„Endlich können wir auch im Kino über Hitler lachen!“, jubelte die BILD-Zeitung auf ihrer Website und präsentierte stolz die ersten Kino-Trailer zur Verfilmung des Romans „Er ist wieder da“. „So schräg wird die Hitler-Satire“, jubelte sie, und: „Der Führer entdeckt ‚dieses Internetz‘.“ In Kenntnis des nun fertigen Films fragt man sich, ob das Boulevard-Blatt wie auch seine eilfertigen Leser/Follower nicht bereits sehr früh einem klugen PR-Gag aufgesessen sind; denn der Klamauk und die kalauernde Albernheit der Trailer machten durchaus Appetit auf den Film – und lassen doch potenzielle Kinobesucher ahnungslos ins Messer laufen, weil sie nicht annähernd erahnen, was der Film „anrichtet“.
Lustvoll kokettiert Regisseur David Wnendt mit gängigen Comedy-Formaten, scheut sich nicht vor den tiefsten Tiefen einschlägiger Brachial-Gags – und erweist sich als virtuoser Jongleur mit solchen Formaten, der ihre zynische Gedankenarmut so lange bedient, bis sie sich selbst enttarnen und entzaubern. So sollte jedem sehr schnell das Lachen im Halse stecken bleiben: So dumm kann Fernsehen sein? So dumm können wir Zuschauer sein, dass wir dies gedankenlos goutieren und damit erst ermöglichen? Und wie abgestumpft und unempathisch sind wir, wenn wir Satire nicht mehr von Häme und Hass trennen? Lachen über Hitler – ja, das kann man in Wnendts Film. Doch wenn man sieht, wie Menschen auf diesen dubiosen Revisor, der durch das Deutschland im Jahr 2014 reist, reagieren, dann kann einem angst und bange werden. Denn die Reaktionen auf ihn sind nicht nur eine von Schauspielern getragene Inszenierung. Nein, Wnendt lässt „Herrn Hitler“ ebenso in halbdokumentarischer Weise auf die reale Welt los, als Gesprächspartner von Politikern und Amtsträgern, von Stammtisch-Helden und Wutbürgern, Neonazis und Politikverdrossenen – und sie alle reagieren positiv.
Man könnte an Heinrich Heines Nachtgedanken denken – würden diese nicht bereits von „Herr Hitler“ selbst zitiert: „Denk ich an Deutschland in der Nacht…“ Wie im Roman von Timur Vermes ist er eines Tages einfach wieder da, erwacht in einem sozialen Brennpunkt in Berlin-Mitte. Staunt darüber, dass es „das Volk“ immer noch gibt, spürt dessen Wut, was ihn an 1933 erinnert, und registriert, dass die Demokratie in diesem Land während seiner Abwesenheit wohl nur wenig Spuren hinterlassen habe. Also macht er sich auf, die neuen alten Verhältnisse für sich zu nutzen: Wer so sehr die Demokratie verachtet, der scheint offen für „Neues“, bereit für Fremdenhass, Gewalt und Rassismus. In einem naiv-sanften Fernsehjournalisten, der von seinem „quotengeilen“ Privatsender schikaniert wird, findet er einen willfährigen Handlanger, der ihn quer durch die Republik chauffiert. Und als die Menschen im Lande so erfreut auf die verständnisvoll-joviale, ja menschliche Art des „Führers“ reagieren, sich ihm gegenüber öffnen und ihm nur zu gerne beipflichten, da beginnt die steile Karriere Adolf Hitlers: Vom Internet-Star mit millionenfachen „Gefällt mir“-Klicks ist es ein Katzensprung auf die große Fernsehbühne. Da ihn jedermann „nur“ für einen begnadeten Comedian hält, fühlt sich jeder frei von Verantwortung. Ja, der Mann habe doch in vielem Recht, heißt es, und: Klar würden sie ihn wählen.
Wnendts Film denkt konsequent den Roman weiter, indem er die Ich-Perspektive Hitlers zugunsten des Blicks auf die Menschen im Lande wendet – und den Roman selbst instrumentalisiert, indem er ihn als Hitlers jüngstes Werk den Buchmarkt erobern und schließlich auch verfilmen lässt. Spätestens dann vermischen sich die Ebenen zu einem Spiel mit den Wahrnehmungen, das einem den Boden entzieht und konsequent vorführt, wie sich Menschen spiegeln und entblößen. Raffiniert bezieht sich Wnendt auf die Ikonografie von Kino und Fernsehen: Während sich die geballte Ladung an Koch-, Talk- und Politshows immer wieder selbst entlarvt, wähnt man sich oft in einem Kinofilm von Helmut Dietl (oder auch in „Ruhm“
(fd 40 964) nach Daniel Kehlmann), in dem sich Prominente die Klinke in die Hand geben, hier aber mit ungewöhnlicher Courage ein Stück weit (selbst-)kritisch ihre Rollen in Frage stellen. Herr Hitler wiederum eilt wie eine fatale Mischung aus Monsieur Hulot und perfidem Brandstifter durch den immer aberwitziger und beklemmender werdenden Film, wobei ihm die Menschen zujubeln. Inklusive Selfie mit Führer. Ob die Entlarvung von allen Zuschauern erkannt wird oder ob sie lediglich das mitnehmen, was sie sehen wollen, ist kaum zu beurteilen. So bleibt der Film eine Gratwanderung. Doch Wnendt geht außerordentlich mutig und wachen Auges das Risiko ein, anzuecken – nutzt aber genauso die Chance, herauszufordern und nachdenklich zu machen.