Yorgos Lanthimos' Frankenstein-Variation
„Poor Things“ triumphierte beim 80. Filmfestival in Venedig als Gewinner des
„Goldenen Löwen“. Die Jury unter Damien Chazelle würdigte aber auch
herausragende Beiträge wie „The Green Border“ von Agnieszka Holland und „Evil Does
Not Exist“ von Ryusuke Hamaguchi. Das sind gute Entscheidungen in einem Jahr,
in dem das Festival als glamouröse Marketing-Maschinerie aufgrund des
Hollywoodstreiks zwar etwas stockte, als Filmkunst-Plattform aber wie gewohnt
strahlte.
Einmal die Welt sehen, als sähe man sie
zum ersten Mal – ohne Vorurteile, ohne vorgeformte Erwartungen, ohne den
anerzogenen Impuls, bei bestimmten Dingen lieber schamhaft wegzuschauen. Diese
Erfahrung beschert Yorgos Lanthimos’ fantastische Frankenstein-Variation „Poor Things“. Für knapp zweieinhalb Stunden folgt man Bella Baxter, einer
Frau, in deren Kopf ein exzentrischer Wissenschaftler das Gehirn eines
ungeborenen Babys eingepflanzt hat. Dadurch aber erlebt sie das