Mrs. Dalloway

- | USA/Großbritannien/Niederlande 1997 | 96 Minuten

Regie: Marleen Gorris

Eine Dame der Londoner Gesellschaft begegnet im Jahr 1923 jenem Mann wieder, der ihr vor 30 Jahren den Hof machte, den sie jedoch zugunsten eines grundsoliden Nebenbuhlers verschmähte. Das Wiedersehen irritiert sie und lässt sie ihren Werdegang hinterfragen. Literaturverfilmung mit einigen inszenatorischen Schwächen, die jedoch durch die psychologisch differenziert beschriebene Gefühlsverwirrung der zentralen Figur sowie die virtuose Interpretationskunst der Hauptdarstellerin fesselt. - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
MRS. DALLOWAY
Produktionsland
USA/Großbritannien/Niederlande
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Bergen Film/Newmarker Capital Group/BBC/NPS/Cobo/Dutch Film Fund.
Regie
Marleen Gorris
Buch
Eileen Atkins
Kamera
Sue Gibson
Musik
Ilona Sekacz
Schnitt
Robin Sales
Darsteller
Vanessa Redgrave (Clarissa Dalloway) · Natascha McElhone (die junge Clarissa) · Rupert Graves (Septimus Warren Smith) · Michael Kitchen (Peter Walsh) · Alan Cox (der junge Peter Walsh)
Länge
96 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Aber ich mag Parties", hat die junge Clarissa einmal trotzig ihrem Freund Peter Walsh ently gegnet, als dieser bei einer Feier wieder einmal mißgelaunt herumstand und zum Aufbruch drängte. 1923, dreißig Jahre später, ist Clarissa, durch ihre Heirat inzwischen Mrs. Dalloway, an einem Sommermorgen wieder einmal dabei, eine ihrer legendären Parties für die Londoner Gesellschaft vorzubereiten. Da erscheint überraschend Peter Walsh, den sie eigentlich in Indien vermutete. Clarissa begrüßt ihn herzlich, und auch ihm ist deutlich anzumerken, daß ihn ihre einstige Romanze noch immer nicht ganz kalt laßt. Jene Zeit vor dreißig Jahren, als Peter Clarissa bedrängte, seine Frau zu werden, sie jedoch, obwohl in ihn verliebt, zögerte, weil er ihr von künftigen gemeinsamen Abenteuern in fernen Ländern vorschwärmte, wo sie von einer Ehe doch in erster Linie Sicherheit erwartete. So entschied sich Clarissa schließlich gegen Peter und für Richard Dalloway, einen Mann, der sie ebenfalls umschwärmte. Vielleicht nicht so attraktiv und faszinierend wie Peter, dafür aber grundsolide und verläßlich. Und eigentlich hat Clarrissa ihre Entscheidung nie bereut.

Peters unverhofftes Erscheinen läßt die Erinnerung an jene Tage in ihr wieder lebendig werden und irritiert Clarissa mehr, als sie sich selbst eingestehen mag. Doch zunächst müssen die Vorbereitungen für die abendliche Gesellschaft weitergehen, zu der sie Peter spontan einlädt. Zur selben Zeit wird in London ein junger Mann namens Septimus Warren Smith von seinen traumatischen Erlebnissen im Ersten Weltkrieg geplagt. Mit wirrem Blick irrt er durch die Stadt, kritzelt seltsame Gedichte in einen Block und wird jenes Bild nicht los, wie sein bester Freund vor seinen Augen an der Front von einer Granate zerfetzt wurde.

Hier die feine Gesellschaft mit ihren Parties, da der arme Teufel, der noch immer unter den Folgen eines Krieges leidet, den jene längst vergessen hat. Zwei Facetten des Lebens in London in den 20er Jahren, die Virginia Woolf in ihrem Roman Mrs. Dalloway" mit sozialkritischem Impetus zusammenfügte. Regisseurin Marleen Gorris, die für ihren Film "Antonias Welt" (fd 32 095) mit einem "Oscar" ausgezeichnet wurde, hat sich dieser Vorlage angenommen, ohne deren Schwächen filmisch beheben zu können. So laufen die beiden Handlungsstränge in Parallelmontage auch hier mehr oder minder unvermittelt nebeneinander her. Zwar begegnet Peter jenem Smith einmal im Park, und der Psychiater, der dem Kriegsveteranen eine unheilvolle Therapie verordnet, findet sich abends auf Clarissas Party ein, aber letztlich bleiben die Berührungen dieser beiden Welten ohne dramaturgische Stringenz. Darüber hinaus interessiert sich Marleen Gorris (so wie Virginia Woolf) auch wesentlich mehr für die Befindlichkeit ihr Titelheldin, weshalb die 'Veteranen-Sequenzen' vielfach nur wie ein Appendix wirken, der: seine Existenz allein dem sozialpolitischen Engagement verdankt.

Die Stärken des Films liegen eindeutig in der zurückhaltenden, aber gleichwohl psychologisch differenzierten Inszenierung jener Gefühlsverwirrung, von der Mrs. Dalloway hier heimgesucht wird. Eine Frau, die seinerzeit nicht ihrem Herzen folgte, sondern aus Angst das Vernünftige tat und nun unvermittelt mit all ihren jahrzehntelang verdrängten Sehnsüchten konfrontiert wird - das schildert der Film überaus faszinierend. Wobei die Party als ebenso ritualisierte wie reglementierte Form der Ausschweifung zur Metapher für eine in Konventionen erstarrte Existenz füngiert. Vielfach wird dabei das Geschehen dreißig Jahre zuvor in Rückblenden wieder zum Leben erweckt, aber bisweilen sieht man Clarissa auch nur am Fenster stehen und ihren Erinnerungen nachhängen. So ein innerer Monolog ist filmisch normalerweise überaus problematisch, stört aber hier kaum, da mit Vanessa Redgrave als Mrs. Dalloway eine Mimin agiert, deren beredtem Gesicht man minutenlang zuschauen könnte, ohne daß - im vordergründigen Sinne - etwas passiert. Paraderolle heißt so was gemeinhin. Aber ihrer virtuosen, mit dezenter Ironie versehenen Zeichnung der Titelheldin ist es letztlich allein zu verdanken, daß aus dem Film trotz einer Reihe von dramaturgischen Schwächen und Längen noch ein sehenswertes Stück Kino geworden ist.
Kommentar verfassen

Kommentieren