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Filmklassiker: „The Big Lebowski“

Hommage an den Dude: Zum 25. Jubiläum des Kultfilms der Coen-Brüder & der Veröffentlichung der "25th Anniversary Limited Edition"

Veröffentlicht am
19. August 2023
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Es wird Zeit, den Bademantel aus dem Schrank zu holen und sich einen White Russian zu mischen: „The Big Lebowski“ wird 25 Jahre alt! Zum Jubiläum werfen wir einen Blick darauf, warum es den Coen-Brüdern gelungen ist, einen nahezu perfekten Kultfilm zu erschaffen, und ob der Dude auch ein Vierteljahrhundert nach seinem Leinwanddebüt einen Platz in der Heimvideothek verdient hat.


Ein einsamer Tumbleweed rollt durch den Staub, während eine Cowboy-Ballade spielt. Vor dem inneren Auge entstehen Bilder von staubigen Saloons, in denen raue Männer Whiskey trinken. Doch plötzlich fällt das dürre Astknäuel über eine Klippe ins Lichtermeer von Los Angeles. Erneut flackern Bilder im Kopfkino vorüber, dieses Mal von ruppigen Privatdetektiven, die Frauen verführen, Gangster vermöbeln und markige Sprüche absetzen. Doch der Held dieser Geschichte ist kein Cowboy und kein Bogart, sondern ein bärtiger Althippie, der im Bademantel einkaufen geht und Milch im Supermarkt direkt aus der Packung trinkt, ehe er sich zuhause einen Joint anzündet. „The Big Lebowski“ ist weder Western noch Film noir, sondern ein eigenwilliger Film voller Widersprüche und Absurditäten, und genau das macht ihn so wunderbar.

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Nobody calls me Lebowski – I’m the Dude

Jeff „Dude“ Lebowski beginnt seine seltsame Reise, als jemand auf seinen Teppich pinkelt. Ein rachsüchtiger Pornoproduzent hat ihn mit dem anderen Jeffrey Lebowski, dem „Big“ Lebowski, verwechselt. Die simple Suche nach einem neuen Teppich ist der Anstoß für eine viel zu komplizierte Story voller Kriminalität, Sex, deutscher Nihilisten, Bowling und Betrug. Welche Rolle der Dude darin spielt, versucht ein mysteriöser Erzähler im Cowboy-Jargon zu erklären: „Sometimes there’s a man. I won’t say a hero, ’cause, what’s a hero? But sometimes, there’s a man. And I’m talkin’ about the Dude here. Sometimes, there’s a man, well, he’s the man for his time and place. He fits right in there.“

Hat es zum Kulthelden geschafft: Jeff Bridges als der Dude (© Universal Studios. Alle Rechte vorbehalten)
Hat es zum Kulthelden geschafft: Jeff Bridges als der Dude (© Universal Studios)

Doch mit dieser Einschätzung liegt der gedankenverlorene Cowboy falsch: Der Dude passt ganz und gar nicht in seine Zeit. Er hat gerade darum das Potenzial zur Ikone, weil er in keine Zeit passt. Der Film selbst unterstreicht dies mit einem seltsamen Kniff: Statt in der Gegenwart von 1998 zu spielen, versetzt er seine Figuren nach 1991, ein Zeitsprung, der so klein ist, dass man beinahe die Logik dahinter nicht versteht. Der Dude selbst scheint in den 1960er-Jahren festzusitzen, während sein Namensvetter, der „Big“ Lebowski, dem Turbo-Kapitalismus der 1980er-Jahre nachhängt. Der Porno-Produzent Jackie Treehorn dreht Filme wie aus den 1970er-Jahren und verachtet das neue Medium der Videokassette. Die wiederkehrenden Western-Elemente sind aus den 1930er-Jahren geborgt, während die Handlung sowie der Filmtitel eine Hommage an den Raymond-Chandler-Krimi „The Big Sleep“ und dessen Film-noir-Adaption aus den 1940er-Jahren ist. Die Coen-Brüder unternehmen quasi eine Reise durch unterschiedliche Epochen der amerikanischen Kulturgeschichte und vermischen alle Einflüsse zu einem neuen Gesamtwerk, dass irgendwo zwischen Subversion, Parodie und Liebeserklärung zu verorten ist.


Von postmoderner Pastiche zum Kultklassiker

Quentin Tarantino pflasterte mit „Pulp Fiction“, der einige Jahre vor „The Big Lebowski“ veröffentlicht wurde, den Weg für das postmoderne Kino der 1990er-Jahre. Das Konzept, sich aus der Vergangenheit zu bedienen, Genre und Erzählkonventionen wild zu vermischen und dadurch einen Knotenpunkt zwischen Hochkultur und Popkultur zu schaffen, wurde plötzlich massentauglich. „The Big Lebowski“ geht in fast allen Aspekten noch einige Schritte weiter als Tarantino und treibt dieses Pastiche-Kino auf die Spitze. Doch während „Pulp Fiction“ den Zeitgeist traf, ließ „The Big Lebowski“ das Publikum eher ratlos zurück. Er konnte es weder bei den Kritikern noch an den Kinokassen auch nur ansatzweise mit Tarantinos Filmen aufnehmen und verblasste sogar im Schatten des eigenen Vorgängers „Fargo“. Der Kultstatus von Lebowski materialisierte sich – auch wenn es Jackie Treehorn sicherlich ärgern würde! – erst in der Videoauswertung.

