig mit seiner schillernden Persönlichkeit zu tun. Es ist die monströse Wucht seiner kargen Bilder, der unerbittliche Blick auf die nackte Existenz, die Museumsbesucher vereinsamen lässt. Dass sich sein Lebensgefährte und Modell George Dyer am Eröffnungsabend der ersten großen Bacon-Retrospektive im Grand Palais in Paris 1971 das Leben nahm, wird dankbar kolportiert, weil sich mit den biografischen Informationen der Schrecken zumindest eine Weile bannen lässt.
Auch der hochartifizielle Versuch des englischen Regisseurs John Maybury, sich diesem zerrissenen Charakter von Bacon anzunähern, wird sich in diesem Sinn verzwecken lassen, wenngleich seiner „Studie für ein Porträt“ jede herabwürdigende Absicht fehlt. Auf der Grundlage der Biografie „The Glided Gutter of Francis Bacon“ von Daniel Farson, einem engen Freund des Malers, entwickelt Maybury ein vielfach gebrochenes „Bio-Pic“, das nicht nur bis in Details der radikalen Ästhetik Bacons folgt, sondern gelegentlich auch deren Grauen heraufbeschwört.
Verzerrte Bilder der Agonie
Der Film zeichnet in spotartigen Episoden die ruinösen Stationen der siebenjährigen Männerliebe zwischen Dyer (Daniel Craig) und Bacon (Derek Jacobi) nach. In Anlage und Gestaltung ist er aber mehr einer Deutung des künstlerischen Schaffens als einer privaten Chronologie verpflichtet. Schon in der Eingangssequenz, in der Bacon wie in Trance in das leere Zimmer der Londoner Wohnung zurückkehrt und seinen Kopf in das Bettkissen von Dyer wühlt, sind verzerrte Bilder der Agonie einmontiert. Zugleich klingt in Bacons tonloser Off-Stimme das Grundthema an: der endlose Fall ins Bodenlose, gespenstisch illustriert durch eine Trickaufnahme, in der Dyer, ein simpler Einbrecher aus dem East End, in Zeitlupe durch ein schwarzes Nichts trudelt, um schließlich im Jahr 1967 durch das Oberlicht in Bacons Atelier zu fallen.
„Zieh Deine Kleider aus und komm ins Bett. Dann kannst Du alles haben.“ Mit drei kurzen Blicken, in denen weniger Lust als wache Neugier flackert, hat Bacon die Situation geklärt und ein Verhältnis begonnen, das ihn zu seinen kraftvollsten Bildern inspiriert, Dyer aber auf Dauer den Boden unter den Füßen entzieht. Denn der Proletarier fühlt sich in der zynischen Bohème, die Bacon allabendlich im „Colony Room“ um sich versammelt, gänzlich deplatziert. Dennoch glaubt er die Dinge im Griff zu haben, weil er in der sadomasochistischen Beziehung die dominante Rolle besetzt.
Auf den Spott und die Verachtung von Bacons Freunden reagiert er mit wachsendem Alkohol- und Drogenkonsum, und auch Bacon wird er bald lästig, weil er auf seine Eskapaden mit anderen Männern eifersüchtig reagiert. Doch je tiefer der Geliebte in Verzweiflung fällt und von düsteren Albträumen und Suizid-Ängsten geplagt wird, desto stärker wächst die künstlerische Inspiration des Malers: „Es gibt keine Schönheit ohne Wunden.“
Wer, wenn ich schrie, hörte mich
Schonungslos entwirft Maybury das von Derek Jacobi fast exhibitionistisch verkörperte Porträt eines gequälten Ungeheuers: Genie und gestürzter Engel, kalter Beobachter und leidenschaftlicher Sklave, ein grüblerischer Egomane, der darüber räsoniert, ob er einen zerstörerischen Dämon in sich trage oder ob die Liebe nicht eine Erscheinungsform des Teufels sei. Bei aller schmerzhaften Direktheit läuft der aus dem Experimentalfilm kommende Maybury dennoch nie Gefahr, in Denunziation abzugleiten, weil die ambitionierte formale Gestaltung des Films eine Atmosphäre der Ambivalenz schafft, die alle Widersprüche nebeneinander bestehen lässt.
Es ist aber nicht nur die exzessive (Nach-)Inszenierung von Bacons Bildern, mit denen der Film das künstlerische Werk gegenwärtig macht. Mit einem enormen Arsenal an Spezialeffekten, Filtern, Unschärfen und Slow-Motion-Aufnahmen gelingt es Maybury, sich Bacons Stil anzueignen und immer wieder Stimmungen zu erzeugen, die man aus den Gemälden zu kennen glaubt. Großen Anteil am Versuch, Bacon mit Bacon zu verstehen, trägt auch die minimalistische Musik von Ryūichi Sakamoto, die jene Räume erzeugt, in denen Elegie und Melancholie, Charakterlosigkeit und Würde, nihilistische Auflösung und ein Fragezeichen hinter der Rilke-Zeile „Wer, wenn ich schrie, hörte mich“ miteinander streiten.
Dem perfiden Kommentar Bacons auf die Todesnachricht Dyers, darüber könne man nur lachen oder weinen, folgt die eindringlichste Sequenz des Films: das Delirium des Freundes, der in der Toilette des Hôtel des Saint-Pères seinen tödlichen Tablettencocktail in sich hineinwürgt – fotografiert im Stil der großen Triptychen, mit denen Bacon in den folgenden Jahren seiner Verstörung Herr zu werden versuchte. Mit diesem erschütternden Klagegesang auf die einzige Gewissheit, „dass alles erlischt, dass alles stirbt“, verdichtet sich der Film zu einer Bacons Bildern verwandten Erfahrung: ein Grauen, aus dem die Konturen der menschlichen Kreatur wie Heiliges leuchten.