Der Filmdienst feiert in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen. In ihrer
wechselvollen Geschichte war die Publikation einem steten Wandel
unterworfen. Sie wandelte sich von einer studentischen Initiative über ein
kulturkonservatives Periodikum zur Filmzeitschrift und seit 2018 in ein
Internetportal. Immer wieder ging es dabei auch um die Frage nach den
Kriterien der Filmbetrachtung.
Wenn man sich mit der Geschichte der Filmkritik in Deutschland oder der gesellschaftlichen Rezeption von Filmen seit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt, stößt man unweigerlich auf den „film-dienst“. Nahezu jede Publikation zu diesen Themen kommt fast zwangsläufig auf die einflussreichen konfessionellen Periodika der christlichen Kirchen zu sprechen, unter denen der „Film-Dienst“ als „eine der bedeutsamsten filmkritischen Quellen in Deutschland“ (Steinitz, 2015) herausragt. Das ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass der FILMDIENST seit Oktober 1947 ohne Unterbrechung bis in die unmittelbare Gegenwart erscheint, seit 2018 als filmdienst.de in Gestalt eines Internet-„Portal für Filmkritik und Filmkultur“.
Eine erstaunliche historische Kontinuität
Im Gegensatz zu anderen Filmzeitschriften, Magazinen, Jahrbüchern, Korrespondenzen und sonstigen Veröffentlichungsformen trotzte der „film-dienst“ damit bislang allen Existenzkrisen. Doch schon an der wechselnden Titelei mit Groß- und Kleinschreibung, Kursivschrift, mit oder ohne Bindestrich und neuerdings der Internet-Domain-Ergänzung „.de“ lässt sich erahnen, dass diese publizistische Kontinuität mit vielen Kämpfen, Anpassungen und Neuausrichtungen verbunden war; die Beibehaltung des heute eher gewöhnungsbedürftigen Titels signalisiert aber auch eine bemerkenswerte historische Kontinuität, die von den Anfängen mit einer studentischen Broschüre für die Jugendpastoral bis ins jetzige virtuelle Format des digitalen Zeitalters reicht.
Finanzielle Engpässe und Zwangslagen bedrohten auch beim „film-dienst“ mehrfach den Fortbestand. So bedingte etwa das „Kinosterben“ Anfang der 1960er-Jahre einen drastischen Auflagenschwund des kleinformatigen A5-Breviers. Doch während das protestantische Pendant „Evangelischer Filmbeobachter“ 1971 sein Erscheinen einstellte, sprangen beim „film-dienst“ die katholischen Bischöfe in die Bresche und sicherten das Überleben der Publikation.
Die finanzielle Unterstützung durch die Katholische Kirche ist trotz vielfacher Anstrengungen und verlegerischer Initiativen bis heute notwendig geblieben. Auch nach der überfälligen Umgestaltung der losen Blättersammlung zum Filmmagazin im Mai 1990 war der „film-dienst“ weiterhin auf die Unterstützung des Verbands der Deutschen Diözesen (VDD) angewiesen, da er sich durch seine Vertriebserlöse nicht selbst tragen konnte. Gleiches gilt erst recht für die digitale Plattform filmdienst.de; die gesellschaftliche Bereitschaft, für Informationen im Netz zu bezahlen, wächst bekanntlich nur spärlich.
Inhaltliche
Differenzen und Richtungskämpfe zwischen den Bischöfen, dem VDD, der
Katholischen Filmkommission, dem Verlag und der Redaktion blieben dabei nicht
aus. Am Streit über die Interpretation von Filmen entzündeten sich immer wieder
grundsätzliche Konflikte, die das Profil und die Ausrichtung des „film-dienst“
nachhaltig beeinflussten.
So dokumentieren die hitzigen Konflikte um Ingmar Bergmans „Das Schweigen“ (1964) oder die Auseinandersetzungen im Gefolge von Pier Paolo Pasolinis „Teorama“ (1968), wie sehr die Betrachtung von Filmen gegenüber den 1950er-Jahren in Bewegung geraten war. Dies hatte nachhaltige Folgen: Ende 1969 wurde das bewahrpädagogische Wertungsschema (von 1 = geeignet für alle bis 4 = abzulehnen) aufgegeben und Platz für eine filmästhetischere und überdies weit dialogischere Interpretation geschaffen.
