Ein wild verschachtelter und mit einer Vielzahl experimenteller Einfälle durchsetzter Film über die Dreharbeiten eines Western in den Anden sowie die Zeit danach; eine wütende Abrechnung mit dem Hollywood-System.
Vor einigen Jahren spielte „The Artist“ von Michel Hazanavicius mit einer Szene, in der die beiden Protagonisten an einem Filmset eine Kussszene für die Kamera ständig wiederholen müssen und sich dadurch näherkommen. In Dennis Hoppers mythenumrankten „The Last Movie“ (1971), der in digitaler Restaurierung jetzt wieder ins Kino kommt, gibt es eine Szene, in der Hopper in der Rolle des Stuntmans Kansas immer wieder erschossen wird und vor stumm zusehenden Peruanern zu Boden geht. Diese beiden Szenen beschreiben ganz gut, wie weit „The Last Movie“ von der üblichen Selbstreflexion der Traumfabrik entfernt liegt. Statt Liebe wartet der Tod vor der Kamera. Statt durch die künstliche Wiederholung näher an die Realität zu gelangen, entfernt man sich immer weiter von ihr. Heute wie damals ist der Film ein radikaler Fremdkörper, ein Außenseiter, ein Rebell.
Euphemistisch könnte man Hoppers zweite Regiearbeit nach dem Sensationserfolg von „Easy Rider“ als chaotischen Film bezeichnen. Es ist ein zerstückeltes Machwerk, in seinen besten Augenblicken hypnotisch und nachdenklich, in seinen schwächsten albern und selbstverliebt. Da der Film nach seinem erfolglosen Start in den USA und trotz des Kritikerpreises bei den Filmfestspielen in Venedig mehr oder weniger unter den Teppich gekehrt wurde, blieb er lange Zeit ungesehen. „The Last Movie“ wandelte sich so in den Köpfen all jener, die sich nur schwer erinnerten oder ihn gar nie gesehen hatten, zu einem großen gescheiterten Film, dessen Entstehungsgeschichte auch die Parabel eines Filmemachers wurde, der die Kontrolle verlor und die Freiheit gewann.
Den gescheiterten Kunstfilm umranken viele Mythen
In seiner Abwesenheit wurde Hoppers gescheiterter Kunstfilm Kult. Von Orgien und schlimmen Drogeneskapaden am Set war zu hören, genau wie von einer aus dem Ruder laufenden Schnittphase in New Mexico. Dort hatte sich Hopper im sogenannten „Mud Palace“ eingerichtet, einem Haus, das unter anderem Georgia O’Keeffe, Aldous Huxley oder D.H. Lawrence als spiritueller Rückzugsort diente. Aus den mehr als vierzig Stunden Material wurde kaum je ein Film, wie ihn sich die Produzenten von Universal vorstellten. Als dann auch noch der chilenische Filmemacher Alejandro Jodorowsky beratend auf Hopper einwirkte, wurde klar, dass „The Last Movie“ kein Film für Hollywood werden würde. Vielmehr ist es ein Film über Hollywood, den man immer auch als Dokumentation seiner eigenen Entstehung sehen muss.
Hopper erzählt die Geschichte der US-amerikanischen Traumfabrik in Peru. Der von ihm verkörperte Cowboy Kansas arbeitet als Stuntman bei einem Western, den Sam Fuller (der sich in altbekannter Manier selbst spielt) in einem Andendorf realisiert. Bei den Dreharbeiten stirbt ein lokaler Stuntman. Im Gegensatz zum Rest der US-Crew will Kansas das Set nicht verlassen. Er bleibt mit einer Frau aus dem Ort dort und wird Zeuge, wie die Dorfbewohner eigene Filme zu drehen beginnen. Sie benutzen dabei Kameras aus Bambus und achten nicht darauf, ob die Gewalt nur vorgetäuscht oder tatsächlich angewandt wird. Gemeinsam mit einem Freund treibt Kansas auch die Suche nach Gold und schönen, penetrant gefilmten Frauenbeinen an.
Traumlogik zwischen Fiktion und Realität
Kansas erwacht in dieser Welt wie in einem Fiebertrauma, eher wohl völlig high und stets betrunken. Plötzlich findet man sich als Betrachter in einer subjektiven Wahrnehmung, die einer Traumlogik folgt und erstaunliche Ambivalenzen zwischen der fiktionalen Kraft des Kinos und der peruanischen Realität aufzeigt. Die Tonebene unterstützt dieses Davongleiten in eine paranoide Unsicherheit mit existenzialistischen Country-Songs jener Zeit und wilden Mixturen aus Pferdegetrampel, Babyschreien und Revolverschüssen.
Für die ähnlich erratischen, bisweilen wunderschönen Bilder zeichnet László Kovács verantwortlich. Zusammen mit Vilmos Zsigmond ist Kovács der Kameramann des New-Hollywood-Kinos, dessen erster fataler Auswuchs „The Last Movie“ war, bevor knapp ein Jahrzehnt später „Heaven’s Gate“ von Michael Cimino die zwischenzeitliche „Freiheit“ eines US-Autorenkinos aufgrund ökonomischer Katastrophen beendete. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass dieses „zu weit gehen“ und „über die Stränge schlagen“ von Filmemachern wie Hopper oder Cimino vor allem eine Lesart des machthungrigen Systems darstellt. Man könnte auch sagen, dass Hopper in seiner Dekonstruktion des US-amerikanischen Cowboys endlich weit genug ging.
Kansas, der amerikanischer nicht heißen könnte, ist das pure Gegenteil des archetypischen Cowboys im US-Kino. Seine Handlungen wirken schwach und verirrt, unausgewogen und bisweilen unehrenhaft. Er ist ein Macho, ein frauenschlagender Sexist, der Inbegriff widerwärtiger Männlichkeit, aber er ist in dieser Rolle auch gebrochen. Gleich zu Beginn sieht man ihn vor Selbstmitleid weinend, später bettelt er um den Pelz einer Frau, die es ihm angetan hat, weil er den seiner eigentlichen Freundin versprochen hat. Dadurch wird etwas Erbärmliches sichtbar, was sonst oft als normal etikettiert wird. Zugleich wird die Suche nach Gold und das Drehen eines Films mit der Realität des Dorfes kontrastiert. Man darf von dieser Sozialkritik allerdings keine allzu große Deutlichkeit erwarten. Man spürt sie mehr, als dass sie ausformuliert wird. Zu oft kippt der Film dann doch in eine Blödelei oder in den Versuch, all diese ungereimten Ungerechtigkeiten in eine transzendentale Meditation zu übersetzen.
Sehnsucht nach Freiheit und Frieden
Selbstverständlich liegt es nicht fern, die Wiederaufführung dieses Films mit der erschreckenden Wiedergeburt des kapitalistischen, alles überfahrenden Macho-Cowboys in den USA kurzzuschließen. Allerdings wirkt „The Last Movie“ zu sehr in seiner spezifischen Zeit verankert. Mehr als die große politische Geste liest man in den Augen von Hoppers Kansas eine Sehnsucht nach Freiheit und Frieden, die in einer zum Teil selbstverschuldeten Hölle aus Gewalt und Fremdheit erwacht.