Zum 25. Jubiläum ist "The Big Lebowski" neu erschienen (© Universal Studios. Alle Rechte vorbehalten)
Zum 25. Jubiläum ist "The Big Lebowski" neu für Heimkino erschienen (© Universal Studios)

Das Heimkino war der ideale Nährboden für den Film, der auch davon lebt, ihn immer wieder anzuschauen. Jede Sichtung bringt neue Details zum Vorschein, die von den Coens liebevoll im Film verstreut wurden: Von visuellen Gags im Hintergrund über die Symbolik der Traumsequenzen bis hin zu den Dynamiken des Bowlingteams. Auf der Couch mit einer kleinen Freundesgruppe, vielleicht sogar mit selbstgemischten White Russians, oder auf Campus-Partys, bei denen man scherzhaft selbst mit Bademantel und Sonnenbrille auftreten konnte, fand der Film die Fanbase, die ihm auf der großen Leinwand verwehrt blieb.

Während die simplen Dresscodes und die einfach zu mixenden Drinks für einen hohen Wiedererkennungswert sorgten, waren es die pointierten Dialoge, die den Film endgültig ins kulturelle Gedächtnis katapultierten. Das komödiantische Timing der chaotischen Konversationen ist beeindruckend, und die manische Energie des Ensembles absolut ansteckend. Die Komödienwelt der 1990er-Jahre begann mit „Kevin - Allein zu Haus“ und endete mit „Verrückt nach Mary“. Slapstick und Provokation waren maßgeblich für das Unterhaltungskino der Dekade, während ausgefeilte Gesprächssequenzen und Wortwitze zur Randerscheinung wurden. Die Coens ließen sich davon nicht beirren und fanden für ihre aberwitzigen Dialoglabyrinthe genau die Darsteller, die jedes Wort, jeden Versprecher und sogar jede Pause herrlich auf den Punkt bringen konnten und erschufen damit einen ultimativ zitierfähigen Film. Und falls sich wirklich jemand findet, der dem Humor in „The Big Lebowski“ gar nichts abgewinnen kann, kontert man einfach gekonnt mit: „Yeah, well, you know, that’s just, like, your opinion, man.“


Hedonisten und Bums gegen Nihilisten und Kapitalisten

Der Dude hat seit seinem leicht verstolperten Kinostart mittlerweile einen festen Platz in der Filmgeschichte und vor allem in der Popkultur eingenommen. Es gibt regelmäßig stattfindende Fanfestivals und sogar eine eigene Religion, den Dudeismus, die auf seinen Weisheiten basiert. Damals wie heute ist der entschleunigte Hedonist Lebowski, der zum Glücklichsein einfach nur einen Teppich und eine Bowlingkugel braucht, kein schlechtes Vorbild. Egal ob gescheiterte Lösegeldübergaben, Frettchen in der Badewanne oder unfreiwillige Samenspende: Der Dude ärgert sich kurz, atmet tief durch und macht dann einfach weiter. Die kleinen Schreckmomente verlieren sich im großen Zen, bei Qigong-Übungen auf dem Lieblingsteppich. Im Epilog lässt uns Sam Elliotts Cowboy wissen, dass es ihn beruhigt, dass da draußen ein Dude ist, der es für uns alle locker nimmt. Darin scheint sich der Appell des Films zu verstecken, wenn er denn einen hat: Niemand sollte völlig selbst zum Dude werden, denn es gibt ja schon einen. Aber ab und zu brauchen wir unsere kleinen Lebowski-Tage, an denen man für ein paar Stunden einfach die Probleme der Welt an sich vorbeirauschen lässt und seine Seelenruhe findet. Für diese Flucht in die Dudeness ist der Film, auch 25 Jahre später, genau die richtige Eintrittskarte.

Manchmal braucht jeder einen Lebowkski-Tag! (© Universal Studios. Alle Rechte vorbehalten)
Manchmal braucht jeder einen Lebowski-Tag! (© Universal Studios)

Wer den Kultstreifen bereits liebgewonnen hat oder neu für sich entdecken will, ist mit den aktuellen BluRay- und UHD-Versionen gut beraten, anlässlich des 25-jährigen Jubiläums Anfang August 2023 beim Label Universal erscheinen. Sie basieren auf einer Neuabtastung von 2018, die den Film in voller Pracht präsentiert. Zahlreiche Extras bieten Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Films, einen tieferen Einblick in die Traumsequenzen, ein Feature über das Lebowski-Fest und andere skurrile Ereignisse, die sich seit Veröffentlichung des Films zugetragen haben. „The Big Lebowski“ ist ein Film, wie er heute nicht mehr gemacht wird. Doch diese Plattitüde ist nur die halbe Wahrheit: Solche Filme wurden auch damals nicht gemacht. Der Dude – ob man ihn liebt oder hasst – ist und bleibt ein Unikat.

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