Wie soll, wie muss man Filme betrachten
Bei den Diskussionen um die Zukunft des „film-dienst“ in den 2010er-Jahren spielten konfligierende ideelle Positionen anfangs nur eine untergeordnete Rolle; im Zentrum standen vielmehr Bemühungen, die Auflage zu steigern oder andere Wege aus der schwierigen Finanzlage zu finden. Als dann 2017 die Entscheidung für den Medienwechsel und ein Online-Format gefallen war und das neue filmdienst.de-Konzept zum ersten Mal präsentiert wurde, tauchte plötzlich doch eine Frage auf, die untergründig schon länger für Unruhe gesorgt hatte: „Und was daran ist katholisch?“
In diesem Einwand formuliert sich eine grundsätzliche Anfrage, die weit über das Konfessionelle hinausreicht. Es geht nicht nur darum, worin sich filmdienst.de von anderen Portalen unterscheidet, sondern zugespitzt um eine Art Gretchenfrage: Was macht eine Filmkritik zu einer katholischen oder christlichen Betrachtung? Gibt es Kriterien einer religiösen Filmbewertung? Was kennzeichnet filmdienst.de als konfessionelles Medienangebot?
Solchen Fragen könnte man durch Analogien zu anderen konfessionellen Tätigkeitsfeldern wie Krankenhäuser, Büchereien, Hotels, Schulen oder Kindergärten begegnen, die neben der Einbettung in ihre jeweiligen Funktionslogiken allesamt über zusätzliche Angebote verfügen, die sie von ‚profanen‘ Institutionen ihrer Art unterscheiden. Noch größere strukturelle Gemeinsamkeiten gäbe es wahrscheinlich mit katholischen Akademien oder Einkehrhäusern, da hier ebenfalls Interpretation und Hermeneutik eine zentrale Rolle spielen.
Für den „film-dienst“ bietet sich jedoch ein anderer Weg an, um seine Perspektive zu bestimmen: ein Rückblick auf inzwischen 75 Jahre filmkritischer Praxis und die damit verbundenen Entwicklungen. Der Vorteil einer solchen Betrachtung erlaubt es überdies, die lange, produktive Beschäftigung der katholischen Kirche mit dem Medium Film mit in den Blick zu nehmen. Denn anders als landläufig oft unterstellt, erschöpft sich die katholische Filmarbeit keineswegs in moralinsaurer Zensur.
Ein Blick zurück nach vorn
In ihren Anfängen reicht diese Filmarbeit noch vor den Ersten Weltkrieg zurück, als man Film zur „Schulung und Unterhaltung der Gläubigen“ (Kuchler, 2005) nutzen wollte. In der Weimarer Republik existierten insbesondere auf dem Land zahlreiche katholische Pfarr- und Vereinskinos, und unter wohlwollender Förderung des Münchner Kardinals Michael von Faulhaber entwickelte sich die Produktionsfirma „Leo-Film AG“ sogar zur einflussreichen katholischen Medienholding.
Dennoch war das Verhältnis der katholischen Kirche zum Film von einer tiefen Ambivalenz geprägt. Papst Pius XI. erkannte in seiner Enzyklika „Divini illius magistri“ 1929 dem neuen Medium zwar eine große Bedeutung als Erziehungs- und Bildungsmittel zu, geißelte aber auch die sittlichen oder moralischen Gefahren, die insbesondere für Jugendliche von „verderblichen“ Filmen ausgingen. Mit der „Deutschen Filmzeitung“ und der „Film-Rundschau“ existierte allerdings auch damals schon eine katholische Filmkritik, die mit Filmrezensionen über kommerzielle Filme informierte.
Für die späteren Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg sind nicht nur die Verwerfungen der NS-Diktatur, sondern vor allem die „Film“-Enzyklika „Vigilanti cura“ (1936) entscheidend, mit der Papst Pius XI. das Modell der US-amerikanischen „Legion of Decency“ zum Vorbild nahm und zur Gründung nationaler „Revisionsbüros“ aufrief. Im Gefolge dieser Enzyklika unterzog man in den 1950er-Jahren in vielen Länder alle neuen (Kino-)Filme einer strengen Überprüfung, bei der die Filme unter moralisch-sittlichen Kriterien als für Katholiken „geeignet“ oder ungeeignet („abzuraten“ wegen sittlich oder religiös Gefährdung; „abzulehnen“, da direkt oder indirekt Glauben und Sitte bekämpfend) eingestuft wurden.
„Gute“ Filme, „schlechte“ Filme
Im Zentrum dieser Aktivitäten, für die in Deutschland der „film-dienst“ das zentrale publizistische Organ wurde, stand ein pastoraler Ansatz, der Filme als „Mittel der Seelsorge“ (Kuchler, 2015) interpretierte. „Gut“ waren sie dann, wenn sie dazu beitrugen, das christliche Weltbild zu festigen, katholische Grundüberzeugungen zu unterstreichen, Tugenden zu verteidigen oder generell zu einem besseren Verständnis der Menschen untereinander oder unter den Nationen beizutragen; „schlechte“ Filme drohten hingegen durch die „Darstellung von Sünden und Laster“ auch gefestigte Menschen in ihrer christlichen Orientierung zu gefährden oder gar aus der Bahn zu werfen.
