Überraschend, aber nicht unbegründet erhielt der belgische Film „Rosetta“ bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes (vgl. fd 12/1999, S. 50) die „Goldene Palme“. Eine ganze Reihe von belgischen – vor allem wallonischen – Filmen reagierte in den letzten Jahren zeitlich und ästhetisch unmittelbar auf gesellschaftliche Zustände, die jeden Spielfilm als viel zu unwahrscheinlich erscheinen lassen würden: Kindesentführung und -mißbrauch als florierendes Unternehmen, endlose Skandale bei Polizei, Justiz und Politikern, extrem brutale Kriminalität, bei der ein landesweites Netz aus Mitwissern alles zu verschleiern scheint. „Le bal masqué“ war der große Gewinner der letztjährigen belgischen Filmpreise. Die sehr freie Bearbeitung der Ereignisse um die wegen ihrer brutalen Überfälle berüchtigten „Bende van Nijvel“ stürzt sich in all diese unglaublichen Vorgänge. Hinweise auf Sex- und Justizskandale führen in höchste Kreise von Regierung, Adel und sogar ins Königshaus. Dem ehemaligen Fotograf Julien Vrebos gelang in seinem extrem stilisierten Debüt mit brüchiger Handlung ein umstrittenes Puzzle aus „Angst, Pessimismus und Verzweiflung“.