Filme von Anfang bis zum Ende
zu sehen, mutet mehr und mehr wie eine nostalgische Rezeptionsform an. Fernsehen,
DVD und Streaming haben die Praxis etabliert, nach Belieben abzubrechen oder Filme
anderweitig nur stückweise wahrzunehmen. Doch was bedeutet der Verlust an
Schaukultur für den generellen Umgang mit dem Film als Kulturgut? Und für das
Kino? Ein Essay über einen beunruhigenden Trend, seine Folgen und das Potenzial
einer positiven Gegenentwicklung.
Die Filmgeschichte
erzählt auch von der immer größer werdenden Macht der Zuschauer über den
einzelnen Film. Von den an Zaubershows gemahnenden Varieté-Vorstellungen bis
zum ständig verfügbaren Heimkino war es eine lange Reise, in der das Publikum
erst seine eigene Unwissenheit ablegte und schließlich sein naives Staunen,
seine unkritische Freude. Die Filme schrumpften sozusagen, wortwörtlich auf
kleiner werdende Bildschirme, aber auch im übertragenen Sinne, indem sie
eingeordnet, analysiert oder wiederverwertet wurden. Die vom bürgerlichen
Theater übernommene, gesellschaftliche Hierarchien bestätigende
Guckkastenarchitektur der Kinos manifestierte ein Machtverhältnis zwischen Film
und Zuschauer.