Komödie | Deutschland 1991 | 115 Minuten

Regie: Helmut Dietl

Der Skandal um die Hitler-Tagebücher, die ein pfiffiger Kunstfälscher fälscht, ein windiger Sensationsreporter teuer verkauft und eine auflagenstarke Hamburger Illustrierte veröffentlicht, aufbereitet als grell-freche Posse mit grotesken Zügen. Der von guten Schauspielern getragene Film attackiert gesellschaftliche Doppelmoral sowie die "Wiederholbarkeit von Geschichte", ohne sonderliche inszenatorische Dichte und dramaturgisches Geschick zu entwickeln. Die Gelegenheit zu einer überzeugenden und entlarvenden Satire bleibt weitgehend ungenutzt. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
Bavaria/WDR
Regie
Helmut Dietl
Buch
Helmut Dietl · Ulrich Limmer
Kamera
Xaver Schwarzenberger
Musik
Konstantin Wecker
Schnitt
Tanja Schmidbauer
Darsteller
Götz George (Hermann Willié) · Uwe Ochsenknecht (Fritz Knobel) · Christiane Hörbiger (Freya von Hepp) · Dagmar Manzel (Biggi) · Veronica Ferres (Martha)
Länge
115 Minuten
Kinostart
16.02.2023
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie
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Heimkino

Verleih DVD
EuroVideo (1.78:1, DS dt.)
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Aktualisiert am
08.02.2023 - 16:19:07
Diskussion

Der Skandal um den Kunstfälscher Kujau und den Reporter Heidemann, die der Hamburger Wochen-Illustrierten „Stern“ die „authentischen“ Tagebücher Adolf Hitlers aufschwatzten und damit für eine Weltsensation sorgten, ist in der Tat der Stoff für eine Farce.

Die Leichtgläubigkeit (oder Skrupellosigkeit) der für die Veröffentlichung Verantwortlichen wirft dabei sozial-psychologisch durchaus interessante Schlaglichter auf die große Verführbarkeit nicht nur Ewig-Gestriger, die teils aus raffiniert geschürter Sensationsgier, teils aus romantisch-verklärter Verblendung den „Menschen im Führer“ witterten, vielleicht sogar herbeisehnten; die Mechanismen, die in diesem Fall ineinandergreifen mussten, damit es zum Fälscher-Skandal kommen konnte, sind freilich eher grotesk und Auswirkungen eines klassischen Schildbürgerstreiches.

Eine grelle Polit-Satire

Insofern hat Helmut Dietl ganz folgerichtig gehandelt, indem er seine Verfilmung der Affäre als grelle Polit-Posse anlegt, die zugunsten eines moritatenhaft-frechen Rundumschlages auf jede psychologisch feinere Ziselierung verzichtet.

Der Fälscher (und Ich-Erzähler) wird dabei zum lustbetonten (Über-)Lebenskünstler und gewieften „kleinen Mann“, der nur eines Katalysators bedarf, um die leichtgläubige Welt zu betrügen. Als Kunst- und Antiquitätenhändler „Prof. Dr. Fritz Knobel“ (Uwe Ochsenknecht) wohnt er mit Ehefrau (und später auch mit Geliebter) in einem schwäbischen Dorf und fälscht zunächst ein Hitler-Gemälde, das Eva Braun nackt zeigt. Um der überraschend großen Nachfrage nachkommen zu können, legt er demselben Kunden, einem reichen Nähmaschinen-Fabrikanten mit „brauner“ Vergangenheit, eine weitere sensationelle Ausgrabung vor: ein geheimes Tagebuch Hitlers aus dem Jahr 1945, das während eines pompös aufgezogenen „Kameradschaftsabends“ den Gesinnungsgenossen des Fabrikanten bekanntgemacht wird.

