Zu Beginn sieht es übel aus: Thor schmort förmlich in der Hölle, eingekerkert in einer lodernden Unterwelt und in den Händen des Feuerriesen Surtur. Doch er ist in dieser brenzligen Lage so cool, als würde er sich gerade lässig an der Theke eines Pubs mit einem alten Bekannten unterhalten, anstatt in Ketten verschnürt vor der Nase eines Todfeindes von der Decke zu baumeln. Dass er mit gutem Grund so unbeeindruckt ist, wird Surtur bald schmerzhaft feststellen: Ketten, ein Titan mit Teufelshörnern, eine Armee waffenschwingender Finsterlinge und ein veritabler Drache – für einen Kerl wie Thor kein Problem! Regisseur Taika Waititi spielt in der Eröffnungssequenz des dritten „Thor“-Films lustvoll mit der pubertären Essenz des Genres: mit der Wunschfantasie erstaunlicher Kräfte, die einen befähigen, sämtlichen Schikaneuren und Popanzen dieser Welt, mögen sie auch noch so monströs sein, kräftig in den Hintern zu treten. Die Euphorie, wenn der Held eine Lage scheinbarer Unterlegenheit und Hilflosigkeit um 180 Grad dreht, spielte bereits Kenneth Branagh im ersten „Thor“-Film (fd 40 433) gekonnt aus; Waititis Film greift diesen erhebenden „Phönix aus der Asche“-Moment nun gleich mehrmals auf. Dass der Film weniger düster ausfallen würde, als sein Originaltitel („Ragnarok“) klingt und die gleichnamigen „Thor“-Comics aus der „Avengers Disassembled“-Reihe nahelegen, deutete sich schon damit an, dass die Marvel-Produzenten die Regie dem 1975 geborenen Neuseeländer anvertrauten, der sich durch schräg-humorvolle Filme („Eagle vs. Shark“ (fd 39 171), „5 Zimmer Küche Sarg“ (fd 42 664), „Wo die wilden Menschen jagen“ (fd 44 608) einen Namen gemacht hat.
Eine Steilvorlage liefern ihm dafür diverse Erzählfäden, die in den vorherigen MCU-Filmen ausgelegt wurden und Thor nun mit Sparringpartnern versorgen, an denen er sich auch komödiantisch reiben kann: die Wiederbegegnung Thors mit seinem renitenten Adoptivbruder Loki, der sich am Ende von „Thor: The Dark Kingdom“ in Odins Gestalt den Thron Asgards erschlichen hat, mündet in eine gemeinsame Exkursion der Brüder auf die Erde auf der Suche nach ihrem Vater, die sie mit Doctor Strange zusammenführt; und vor allem steht das wortwörtliche Zusammenraufen mit Thors seit dem Ende von „Avengers: Age of Ultron“ verschollenem Kollegen Hulk an, der als Hauptattraktion in einer Gladiatorenarena des Planeten Sakaar auftritt, einer Art kosmischer Müllhalde für alle Verlorenen und Gestrandeten.
Dass es Thor und Loki an diesen skurrilen Ort verschlägt, ist die Schuld jener großen Gegnerin, mit der es Thor in seinem neuen Abenteuer aufnehmen muss: Die Todesgöttin Hela, von Cate Blanchett als herrlich überspannte Fetisch-Outfit-Giftspritze gespielt, der der Größenwahnsinn aus dunkel umrandeten Augen blitzt, fängt Odins Söhne bei ihrer Mission auf der Erde ab und schubst sie bei der Rückkehr nach Asgard prompt vom Bifrost, um ungestört Odins Thron an sich reißen und von dort aus die neun Welten unterjochen zu können. Nach der in mehrerer Hinsicht unsanften Landung auf Sakaar geht Thor freilich konsequent daran, sich einmal mehr aufzurappeln und ein Team um sich zu scharen, das Helas Pläne durchkreuzen soll.
Weitgehend bleibt Waititis Film dabei – Todesgöttin hin, drohende Götterdämmerung her – so fröhlich und unbeschwert wie ein überdimensionierter Cartoon, und cartoonhaft wirken auch fast bis zum Ende die Actionszenen. Was mitunter etwas kaltschnäuzig rüberkommt, wenn an einigen Stellen doch etwas mehr Ernsthaftigkeit und Tragik angemessen wären; etwa wenn Thors bewährte Sidekicks aus Teil 1 viel zu nonchalant aus dem Film gemeuchelt werden. Sowieso hält Waititi den „Gefühlsballast“, der sich aus den Hintergründen der Figuren ergibt, weitgehend klein (wenn es etwa um den Verbleib von Jane Foster, ums Schicksal Odins, den Bruderzwist mit Loki, Bruce Banners innere Konflikte oder Helas Herkunft geht) und verschenkt damit viel an Empathie- und Melodram-Potenzial. Was allerdings dafür sorgt, dass sein Film als lässige Actionspektakel-Komödie viel mehr „aus einem Guss“ wirkt als etwa „Thor – The Dark Kingdom“ (fd 42 010). Und mit seiner Fülle an außerirdischem Irrwitz zieht er durchaus mit James Gunns „Guardians of the Galaxy“ (fd 42 540) gleich. Wie die „Guardians“ bewegt sich auch Thor diesmal ganz auf fremden Welten; die Erde bleibt außen vor und kommt erst gegen Ende ins Spiel, wenn es gilt, dezente Weichen für den „Infinity War“ zu stellen.
So exotisch-martialisch die famosen Production Designer Dan Hannah und Ra Vincent Asgard auch herausputzen, bleibt allerdings immer erkennbar, dass die Marvel-Version des Sitzes der nordischen Götter letztlich eine verfremdete Kopie der USA ist, die von Film zu Film mit ihrer Rolle als Supermacht und Weltpolizei ringt. Dass im Jahr nach der Wahl Trumps hier nun eine irre, selbstverliebte Superschurken-Figur an die Macht kommt, die erklärtermaßen mit dem politischen Kurs liberalen Gutmenschentums des alten Odins aufräumen und Asgard zurück zu alter Größe führen will, kommt sicher nicht von ungefähr. Womit Waititi die Potenz-Fantasien, die er lange so lustvoll bedient, gegen Ende dann doch wieder in jenes kritische Licht taucht, in das sie spätestens seit Phase 2 des „Marvel Cinematic Universe“ immer wieder geraten sind.