Ist es eine männliche Perspektive, die sich im Kino so gern auf Männerfreundschaften kapriziert? Auf die Darstellung einer Form von zwischenmenschlicher Bedingungslosigkeit, wie sie Hetero-Männer untereinander nur selten erfahren? "Ich habe viele gute Freunde. Aber ich hatte mit einem Mann noch nie eine so nahe Beziehung wie mein Charakter in (dem Film", gestand Tim Roth, der in Vondie Curtis Halls beeindruckendem Regiedebüt die Figur des Stretch spielt: ein nervöses, hippeliges Großmaul, das seine Klappe nur halten kann, wenn er, eine Kippe zwischen den Lippen, selbstvergessen hinter einem Klavier versinkt. Ohne Spoon, mit dem er und die Sängerin Cookie durch die Nachtclubs Détroits tingeln, wäre Stretch in vielen Situationen aufgeschmissen. Nicht nur, wenn er seinen Dealer "Nigger" schimpft oder auf einer der zahlreichen Fluchten angeschossen wird. Auch im täglichen Leben, in der gemeinsamen Wohnung, bei der Beschaffung von Drogen oder Gigs wirkt sich Spoons bedächtige Art wohltuend aus. Er ist es auch, der den Entschluß, clean zu werden, gegen alle Widerstände aufrecht erhält und den wankelmütigen Stretch immer wieder mit sich zieht. Die Selbstverständlichkeit, mit der beide Musiker sich dabei aufeinander verlassen können, hat wenig mit der Hemdsärmeligkeit vieler "Buddy"-Filme gemein, in denen emotionale Distanz nicht selten durch lautes Freundschaftsgehabe kaschiert wird. Die Kamera von Bill Pope hingegen hebt dezent und doch genau immer wieder Momente hervor, in denen das gegensätzliche Paar sich wortlos verständigt oder auf verschiedenen Wegen am selben Strang zieht. Nicht zuletzt das Fehlen der obligatorischen Freundschaftskrise macht deutlich, daß es Hall um anderes als sportive Kraftmeierei geht.An der Oberfläche erzählt sein erstaunlicher Erstling eine Geschichte über drei Junkies, die am Silvesterabend aus ihrem Drogennebel hochschrecken. Nach ihrem Auftritt hatte ein Produzent Cookie nicht nur ein pralles Briefchen, sondern auch die Nachricht zugesteckt, daß ein Vertrag in greifbarer Nähe sei. Völlig aufgedreht erwischte die Leadsängerin eine Spur zuviel und fällt ins Koma. Stretch und Spoon schleppen sie in ein Krankenhaus, ohne zu ahnen, daß damit eine tagelange Odyssee beginnt, die sie gegen die Windmühlen einer herzlosen Bürokratie ebenso an- wie vor Killern und Cops wegrennen läßt und quer durch die ganze marode Stadt jagt. Einen Vorgeschmack darauf erhalten sie bereits in der nächtlichen Ambulanz, wo man sich zuerst weigert, die Bewußtlose zu behandeln, weil sie nicht krankenversichert ist. Ein verheißungsvoller Beginn des neuen Jahres, dessen Perspektive sich kaum erhellt, als beide auf der harten Wartebank beschließen, ihre Finger künftig von Drogen zu lassen. Denn um einen der raren Plätze in einem Entziehungsprogramm zu ergattern, benötigen sie tausend Formulare und Bestätigungen, die über eine nicht enden wollende Zahl von Institutionen verteilt sind und fatalerweise immer gerade dasjenige Dokument voraussetzen, das sie mit jenem erhalten wollen. Wer so von Pontius zu Pilatus hetzt, kann irgendwann einer kleinen Stärkung nicht widerstehen, bei der das schwarz-weiße Duo aber über tote Dealer, deren Mörder, ein Kilo Heroin und dämliche Polizisten stolpert. Mit dem Ergebnis, daß bald halb Detroit hinter ihnen her ist, während sie nichts anderes als auf Entzug wollen.Vielleicht hat die eigene Erfahrung Vondie Curtis Hall die Freiheit gegeben, aus dem Drogenstoff eine komische Satire zu machen, bei der man das Lachen nicht zu unterdrücken braucht: Sein ganzes Leben sei wie eine Vorbereitung auf diesen Film gewesen, heißt es von ihm, der in Detroit aufwuchs und viele seiner alten Freunde heute nur noch auf dem Friedhof besuchen kann. Denn neben einer psychologisch gut beobachteten Charakterstudie, die Spoons seelische Abhängigkeit von der Unberechenbarkeit seines Freundes ebenso wenig vergißt wie sie in wenigen Szenen die ambivalente Rolle Cookies in diesem Trio skizziert, ist Halls Film vor allem eines: eine schwarze Komödie voller (Selbst-)Ironie und Sarkasmus, in dem sich ein ungeschönter, mitunter schockierender Realismus mit einem hohen, ganz und gar nicht zynischen Unterhaltungswert verbindet. Farce und Kritik, hervorragende Schauspieler (neben Thandie Newton spielt der kurz darauf ermordete Rap-Star Tupac Shakur die Rolle des reflektierten Spoon) und ein zupackender Inszenierungsstil verbinden sich zu einer bemerkenswerten Tragikomödie, die geschickt die Klippen von Kitsch und Trivialität meidet und ein schillerndes Licht auf Amerikas privatisiertes Wohlfahrts- und Gesundheitssystem wirft. Und dem Kino ein Freundespaar schenkt, das den Tag überdauern könnte.