Unter den Gästen befindet sich auch der Hamburger Journalist Hermann Willié (Götz George) als Begleiter und Geliebter der alternden Freifrau Freya von Hepp, einer leibhaftigen Nichte von Reichsmarschall Göring. Der ebenso windige wie erfolglose Journalist, dem die Existenzangst im Nacken sitzt, wittert die Story seines Lebens – und wird so zu jenem Katalysator, die Knobels Fälschung braucht. Während Knobel bis zur Erschöpfung weitere Tagebücher in altdeutscher Schrift produziert, sie mit Hilfe der Hitze eines Toasters „altern“ lässt und mit einer Gardinenkordel verschließt, verkauft Willié den Blödsinn für viel Geld an den Verlagsleiter der Illustrierten.

Der Weg nach oben beginnt; zumindest für Willié, der Knobel mit einer vergleichsweise geringen Bezahlung abspeist, selbst aber all das genießt, was er sich immer ersehnt hat: Geld, Macht, Einfluss, Bewunderung. Und während sich sowohl Willié als auch Knobel in ihre unausweichlichen Identitätskrisen manövrieren, nähert sich endlich die internationale Pressekonferenz, auf der die Veröffentlichung der Hitler-Tagebücher der ganzen Welt kundgetan wird. Aber: Müssen große Teile der Geschichte wirklich neu geschrieben werden? Oder wiederholt sich nicht vielmehr ein altbekannter Mechanismus menschlicher Verführbarkeit - freilich in weitaus banalerer Form?

Schwarz auf Weiß in hoher Auflage

Eine Welt, in der jeder lügt und betrügt und die gleichzeitig betrogen sein will, nicht zuletzt, um von den eigenen Lügen abzulenken - diese Welt erweist sich als ausgesprochen stabiles Netz, begehbar für all jene, die die Mechanismen beherrschen und die ungeschriebenen Regeln gezielt anzuwenden verstehen. Knobel und Willié sind dabei nur kleine Fische: der eine ein „armer Poet“ a la Spitzweg, der andere ein hektischer, stets schwitzender Feigling mit zunehmend psychopathischen Zügen. Die eigentlichen Meinungsproduzenten sitzen an viel höherer Stelle, im Zentrum jener Machtapparate, die alles wahr und richtig erscheinen lassen können, indem sie es Schwarz auf Weiß in hoher Auflage drucken lassen.

Dass dies keine neue Erkenntnis, vielmehr eine mit Tradition ist, veranschaulicht Dietl, indem er Brücken schlägt: gleichsam als kabarettistisches Potpourri verquickt er Dokumentaraufnahmen aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs und Unterhaltungsschlager jener Jahre (Zarah Leander: „Davon geht die Welt nicht unter“, Lilian Harvey: „Das gibt's nur einmal...“) mit der gegenwärtigen Spielhandlung, in der den Personen Gesinnung und vor allem Gemütsverfassung des untergegangenen „tausendjährigen Reiches“ immer noch nicht fremd geworden sind.

Eine so betont unbekümmert-freche Inszenierung hat ihre filmischen Vorbilder von Helmut Käutner („Der Apfel ist ab“) bis Rolf Thiele („Das Mädchen Rosemarie“) und besitzt zumindest in der Konstruktion auch angemessene satirische Schärfe. Doch was sich auf der ganzen Breite des CinemaScope-Bildes inszenatorisch und bild-kompositorisch abspielt, ist mehr als ernüchternd: die entlarvende, aufklärerische Absicht entpuppt sich als bieder heruntergebetete Theorie, als papierner Entwurf ohne visuelle Kraft und Schärfe, fesselnde oder gar beunruhigende Suggestivität. Statt bitterer Groteske bietet der Film nett-amüsantes Kasperletheater. Die aufwendig ausgestattete, aber jederzeit vorhersehbare Geschichte dümpelt in immer seichteres Fahrwasser, ist bissig allenfalls dort, wo ein paar ewig-gestrige Grotesk-Gestalten vorgeführt werden, ansonsten aber von fast schon erschreckender Harmlosigkeit.

Viele Zutaten für einen wirklich guten deutschen Unterhaltungsfilm mögen stimmen, und nicht zuletzt der Werbeaufwand und die populären Schauspieler werden dem Film wirtschaftlichen Erfolg bescheren. Doch auf einen inszenatorisch überzeugenden Film, der die Mittel des Kinos intelligent beherrscht und sie in den „Dienst“ einer ambitionierten Story stellt, muss man weiter warten.

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