- | Deutschland 2004 | 90 Minuten

Regie: Robert Thalheim

Ein halbwüchsiger Junge möchte nicht bei seiner Mutter und deren neuem Freund im bürgerlichen Wohlstandsidyll leben, zieht zu seinem arbeitslosen "proletarischen" Vater und versucht, diesen "umzuerziehen", um sich nicht mehr für ihn schämen zu müssen. Sympathische Vater-Sohn-Geschichte, die zwar in ihrer Darstellung eines sozialen (ostdeutschen) Milieus und in der Figurenkonstellation nicht sonderlich originell ist, aber dank des überzeugenden Hauptdarstellers als liebenswertem Loser-Vater, vielen einfühlsamen, spontan und improvisiert wirkenden Szenen sowie des reizvollen Soundtracks durchaus überzeugt. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf"/ZDF (Das Kleine Fernsehspiel)
Regie
Robert Thalheim
Buch
Robert Thalheim
Kamera
Yoliswa Gärtig
Musik
Peter Tschernig
Schnitt
Stefan Kobe
Darsteller
Milan Peschel (Marcel Werner) · Sebastian Butz (Sebastian) · Christina Große (Angelika) · Stephanie Charlotta Koetz (Nora) · Bernd Lamprecht (Bernd)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen, inklusive eines alternativen Filmanfangs.

Verleih DVD
Sony (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Marcel ist ein Vater, wie man ihn sich in seinen schlimmsten Albträumen nicht wünscht: Ein Prolet Mitte 40, der mit fettigen Haaren im schmutzigen Unterhemd auf der Couch sitzt. Seine Frau hat ihn verlassen; außerdem ist er arbeitslos, seit sein Laden für Alarmanlagen am Prenzlauer Berg Konkurs ging. Manchmal geht Marcel trotzdem hin, um Elektrogeräte für Freunde zu reparieren oder einfach so herumzuschrauben. Ansonsten hört er Country-Musik, keine amerikanische, sondern als Ex-DDRler vom Prenzlauer Berg jene von Peter Tschernig. Hauptsächlich aber bereitet er sich lesend auf seinen Traumjob vor: als „Personenschützer“ von Politikern. Ein Bodygard ohne jede Perspektive, bis sein 15-jähriger Sohn Sebastian vor der Tür steht, den er seit zwei Jahren nicht mehr gesehen hat. Sebastian lebt bei seiner Mutter, doch die hat jetzt einen neuen Freund, ist schwanger und zieht in ein Haus im Grünen. Zu viel Idylle für Sebastian. In Marcel sieht der Einser-Schüler zwar nicht den Vater, den er sich wünscht, doch könnte man den etwas erziehen. Deshalb bringt er Marcel Rechtschreibung bei, diktiert ihm einen beschönigenden Lebenslauf für Bewerbungen, geht mit ihm Krawatten kaufen und arrangiert sogar ein Vorstellungsgespräch. Doch Marcel, der seinen Sohn liebt und ihn rührend mit Ravioli aus der Dose bekocht, setzt alles in den Sand, weil er sich nicht beherrschen kann und sich als Opfer des herrschenden Gesellschaftssystems bemitleidet. Den Krawattenverkäufer brüllt er genauso an wie den Unternehmer, der ihn einstellen könnte. Es dauert nicht lange, bis sein Sohn frustriert registriert: „Abgesehen von deiner miserablen Form, hast du auch überhaupt kein Profil“. Sebastian, der sich seines Vaters schämt, hat aber auch noch anderes im Kopf. Seiner Freundin gegenüber behauptet er, sein Vater sei Personenschützer, „so wie Clint Eastwood in ,In the Line of Fire'“. Doch just als er ihn seiner Freundin vorstellen will, hängt der Vater sturzbetrunken in der Wohnung herum, woraufhin das Mädchen entsetzt das Weite sucht – weil Sebastian es angelogen hat.

Für einen Studenten im dritten Studienjahr, den sein Lehrer Rosa von Praunheim an der HFF Potsdam dazu nötigt, viel, schnell und billig zu drehen, einen Langfilm in nur zwei Wochen, hat sich Nachwuchsregisseur Robert Thalheim (geboren 1974) mit „Netto“ gut geschlagen. Die Wackelbilder der Handkamera, die zuweilen etwas unscharfen Szenen der grauen Ostberlin-Tristesse und die unbeholfenen Schwenks und zu langen Einstellungen passen sehr gut zu der beschriebenen Atmosphäre. Aber die Inszenierung stürzt sich zu sehr auf die Klischees vom Loser aus dem Osten auf der einen Seite, dem neuen Leben der Mutter nach West-Standard auf der anderen und dem zwischen allen Fronten stehenden Sohn, der weder mit dem einen noch dem anderen Leben etwas anfangen kann – und sich lieber eine Lüge zurecht bastelt, um bei seiner Freundin Eindruck zu machen. Bis auf ein paar schöne, sehr witzige und realitätsnahe Dialoge passiert wenig Unerwartetes. Schlimmer noch: „Netto“ folgt dem neudeutschen „Fernsehspiel“-Einheitsschema: kaputte Familie in heruntergekommenem Milieu mit hoffnungsloser Vater-Sohn-Beziehung und mühsamer Jugend mit der Jungenclique und der ersten Liebe.

Außer der zwangsläufig etwas unbeholfenen Inszenierung mit dem 60-jährigen „Ostberliner Johnny Cash“ Peter Tschernig (der auch selbst auftritt) hat „Netto“ eine originelle Musik und einige liebevoll gestaltete, ins Heute übertragene Ostalgie-Szenen, die für eine gewisse Authentizität und Glaubwürdigkeit sorgen. Milan Peschel als Marcel spielt immer überzeugend, während Sebastian Butz in der Rolle des Sohns die Unsicherheiten der Pubertät zwischen Ängstlichkeit und Überheblichkeit leider weniger gut herausarbeitet und etwas farblos bleibt. Das passt zwar in gewisser Weise zur kargen Ästhetik des Films, hilft aber nur wenig, eine stimmige Balance zwischen den zwei großen Trends der Zeit zu finden: dem neudeutschen Pseudo-Realismus im Fernsehspiel und der Teenager-Sozialstudie im deutschen Kinofilm.

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