Komödie | Frankreich 1998 | 111 Minuten

Regie: Eric Rohmer

Zwei Frauen aus unterschiedlichen Generationen wollen für eine verwitwete Winzerin einen Mann finden und bedienen sich dabei unterschiedlicher Tricks, Lügen und Halbwahrheiten. Erst als sich alle Beteiligten zur Wahrheit bekennen, ist für die Mittvierzigerin eine glückliche Zukunft möglich. Ein beschwingt erzählter Film, der bei aller Gelöstheit das existenzielle Thema der Glückssuche nie auf die leichte Schulter nimmt. Sorgfältig inszeniert, mit einer dezenten Kamera und dem Schwerpunkt auf den pointierten Dialogen, bietet er subtile Unterhaltung, die zum Nach- und Überdenken einlädt. (Kinotipp der katholischen Filmkritik) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CONTE D'AUTOMNE
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
1998
Produktionsfirma
Les Films du Losange/La Sept Cinéma
Regie
Eric Rohmer
Buch
Eric Rohmer
Kamera
Diane Baratier
Musik
Claude Marti · Gérard Pansanel · Pierre Peyras · Antonello Salis
Schnitt
Mary Stephen
Darsteller
Marie Rivière (Isabelle) · Béatrice Romand (Magali) · Alain Libolt (Gérald) · Didier Sandre (Etienne) · Alexia Portal (Rosine)
Länge
111 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie | Liebesfilm
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Diskussion
Spätsommer über der herrlichen Landschaft des Midi. Das Rhonetal bietet einen der Welt ein wenig entrückten Reiz, der beständige Werte in Erinnerung ruft, auch wenn in der Ferne ein Atomkraftwerk lauert, das nicht wegzudenken und wegzudiskutieren ist. Hier baut die Mittvierzigerin Magali, eine scheinbar zufriedene Witwe, ihren biologischen Wein an, versucht das Ungewohnte: den „vin de table“ durch Lagerung zu adeln, zum Spitzengewächs reifen zu lassen. Eine Aufgabe, die viel Liebe verlangt. Und genau die Liebe ist es, an der es Magali mangelt; gewiß nicht an der Liebe zum Wein, sondern an dem wunderbar passiven Gefühl, geliebt zu werden. Sie sehnt sich nach einem Mann, doch sie würde sich diese Sehnsucht nie eingestehen, geschweige denn, ihr aktiv entgegenwirken. Doch zum Glück gibt es Freundinnen: die Buchhändlerin Isabelle etwa, seit 25 Jahren glücklich verheiratet, die Magalis Unglück ebenso kennt wie Rosine, die Freundin ihres Sohnes. Beide kümmern sich in der Folgezeit um das Schicksal der Winzerin, wobei Rosine das Geschäft nicht ganz uneigennützig betreibt: Sie will sich erst dann von Magalis Sohn trennen, wenn sie sich von ihrem Ex-Geliebten Etienne, dem Philosophie-Professor mit latenter Neigung zu jüngeren Frauen, abgenabelt hat. Rosine nistet sich bei der seelenverwandten Magalie ein, das Gastgeschenk soll Etienne sein – zwei oder drei Fliegen mit einer Klappe. Zur gleichen Zeit und ohne Wissen um die Ränke Rosines plant Isabelle einen Kontaktanzeigen-Coup, etwas, was Magali kategorisch ablehnt. Isabelle stößt auf Gérald, den sie an Stelle der Freundin trifft, und dem sie, nachdem beim ersten Rendezvous, das sie in Vertretung Magalis wahrnimmt, die Funken zu fliegen beginnen, ihre Stellvertreter-Funktion offenbaren muß. Das ist peinlich, aber nicht unbedingt beziehungshemmend. Gérald willigt ein, zur Hochzeitsfeier von Isabelles Tochter zu kommen, ein erster Kontakttermin, den sich auch Rosine auserkoren hat. Ein Abend, an dem alle (freundschaftlich) intriganten Pläne zusammenlaufen, der Sympathien und Antipathien offenbart und der in einem Fiasko enden würde, wenn zum Ende nicht alle Geheimnistuereien geklärt und alle Beteiligten über ihren Schatten springen würden. Die Zukunft ist also möglich, und die Zukunft wird es zeigen.

