Der Einfluss von John Lasseter auf die Art, wie man bei Disney Geschichten erzählt, ist schon länger unverkennbar. Der kreative Kopf hat ganz im Geist von „Toy Story“
(fd 31 830) der Animationsfilmabteilung des Unterhaltungskonzerns eine Seele eingehaucht. Seit dem Zusammenschluss mit Pixar hat man dort sogar den Mut, auch einmal ganz verquere Abenteuer zu realisieren. Warum also nicht das verbinden, was eigentlich inkompatibel ist? Analog zu Andys Spielzeugfiguren in „Toy Story“ könnten doch auch die virtuellen Computerspielfiguren aus Litwaks Spielhalle nach Feierabend ein geheimes Eigenleben führen, zwischen den Geräten hin und her reisen und Selbsthilfegruppen für Bösewichter gründen. Es könnten sich Freund- und Feindschaften zwischen artfremden Wesen wie Pac-Man und Super Mario oder den Helden von Street Fighter entwickeln. Oder unvorhergesehene, sogar systemgefährdende Komplikationen ereignen, wenn eine Figur zu tief ins Spiel der anderen eindringt. Genau dies sind die Prämissen für Disneys stereoskopischen CGI-Animationsfilm „Ralph reicht’s“, der die Reihe der verwegenen Geschichten von „Toy Story“ bis „Wall*E“
(fd 38 914) adäquat weiterführt.
Ralph reicht es: Er hat die Nase voll vom ewigen Bösewicht-Dasein. Eigentlich ist er viel zu sensibel für die stumpfsinnigen Zerstörungsorgien, bei denen er – natürlich nur der zahlenden Kundschaft zuliebe – im Computerspiel „Fix-it Felix jr.“ die Mietobjekte der Bewohner eines Hochhauskomplexes demoliert. Viel lieber würde er die Rolle des beliebten Handwerkers Felix übernehmen, der, von Menschenhand und Joystick geführt, alles wieder in Ordnung bringt. Oder einen richtigen Helden spielen, die Welt retten und jene Ehrenmedaille einheimsen, die ihm bei den Bewohnern seines Spiels das ersehnte Ansehen bringen würde. Doch der unerlaubte Ausflug ins Heldenkostüm eines „Hero’s Duty“-Soldaten wird zum Beginn einer Katastrophe: Ungewollt ermöglicht er einem Erzbösewicht die Flucht aus dem Spiel. Dieses Malheur gefährdet die Existenz des Auto-Rennspiels „Sugar Rush“ und setzt eine Rettungsaktion sondergleichen in Gang, bei der Ralph beweisen muss, dass tatsächlich ein Held in ihm steckt; denn nach seinem überstürzten Weggang aus „Fix-it Felix jr“, steht auch sein Spielautomat wegen vermeintlicher Fehlfunktion vor der Abschaltung.
Man muss die Computerspiele, die der Film herbeizitiert, nicht gespielt haben, um die skurrilen Charaktere und die (menschlichen) Sorgen, Nöte und Bedürfnisse der Kunstfiguren nachvollziehen zu können. Das Geheimnis von Filmen wie „Toy Story“ und nun auch „Ralph reicht’s“ ist es, den Spielzeugen und Spielfiguren jenes Eigenleben filmisch einzuhauchen, dass ihnen im Spielzimmer die kindliche Fantasie zuschreibt. Kein Wunder also, dass die Achterbahn der Gefühle auch bei „Ralph reicht’s“ funktioniert. Wenn dann auch noch eine derart liebevolle handwerkliche (3D-)Umsetzung der Geschichte gelingt, die Mischung aus klug gesetzten Pointen und Dramatik funktioniert und nebenbei der Fluch der rasant fortschreitenden Technik visuell und dramaturgisch aufs Korn genommen wird, dann entsteht ein Filmabenteuer, aus dem unterschiedlichste Zuschauergruppen einen „Mehrwert“ ziehen. Damit ist auch „Ralph reicht’s“ ein wunderbarer Unterhaltungsfilm für die ganze Familie. Lasseter sei Dank!