Diese
starke ethisch-moralische Fixierung bewegte sich allerdings von Anfang an in
einem Spannungsverhältnis zur intensiven Beschäftigung mit der Ästhetik und den
erzählerischen Eigenheiten der jeweiligen Filme. Im Leitartikel der ersten
Ausgabe des „film-dienst“ verwahrte sich Klaus Brüne, einer der ‚Gründerväter‘,
dezidiert gegen eine zu „enge Moralschnüffelei“; stattdessen solle es um eine „ganzheitliche
Schau des Films“ gehen, zu der Kameraeinstellungen, Set-Design, Filmmusik und
Synchronisation, dramaturgische Stimmigkeit und die schauspielerische
Überzeugungskraft der Darsteller zählten.
Um der „Suggestionskraft der Leinwand […] nicht mehr passiv ausgeliefert zu sein“, zielte der „film-dienst“ von Anfang an auf die kritische Urteilsfähigkeit seiner Leserschaft, die über die „ausschließlich moralische Bewertung“ der Filme hinaus in eine diskursive Auseinandersetzung einbezogen werden sollten.
Auch wenn sich dann zunächst das aus heutiger Sicht ziemlich befremdlichen Gebahren der „Katholischen Filmliga“ mit ihrem Gelöbnis, keine dem „christlichen Glauben und der christlichen Sitte“ widersprechenden Filme zu besuchen, über die medienpädagogischen Impulse des Anfangs schob und mancher durch die weiteren filmpolitischen Aktivitäten der katholischen Kirche sogar ernsthaft die „Gefahr einer katholischen Filmzensur“ (Wolf Götz in: Filmkritik 1/1962) heraufziehen sah, ließ sich die allmähliche Verwandlung einer konfessionell starren Betrachtung in eine offen-dialogische und zunehmend an den narrativen und medialen Eigengesetzlichkeiten der Filmwelt interessierte Rezeption nicht aufhalten.
Neues Verständnis: Filme als Ausdruck der Wirklichkeit
Parallel zur Auflösung des ‚katholischen Milieus‘ und den Weitungen des westdeutschen Katholizismus von einer „Glaubensgemeinschaft zu einem Dienstleistungsbetrieb“ (Kuchler, 2005) befeuerte der immer wieder aufflackernde Streit um prominente „Skandalfilme“ (von „Die Sünderin“, 1950, bis zu „Die letzte Versuchung Christi“, 1988) die wachsende Ausdifferenzierung der Filmbetrachtungen, aber auch das Selbstverständnis der einzelnen Kritiker, die oftmals gerade in herausfordernden Erzählweisen einen „der Zeit angemessenen künstlerischen Ausdruck der Wirklichkeit“ (Paffenholz 1969) erkannten – und im Trend zu Enttabuisierung ein „großes, legitimes Thema des modernen Films“ (ebd.)
Mit dem sich seit Ende der 1950er-Jahre vollziehenden Paradigmenwechsel, der 1969 im Wegfall der „1 bis 4“-Wertung seinen sichtbarsten Ausdruck fand, befreite sich der „film-dienst“ aus dem konfessionellen Ghetto und partizipierte auf unterschiedlichen Levels am filmkritischen Diskurs der westdeutschen Gesellschaft. In wachsendem Maße ging es jetzt nicht mehr um eine ethische Prüfung, sondern um Analyse, Stärken und Schwächen sowie ein filmkritisches Wertungsurteil. Die Autoren der Filmkritiken wurden nicht mehr hinter Kürzeln versteckt, sondern zeichneten mit ihrem Namen. Neu hinzukommende Kritiker wurden zunehmend unter Filmstudenten und -liebhabern gesucht, was sich bald auch in den Texten niederschlug, die informativer und plastischer wurden und sich weniger um endgültige Urteile als um Leseweisen, Deutungen und Informationen bemühten.
Mit
der inhaltlichen Akzentverschiebung ging auch ein veränderter Adressatenkreis
einher: Man wollte nicht mehr nur katholische Filmbesucher erreichen, sondern
richtet sich über konfessionelle Grenzen hinweg zunehmend an die gesamte
Gesellschaft, die das Angebot eines auf film- und medienrelevante Fragen spezialisierten
Dienstleisters nachhaltig ergriff.
