Melodram | Japan 1965 | 185 Minuten

Regie: Akira Kurosawa

1820 landet ein ehrgeiziger Arzt auf einer Assistenzstelle in einem einfachen Krankenhaus. Zunächst voller Arroganz gegenüber seiner Umwelt, gewinnt er durch das Vorbild seines "Rotbart" genannten Lehrers sowie durch die Konfrontation mit unterschiedlichen Patienten-Schicksalen ein anderes Verständnis von seinem Beruf: Nicht die eigene Karriere, sondern der Dienst an seinen Mitmenschen wird ihm wichtig. Ein zutiefst berührendes Melodram, in dem Kurosawa in streng komponierten Schwarz-Weiß-Bildern eindrucksvoll für Toleranz und Nächstenliebe plädiert. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
AKAHIGE
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
1965
Produktionsfirma
Kurosawa Films/Toho Company
Regie
Akira Kurosawa
Buch
Ryuzo Kikushima · Hideo Oguni · Masato Ide · Akira Kurosawa
Kamera
Asakazu Nakai · Takao Saito
Musik
Masaru Sato
Schnitt
Akira Kurosawa
Darsteller
Toshirô Mifune (Dr. Kyojio Niide, Rotbart) · Yuzo Kayama (Dr. Noboru Yasumoto) · Yoshio Tsuchiya (Dr. Handayu Mori) · Kyôko Kagawa (verrückte Frau) · Tsutomu Yamazaki (Sahachi)
Länge
185 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Melodram
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
KSM Krause + Schneider Multimedia
DVD kaufen

Diskussion
Japan um 1820. Der frisch approbierte Arzt Noboru Yasumoto hofft nach seiner Ausbildung in Nagasaki auf eine gut dotierte Stellung am Hof in Edo, dem alten Tokio und bis 1868 Sitz des Shogunats. Die vom Vater arrangierte Assistenzstelle in einem einfachen Krankenhaus beginnt er deshalb mit arrogantem Auftreten; seine Weigerung, die Arztuniform zu tragen, erschüttert aber weder das Klinikpersonal noch den Chef, Dr. Niide, der von allen „Rotbart“ genannt wird. Yasumotos erste Herausforderung wird die Sterbebegleitung eines todkranken Patienten. Als ihn eine im Gartenhaus eingesperrte, vom Wahnsinn geplagte Frau anfällt, rettet ihm Rotbart das Leben. Als Kind von Angestellten des Vaters wiederholt vergewaltigt, verführt diese Männer, um sie zu ermorden. Auch die dramatische Lebensgeschichte des schwerkranken Sahachi, der glaubte, seine große Liebe durch ein Erdbeben verloren zu haben, sie danach mit einem Kind wieder traf und ihren Tod miterlebte, gibt Yasumoto zu denken. Dann muss er das aus dem Bordell gerettete Mädchen Otoyo betreuen; dank Rotbarts Erfahrung gewinnt er Zutrauen und Herz der abgestumpften Jugendlichen und hilft ihr, das Trauma zu überwinden. Nach diesem wechselseitigen Lernprozess pflegt Otoyo liebevoll den erkrankten Arzt und kümmert sich um das Schicksal eines Kinderdiebs. Als die Lehrzeit im Krankenhaus beendet ist und seine Familie die geplante Heirat mit der jüngeren Schwester seiner Verlobten festsetzen möchte, entscheidet sich Yasumoto trotz der Warnung seines Chefs, die ihm liebgewordene Umgebung einer glänzenden Karriere vorzuziehen. Länger als zwei Jahre dauerten die Dreharbeiten zu Akira Kurosawas letzter Schwarz-weiß-Produktion. 1965 kam der dreistündige Film gekürzt nach Europa; Anfang 1978 konnte man die vollständige Version u.a. in Frankreich, später in der Schweiz sehen. Hierzulande ist „Rotbart“ nun endlich im Rahmen einer zwölfteiligen DVD-Edition mit Meisterwerken des japanischen Regisseurs zugänglich. Wie Kurosawas 1952 entstandener Film „Ikiru – Einmal wirklich leben“ (fd 3396) kreist auch „Rotbart“ um das Thema Tod. Die Liebe zu den Frauen hat viele Männer in den Tod geführt, es geht um erotische, platonische, auch väterliche Formen der Liebe. Andererseits tragen vor allem die Frauen schwer an den (gewaltsamen) Übergriffen der Männer: Belästigung, Misshandlung oder Vergewaltigung sprechen eine deutliche Sprache. Armut und Gleichgültigkeit bezeichnet Rotbart als die schlimmsten Feinde des Menschen. Von dem für die japanische Kultur typischen Lehrer-Schüler-Verhältnis spiegelt sich der Alltag, die Lebenswelt im Mikrokosmos Krankenhaus. Die inhaltliche Strenge, Kurosawas disziplinierte Bildkomposition, kommt in den sorgfältig kadrierten, kammerspielhaften Innenraumszenen zum Ausdruck. So stehen die Einheit von Raum und Zeit auch für die Harmonie von Körper und Seele, für eine ganzheitliche medizinische Methode. Dieser humanistische Ansatz, der Glaube an das Gute im Menschen, der Verzicht, die Demut, das selbstlose Opfer der Ärzte, sie reflektieren die Aufbruchstimmung in der japanischen Nachkriegsgesellschaft, in der Verdrängung der eigenen Kriegsverbrechen und das Leiden der einfachen Bevölkerung an der Tagesordnung sind. Demnach liegen die Ursachen für die Krankheiten viel tiefer, haben gesellschaftliche, soziale Ursachen, sind in der Vergangenheit und im System begründet. Rotbart kämpft gegen Missstände der Behörden, gegen das Unwissen und die Mächtigen, da man ihm sogar das Honorar für die Betreuung der Patienten kürzen will. Sein Ideal vom einfachen Leben, von Solidarität, praktiziert er für alle unmissverständlich, verantwortungsvoll im Umgang der Ressourcen von Mensch und Natur. Man kann in diesen Koordinaten religiöse Elemente wie Nächstenliebe und Toleranz, aber auch Grundideen des in seiner Jugend kommunistischen Kurosawa entdecken. Yasumotos Entwicklungsgeschichte und Läuterung kann auch als Bewusstseinserweiterung oder sanfte Umerziehung gedeutet werden, für das Kollektiv zu arbeiten und auf das Renommee einer individuellen Laufbahn zu verzichten.
Kommentar verfassen

Kommentieren