Wenige Einstellungen genügen, und der Zuschauer weiß sich im vertrauten Old-England-Territorium des 17. Jahrhunderts, in dem exzentrische Monarchen das Sagen haben, das Dekor ein Eigenleben führt, die Kostüme rauschen, Taftkleider glänzen und eine große Schar exquisiter Schauspieler zur Höchstform aufläuft: London unter der Herrschaft von König Charles II., dem Nachfolger von Oliver Cromwell, ist Schauplatz dieses vom Theaterguru Richard Eyre handwerklich perfekt inszenierten Historiendramas. Die Oberschicht genießt ausgelassen die neuen Freiheiten nach der strengen Herrschaft der Puritaner, und die frivole Bühnenwelt erfreut sich nach Jahren des Verbots wieder größter Beliebtheit. In dieser zügellosen Zeit macht der bisexuelle Gassenjunge Ned Kynaston eine schwindelerregende Theaterkarriere als kapriziöse Diva mit besonderem Faible für Frauenrollen, die zu dieser Zeit für das weibliche Geschlecht immer noch tabu sind.
Selten hing der Zauber eines Films so sehr an der Wandlungsfähigkeit seines Helden. Der Amerikaner Billy Crudup spielt Kynaston, eine authentische Figur der britischen Theatergeschichte, als erfolgsverwöhnten Narziss und zugleich als gespaltene Persönlichkeit, die in Frauenkleidern auch im Privaten dank eines adligen Liebhabers und weiblicher Fans reüssiert, als Mann aber mangels Übung von krankhafter Unsicherheit befallen wird. Rupert Everett liefert als Charles II. eine Glanzleistung typisch britischer Verschrobenheit und treibt die Blasiertheit seiner Figur auf die Spitze. Kynastons theaterbegeisterte Garderobiere Maria, hervorragend besetzt mit Claire Danes, weiß um seine Identitätsprobleme und verbirgt deshalb vor dem Meister ihre wahren Gefühle, die weiter gehen als jugendliche Schwärmerei. Heimlich probt sie Kynastons Rolle der Desdemona im „Othello“ mit, registriert jede kleinste Bewegung des verehrten Idols, pflegt und baut ihn moralisch auf und tritt schließlich selbst in einer Aufführung des Stücks in einer dubiosen Schenke auf.
Dem Zuschauer gehen beim Anblick der prächtigen Kulissenbauten die Augen über, der König hingegen, der in jeder Äußerung seine Sucht nach Frohsinn und Unterhaltung durchscheinen lässt, scheint vom klassischen Theaterzauber unbeeindruckt. Erst als ihn die Kunde von Marias Vergehen erreicht, ändert er aus einer Laune heraus das Gesetz und veranlasst, dass in Zukunft alle Frauenrollen ausschließlich von Frauen gespielt werden dürfen. Die skandalträchtige Entscheidung rechtfertigt er damit, dass die Franzosen den Briten in puncto Frauenschauspiel längst voraus sind. Für Maria ist dieser ironische Seitenhieb auf die britisch-französische Rivalität das Signal zu einer unverhofften Karriere, für Kynaston dagegen der Beginn seines schmerzhaften Abstiegs, denn von Männerrollen fühlt er sich überfordert. Da es „Stage Beauty“ aber nicht bei einem Drama belässt, sondern sich auch als romantische Komödie versucht, darf Maria nichts unversucht lassen, um ihrer Liebe zum alten Ruhm zu verhelfen – was entsprechende Turbulenzen mit sich bringt.
Der von Robert de Niro mitproduzierte Stoff basiert auf einem Theaterstück von Jeffrey Hatcher, der auch für das Drehbuch des Films verantwortlich zeichnet. Die Parallelen zum Maßstäbe setzenden Vorgänger „Shakespeare in Love“
(fd 33 570) sind unübersehbar; dazu passt auch, dass die Kostüme von Lisa Westcott stammen, die 1998 für „Shakespeare in Love“ mit dem „Oscar“ ausgezeichnet wurde. Die ähnliche Machart und die nur unwesentlich variierte Kleidertausch-Geschichte sind denn auch die einzigen Vorwürfe, die man dem sympathisch-leichten, bisweilen auch herzbewegenden Film machen kann. Letztlich verlagert er die Gewichtung von der Romanze zu einer Parabel über Identitätsfindung, Suche nach sexueller Orientierung und die Auswirkungen von wechselnden Moralvorstellungen auf den beruflichen Erfolg. Mehr Nähe zu gegenwärtigen Fragestellungen darf man von einem großen Kostümfilm wohl nicht erwarten.