Biopic | Australien 1996 | 105 Minuten

Regie: Scott Hicks

Der Lebensweg des Starpianisten David Helfgott aus Melbourne, der seine Karriere in den 60er Jahren als Wunderkind begann, plötzlich in einer psychiatrischen Klinik verschwand und 1984 ein triumphales Comeback feierte. In fragmentarischem Erzählstil als große Rückblende aufgefächert, entfalten sich die "zwei Leben" Helfgotts bei aller Emotionalität diskret und unsentimental. Klassische Versatzstücke des Musikerfilms verbinden sich zu einer faszinierenden Suche nach dem Ursprung von Kreativität und Musikalität. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SHINE
Produktionsland
Australien
Produktionsjahr
1996
Produktionsfirma
South Australian Film Corporation
Regie
Scott Hicks
Buch
Jan Sardi
Kamera
Geoffrey Simpson
Musik
David Hirschfelder · Sergej Rachmaninow
Schnitt
Pip Karmel
Darsteller
Geoffrey Rush (David Helfgott) · Noah Taylor (David Helfgott als junger Mann) · Alex Rafalowicz (David als Kind) · Armin Mueller-Stahl (Peter Helfgott) · Lynn Redgrave (Gilian)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Biopic | Drama | Musikfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Buena Vista (FF P&S, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
In Billy Wilders Komödie "Das verflixte 7. Jahr" (fd 4149) gibt es die unvergeßliche Szene, in der sich Tom Ewell zu Marilyn Monroe an den heimischen Flügel setzt. Längst weiß der Zuschauer um den finsteren Plan des galanten Strohwitwers: "Rachmaninoff!" Allein die Nennung des Namens sollte Frauenblut in Wallung bringen, und doch reicht es schließlich nur zum gemeinsamen Flohwalzer. Wenn man im klassischen Hollywood-Kino nach einem leidenschaftlichen Musikstück suchte, entschied man sich gern für Rachmaninoff. Und immer mußte es das zweite Klavierkonzert sein: "I've Always Loved You" ("Ich hab' dich immer geliebt") hieß ein solches farbiges Pianisten-Melodram, das Frank Borzage in elegischem c-moll inszenierte. Auch "Shine" ist ein biografischer Film um einen Pianisten. Es ist ebenfalls ein Melodram, und es wird Rachmaninoff darin gespielt. Daß es sich diesmal um dessen ungleich schwierigere, seltener gehörte "Nummer drei" handelt, mag zweitrangig erscheinen. Und doch ist es bezeichnend für diesen ungewöhnlichen Film, der seinen Vorgängern an Emotionalität in nichts nachsteht und doch alles andere ist als eine weitere "Romanze in Moll" (fd 93).

Um David Helfgott geht es, einen tatsächlich existierenden Starpianisten aus Melbourne, der seine Karriere in den 60er Jahren als Wunderkind begann, plötzlich in einer psychiatrischen Klinik verschwand und schließlich 1984 ein triumphales Comeback feierte. Natürlich stammen auch die hier verwendeten Musikaufnahmen von ihm, doch ein Dokumentarfilm ist dies nicht. Hätte es nicht bereits zu viele Rain Men und Forrest Gumps gegeben, Geoffrey Rushs Darstellung dieses hypersensiblen Hyperaktiven, um ein Haar am Leben zerbrechenden Sonderlings wäre ein sicherer "Oscar"-Anwärter. Als wirr vor sich hin plappernder Helfgott stürmt er zu Beginn bei strömendem Regen in eine Bar, wo er sich ans Klavier setzt und bald eine Anstellung als Barmusiker erhält. In einer langen Rückblende erschließt sich seine Kindheit, geprägt von einem tyrannischen Vater. Nicht nur durch die beiden unterschiedlichen Schauspieler (Alex Rafalowicz spielt Helfgott als Kind) entsteht ein Bruch zwischen Vergangenheit und Gegenwart der Hauptfigur. Beide Ebenen, beide Lebensabschnitte, kontrastieren so heftig miteinander, daß es eigentlich zwei Filme sind, die Scott Hicks zeigt. Man begreift nicht wirklich, wie aus dem Heranwachsenden ein solches mentales Wrack werden konnte. Das Weniger an Informationen erweist sich freilich als Gewinn: Während Hicks den Vater-Sohn-Konflikt in aller Ausführlichkeit ausbreitet, übt er beim Übergang in die Geisteskrankheit außerordentliche Zurückhaltung.

Diese Diskretion, die sich in einem fragmentarischen Filmstil artikuliert, hebt diesen Film aus der Masse filmischer Krankenporträts. Bei aller Emotionalität ist dies ein verblüffend unsentimentaler Film, der narrativen Klischees beharrlich aus dem Weg geht. Dies betrifft insbesondere die Rolle der Musik: Es ist eben nicht Rachmaninows Leidenschaft, die die des Zuschauers entfachen soll. Hicks versucht sich gleichsam an einer Innenansicht des Klavierspiels. Seine Suche gilt dem Ursprung der Kreativität und der Analyse ihres Ausdrucks - zu vergleichen vielleicht mit dem Dokumentarfilm "32 Variationen über Glenn Gould" (fd 30 751), der mit unterschiedlichsten Stilmitteln die Annäherung an den großen Pianisten versuchte. Zwar fallen wie im klassischen Musikerfilm dramaturgische Wendepunkte, Krankheit und Genesung mit Konzertauftritten zusammen; die Sicht darauf aber ist eine andere: manchmal sind es die Mittel des Sportfilms, Bewegungsstudien in Superzeitlupe, die an der inneren Anspannung eines Konzerts teilhaben lassen; dann verschwindet plötzlich die Musik aus dem Bewußtsein und räumt ihren Platz auf der Tonspur dem leeren Klappern der schwarz-weißen Tastatur. Das Ausblenden des Klangs aus einer solchen Szene vermittelt einiges von der Konzentration eines Pianisten. Hicks verzichtet auf das emotionale Potential klassischer Musik, wie es der klassische Hollywood-Film lehrte und Billy Wilder in "Das verflixte 7. Jahr" parodierte: nicht Chopin und Tschaikowsky sollen den Betrachter rühren, und nicht Sergej Wassilje-witsch Rachmaninoff. Es ist der Aufschlag der Finger auf den Tasten. Es ist das spröde Geräusch von Elfenbein. (Vgl. auch Artikel in fd 4/1997, S. 40.)
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