Mit „Herbstgeschichte“ beschließt Eric Rohmer seinen Zyklus der „Vier Jahreszeiten“ (vgl. auch fd 19/1998, S. 4). Wie immer bestimmt das Wort die Inszenierung, belauscht die Kamera geschliffene Dialoge, macht den Zuschauer zum Beobachter der kleinen Lügen, Halb- und Unwahrheiten, aus deren Summe sich die Defizite der Personen erschließen lassen, die ihren Charakter und damit ihr Leben ausmachen. Mit der ihm eigenen Feinfühligkeit zeigt Rohmer aber auch, daß dieses zeitlebens eingeübte Versteckspiel immer wieder zu Irrungen und Wirrungen führt, und daß nur Offenheit, gepaart mit aufrichtiger Zuneigung und einer „Weisheit des Herzens“, zum eigentlichen Ziel führen kann – zum Glück. Wer dies beherzigt, lernt, daß er weder Augen noch Ohren trauen kann, sondern seinem Gefühl folgen muß, auch wenn dadurch die Gefahr gegeben ist, sich anderen auszuliefern, enttäuscht und mißbraucht zu werden. Erst ganz am Ende, wenn Magali und Gérald jenseits aller Tricks und Finten angekommen sind, wenn alle möglichen Mißverständnisse ausgeräumt sind, ist Hoffnung möglich: kein Glücksversprechen, aber eine Verheißung. Genauso beiläufig, wie die pointierten Dialoge die Handlung vorantreiben, beobachtet die sehr dezente Kamera das in pastellene Farben eingebettete Geschehen. Zurückhaltend, fast scheu nähert sie sich den Charakteren, wohl wissend, daß in die Intimität der Menschen einzudringen, bedeutet, sie preisgeben zu müssen, während sie zugleich ihr Geheimnis wahren will. Auch in dieser Achtung vor der Würde seiner Charaktere drückt sich die Regiekunst Rohmers aus, der mit einfachen kameratechnischen Mitteln größtmögliche Wahrhaftigkeit schafft. Mit seinen Hauptfiguren zeigt er weitgehend gelöste Menschen, die in ihrem Leben genauso ruhen wie in der Landschaft, die sie umgibt, und die ebenso zärtlich wie sie abgebildet wird. Hier zeigt sich ein „romantischer Konservatismus“, der an das Gute und das Wahre glaubt, auch wenn in der Ferne das Kernkraftwerk steht, auch wenn viel Arbeit vonnöten ist, um Wahrhaftigkeit zu erlangen.

Bestimmten in der Vergangenheit zumeist Mittzwanziger das Geschehen in Rohmers Filmen, so hat er nun einen Zeitsprung um 20 Jahre gemacht, zeigt Mittvierziger, die nicht unbedingt weiser sind, aber ihre Ziele mit einer weitgehend in sich ruhenden Abgeklärtheit verfolgen. Da ist kein jugendliches Ungestüm mehr, sondern Erwartung, da gibt es keine planvollen Arrangements und Ränke, sondern eine Reife, die sich auch in den ausdrucksstarken Gesichtern der Darsteller spiegelt. Insofern wagt der Regisseur, der seinem Thema, der Glücksuche, erneut treu bleibt, zugleich etwas für ihn völlig Neues. In diesem Zusammenhang ist auch die zentrale Metapher des Films zu sehen: Ein guter Wein verlangt Reife, Ruhe und Lagerung, um seine ganze Qualität entfalten zu können; mit den Menschen scheint es sich ähnlich zu verhalten. Für beide trifft jedenfalls der Refrain des Schlußliedes zu: „Wenn das Leben eine Reise ist, dann wünsch’ ich schönes Wetter, gute Zeit.“ Schon das sagt alles über den Menschenfreund Rohmer.
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