Die schon 1951 eingeführte Praxis, jedem Film eine sogenannte „Stellungnahme der Katholischen Filmkommission“ beizustellen, die ursprünglich die in der Filmkritik dargelegte individuelle Perspektive des Kritikers verallgemeinern und zu einem „objektiven“ Urteil über den Film verdichten sollte, entpuppte sich als publizistischer Glücksgriff; die Zusammenstellung dieser Texte in den „Handbüchern der katholischen Filmkritik“ (ab 1951) nahm bereits das „Lexikon des Internationalen Films“ vorweg, das 1987 im Rowohlt-Verlag (und 2002 in einer aktualisieren Neuauflage bei Zweitausendeins) erschien und sich bis zur Etablierung des Internet als wichtigstes Nachschlagewerk zum Film im deutschsprachigen Raum etablierte.
Zur katholischen Filmkritik gehörte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch die weniger bekannte „Film-Korrespondenz“ (1954-1990), in der als Ergänzung zu den Rezensionen im „film-dienst“ alle wesentlichen Debatten der katholischen Filmarbeit verhandelt wurden. Nach einer Revitalisierung Mitte 1972 entwickelten sich die A4-Blätter zum Vorläufer des späteren Magazins „film-dienst“. Dessen angestammte Rezensionen wurden gewissermaßen um die filmkundlichen Texte der „Film-Korrespondenz“ ergänzt. Aus der Kombination beider Periodika entstand so eine echte Filmzeitschrift, die von 1991 bis 2017 das publizistische Feld von Filmkritik und Filmjournalismus in Deutschland nachhaltig mitprägte.
„Und was daran ist katholisch?“
Die Frage, was denn nun an dem seit dem 8. Januar 2018 existierenden Online-Portal filmdienst.de spezifisch „katholisch“ sei, wurde so schon, mitunter auch explizit, an das Filmmagazin gerichtet. Die Standard-Antwort darauf lautete, dass der „film-dienst“ Filme aus einer christlich-humanistischen Grundhaltung heraus betrachte und in diesem Sinne tiefer lote und andere Schwerpunkte setze als weltliche Publikationen. Dazu zählte ein besonderes Augenmerk für Kinder- und Jugendfilme sowie eine pädagogische Einschätzung aller Filme mit Blick auf die Altersgruppe, für die ein Film empfohlen werden kann, eine intensive Beschäftigung mit Filmen über kirchliche oder religiöse Sujets, biblische Stoffe oder Heiligengeschichten sowie ein waches Gespür für Figuren und Ästhetiken an der Grenze zum Transzendenten.
Auch der „Kinotipp der Katholischen Filmkritik“ fällt unter diese Rubrik einer kirchlich-konfessionellen Akzentuierung. Mit ihm werden bis heute aktuelle Kinofilme hervorgehoben, die in besondere Weise um weltanschauliche Fragen kreisen oder sich eindringlich mit Themen des menschlichen Lebens und Zusammenlebens auseinandersetzten. Das sind etwa Filme über ethische Dilemmata, den Anfang und das Ende des menschlichen Lebens, den Umgang mit Schuld und Versagen, das Verhältnis der Geschlechter und Generationen, wichtige politische oder historische Themen wie etwa der Holocaust sowie drängende Probleme der Zeitgeschichte.
Die
Aufzählung so vieler unterschiedlicher Themenbereiche legt nahe, dass „Kinotipp“-Filme
nicht allein durch relevante Inhalte charakterisiert werden, sondern dass diese
Werke sich ihrem Sujet auf eine „besondere“, „eindringliche“, „überzeugende“,
„herausfordernde“ Weise nähern, sprich: dass sie filmästhetisch „von
überragender Qualität“ sein müssen.
Diese Kombination von „relevantem Inhalt“ und „filmästhetischer Qualität“ hat nichts mehr mit der Zweiteilung der 1950er-Jahre in formale und sittliche Bewertung zu tun, weil hier das eine ohne das andere nicht zu haben ist und Filme damit als integrale Kunstwerke ernst genommen werden, die sich nicht in Form und Inhalt, Intention und Gestalt unterscheiden lassen. Zum hermeneutischen Grundverständnis zählt auch die Einsicht, dass ein Film zwar auf Zelluloid oder als Datenpaket physisch vorhanden ist, aber erst in der Wahrnehmung zum Leben erwacht. Nur im Blick und in der verstehenden Perzeption durch die Zuschauer verwandeln sich die Bilder und Töne in Bewegung und laden sich im Kontext des jeweiligen Verstehens mit Bedeutung auf. Filme sind damit ihrem Wesen nach dialogische, auf Kommunikation angelegte Kunstwerke, die sich weder in der aufwändigsten Filmanalyse erschöpfen noch in tiefschürfenden Interpretationen auf den Punkt bringen lassen, sondern immer aufs Neue zum Gespräch und zum Austausch auffordern.
