Als Adaption der Ödipus-Sage war Angela Schanelecs „Music“ angekündigt, doch die mythische Handlung um den ausgesetzten Königssohn, der unwissend seinen Vater tötet, seine Mutter heiratet und sich, als er sich dessen bewusst wird, die Augen aussticht, sollte man nicht zu genau mit dem Film abgleichen. Die sich über mehrere Jahrzehnte erstreckende Geschichte von „Music“ handelt zwar ebenfalls von einem Fluch und der daraus resultierenden Erbschuld und greift sogar viele Details des Mythos auf. Doch Schanelec zerstückelt, modernisiert, deutet um und schafft schließlich eines ihrer Kinogedichte, das seinen eigenen Regeln gehorcht.
Der Film dreht sich um Jon (Aliocha Schneider), den Sohn des Paares aus der Anfangsszene. Als junger Erwachsener tötet er aus Versehen einen Mann und lernt im Gefängnis die Wärterin Iro (Agathe Bonitzer) kennen und lieben. Zum Verstorbenen hatte sie ein vertrautes, aber nicht näher geklärtes Verhältnis. Dass Jon ihn getötet hat, erfährt sie erst, nachdem die beiden eine Familie gegründet haben. Dann folgt die dritte Tragödie: Iro nimmt sich das Leben.
Mit stark reduziertem Schauspiel, einer elliptischen Erzählweise und brüchigem Realismus löst der Film die mythische Schwere des Stoffs in einer sinnlich sommerlichen Stimmung auf. Die Geschichte über den Trost, den Liebe und Musik im Angesicht eines unabkehrbaren Schicksals spenden, ist ebenso berührend wie faszinierend durch die freie Erzählweise und eigenwillige Bildsprache. - Sehenswert ab 16.