Sydney, Ende der 60er Jahre. Ein Paar bewohnt zusammen mit seinen beiden Kindern ein schickes Appartment in einem Hochhaus am Rande der Stadt. Man sieht die 14jährige Tochter und ihren fünf Jahre jüngeren Bruder in der Schule, den Vater bei der Arbeit, die Mutter daheim bei der Vorbereitung des Abendessens. Am nächsten Tag fährt der Vater mit den beiden Kindern hinaus in die Wüste. Während der Junge in der Gegend herumtollt, bereitet das Mädchen ein Picknick vor. Urplötzlich zieht der Vater einen Revolver und beginnt, auf seine Kinder zu schießen. Sie können sich zwar hinter einen Felsen flüchten, müssen von da jedoch mit ansehen, wie ihr Vater das Auto in Brand setzt und sich anschließend selbst erschießt. So stehen die beiden unvermittelt allein in der unwirtlichen Landschaft. Um ihren kleinen Bruder zu beruhigen, gibt das Mädchen vor, genau zu wissen, in welcher Richtung Sydney liegt. Aber in Wirklichkeit ist es ebenso ahnungslos wie er. So irren die beiden in der Gluthitze umher, bis sie schließlich ein kleines Paradies entdecken: ein Wasserloch mit einem Baum, der auch noch eßbare Früchte trägt. Doch nach wenigen Tagen ist die Quelle versiegt. Da taucht plötzlich ein junger Aborigine auf, der zwar das Wasser wieder aus der Erde hervorzaubert, aber den beiden Kindern nicht ganz geheuer ist. Doch wenn sie überleben wollen, müssen sie sich dem mysteriösen Fremden wohl oder übel anschließen.Wenn Verleiher nach einem Erfolgsfilm erstmals auch frühere Fingerübungen eines Regisseurs ins Kino bringen, mag das ein lukratives Geschäft sein; unter cineastischen Aspekten ist das Ganze vergleichsweise selten lohnend. Bei „Walkabout“, der ersten Regiearbeit von Nicolas Roeg, fragt man sich hingegen unwillkürlich, warum der Film seine Deutschland-Premiere erst 27 Jahre nach seiner Entstehung erlebt. Denn wie hier mittels einer originären, expressiven Bildsprache ein merkwürdiges Abenteuer inszeniert wird, verrät eindrucksvoll vor allem den auch damals schon renommierten Kameramann Nicolas Roeg. In eingeflochtenen Zeitlupen, Doppelbelichtungen, Standbildern und Überblendungen demonstriert er seinen ebenso freien wie souveränen Umgang mit dem filmischen Material und läßt darüber hinaus durch Naheinstellungen allerlei Wüstengetier wie Geckos und Skorpione zu wahren Giganten anwachsen. Dennoch ist sein Film alles andere als ein Remake von „Die Wüste lebt“. Seine eigentümliche Spannung bezieht er vielmehr aus der Beziehung zwischen den drei Menschen, die sich unter gänzlich unterschiedlichen Voraussetzungen in dieser unwirtlichen Landschaft wiederfinden. Hier die beiden Stadtkinder, dort der junge Aborigine, der sich auf seinem „Walkabout“ befindet, einem Initiationsritus australischer Ureinwohner, bei dem die Jungen ihre Mannestauglichkeit unter Beweis stellen müssen, indem sie für mehrere Monate allein im Busch (über-) leben. Doch weit drastischer als der mit dem Leben in der Natur Vertraute erleben die beiden Weißen ihre Initiation. Hilflos stolpern sie in ihren adretten Schuluniformen mit einem Transistorradio, aus dem ständig Meldungen aus einer scheinbar unendlich entfernten Welt klingen, durch die Wüste, deren Schrecken nur ganz allmählich weicht, je mehr sie sich ihrem fremden Führer anvertrauen.Aber so wie Roeg die Annäherung nicht in rührselige Harmonie à la Tarzan und Jane münden läßt, verklärt er auch die Natur nicht zur Idylle – detaillierte Sequenzen vom Jagen und Zerlegen von Tieren sind fernab jeder Beschaulichkeit –, sondern stilisiert sie, unterstützt durch originelle Sounds, zu einem gleichsam mythischen Raum mit einer eigentümlichen Mischung aus Faszination und Bedrohung. Lediglich wenn Roeg in „naturbelassene“ Jagdszenen überraschend einen Metzger bei der Arbeit im kalten Neonlicht einschneidet oder der Naturwüste die Betonwüste Sydneys gegenüberstellt, mutet seine Zivilisationskritik aus heutiger Sicht leicht holzschnittartig an. Neben der visuellen Komplexität sorgen nicht zuletzt narrative Leerstellen – der Selbstmord des Vaters bleibt ebenso rätselhaft wie das Treiben einer seltsamen Horde von Wissenschaftlern in der Wüste – dafür, daß der Film nicht zum Thesenpapier verkommt. Daß dieses faszinierende Debüt obendrein als in dieser Form überhaupt noch nie zu sehender „Director’s Cut“ ins Kino kommt, hat mit einigen gänzlich „unschuldigen“ Nacktszenen zu tun, die seinerzeit der Zensur zum Opfer fielen und nun von Nicolas Roeg wieder eingefügt wurden.