Filmkritik ist ihrem Wesen nach Wortkunst
Deshalb ist auch Filmkritik ihrem Wesen nach Wortkunst. Man hat ihr als journalistische Darstellungsform im Laufe ihrer Geschichte viele Aufgaben aufgebürdet, von der informativen Beschreibung bis zur filmtheoretischen oder gesellschaftskritischen Reflexion, dabei aber oft übersehen, dass ihr ureigenstes Metier das schöpferisches Wort ist, mit dem sie ihren Gegenstand überhaupt erst konstituiert. Sie strukturiert und eröffnet damit einen informierten Raum für die Urteilsbildung des Publikums. Im Unterschied zum Filmgespräch ist Filmkritik eine kulturelle Praxis, die eine öffentliche Funktion übernimmt und Filme in ihrer Deutungsvielfalt und ihrem ästhetischen Reichtum erschließt. Neben künstlerischen, ästhetischen und filmtheoretischen Gesichtspunkten wird eine religiös sensible, christlich inspirierte Filmkritik dabei auch spirituelle oder theologische Aspekte ins Gespräch bringen, ohne gesellschaftliche Bezüge außer Acht zu lassen.
Als ein „Diskurs über den Diskurs“ (der Filme, aber auch des öffentlichen Redens über Filme) kommt einer zeitgenössischen christlichen Filmkritik überdies eine ideologiekritische Aufgabe zu, da sich insbesondere das US-Mainstream-Kino mit seinen Fantasy- und Science-Fiction-Reihen als mytho-poetische Wundermaschine geriert, die Asgard mühelos mit dem Elysium oder sich selbst opfernde Erlöserfiguren amalgiert. Im Online-Portal von filmdienst.de ist dafür ein eigener Bereich reserviert, der „Spuren des Religiösen im Film“ verfolgt und in essayistischer Weise zur Reflexion über echte oder angemaßte religiöse Grundierungen vieler Filme einlädt.
Ein letzter, häufig übersehener Aspekt des „Katholischen“ in der Beschäftigung mit Filmen sei hier noch erwähnt: der „Dienst“ an der eigenen Glaubensgemeinschaft. Die systematische Durchmusterung des immer wilder wuchernden Filmangebots selektiert sehens- und diskussionswerte Filme nicht nur für die Gesellschaft generell, sondern eröffnet explizit auch dem Katholizismus ein institutionelles Fenster in eine Sphäre der Unterhaltung, aber auch ernsthafter (film-)künstlerischer Anstrengungen, Welt und Wirklichkeit sichtbar zu machen. Im Dunkeln des Kinosaals fällt es manchmal leichter, der Wahrheit ins Auge zu schauen.
(Literatur-)Hinweise
Peter Hasenberg, „Von Abwehrgefechten zu Dialogansätzen. Skandalfilme in der Katholischen Filmarbeit“, in: Communicatio Socials, 28. Jg., H. 1 /2 (1995), S. 8-46.
Peter Hasenberg, „Vom Film als Verführer zum Film als Lehrer. Entwicklungslinien in der Katholischen Filmarbeit“, in: Commuicatio Socials, 52. Jg., H. 4 (2019), S. 457-467.
Katholische Filmkommission (Hrsg.), „Dokumente katholischer Filmarbeit“, Düsseldorf 1956.
Christian Kuchler, „Kirche und Kino. Katholische Filmarbeit in Bayern (1945-1965)“, Paderborn, München, Wien, Zürich 2006.
Alfred Paffenholz, „Katholische Filmbewertung in der Diskussion“, in: Communicatio Socialis, 1/1969.
Thomas Schatten, „Geschichte der katholischen Zeitschrift „film-dienst““, Düsseldorf 1999.
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), "Visuelle Wahrheit und diskursive Deutung. Eine Feldbeschreibung katholischer Filmarbeit in Leitgedanken, Arbeitsbereichen und kulturellen Kommentaren". Bonn 2021, 198 S.
David Steinitz, „Geschichte der deutschen Filmkritik“, edition text + kritik, München 2015.
Der Aufsatz "Und was ist daran katholisch?" erschien unter dem Titel "Der Filmdienst - Filmkritik aus christlicher Perspektive im Wandel" zuerst in der Arbeitshilfe "Visuelle Wahrheit und diskursive Deutung" der Deutschen Bischofskonferenz.