Sequels gehören zur Filmgeschichte, auch wenn Puristen darüber die Nase rümpfen. Was die Nachfolger über das jeweilige Original hinaus zu erzählen haben, resultiert jedoch selten aus innerer Zwangsläufigkeit, da Filme so gut wie nie als Fortsetzungen konzipiert werden. Erst der Erfolg an der Kinokasse lässt die Produzenten darüber nachdenken, ob sie mit einer Figur oder einem Stoff in Serie gehen sollen. Auch bei DreamWorks’ computeranimiertem Trickfilm „Shrek – Der tollkühne Held“
(fd 34 929) war zunächst nicht an einen zweiten Teil gedacht worden, wie dessen cleverer Beginn jetzt enthüllt, der das Happy End in die Flitterwochen verlängert und zugleich den Abzweig für eine weitere Geschichte sucht. In rasender Geschwindigkeit galoppiert eine geharnischte Gestalt Richtung Drachenburg, um Prinzessin Fiona aus den Händen des Ungeheuers zu befreien. Man wähnt sich in einer Wiederholung oder einer technisch überholten Highend-Version des ersten Teils, bis sich der wagemutige Retter den Helm vom Kopf reißt und das makellose Modelgesicht mit blonder Mähne von Prinz Charming zum Vorschein kommt. Dessen strahlendes Siegerlächeln erstarrt freilich zur Maske, als er realisiert, dass ihm ein anderer zuvor gekommen ist – Shrek. Davon, dass es auch noch eine andere Lösung des Fluchs geben könnte, der die Prinzessin jede Nacht in ein grünes Oger-Monster verwandelt, war in den Ratschlägen seiner Mutter, der guten Fee, nie die Rede gewesen.
Dieser furiose Prolog schlägt bereits den spitzig-spritzigen Ton an, dem die Fortsetzung verpflichtet ist: Tempo, Variation und ironisch versierte Anspielungen, gepaart mit den Resulaten der atemberaubenden technischen Weiterentwicklungen im Bereich computergestützter Bilderzeugung (CGI). Selbst wenn man sich nicht unbedingt für die Details dieser revolutionären Bildertechnik interessiert, kann man der Faszination angesichts einer total entfesselten „Kamera“ kaum entraten. So bar jeder Einschränkung durchstreift sie die fantastischen Sets, dass man über weite Strecken den künstlichen Charakter von Fionas Heimat, dem Königreich „Weit, Weit Weg“ – die reinste Berverly Hills- und Hollywood-Parodie – aus den Augen verliert, so real und „wirklich“ erscheint die Szenerie. Dorthin reist das Paar, begleitet vom Esel, der als unermüdlicher Sidekick die nicht enden wollende Fahrt in furiose Comedy verwandelt. Die Freude der Schwiegereltern hält sich dagegen in Grenzen, da auch sie über den wahren Ausgang von Fionas Rettungsaktion noch nicht in Kenntnis gesetzt wurden. Vor allem der König will sich mit dem Oger und seinen Manieren nicht anfreunden, zumal ihm auch die gute Fee im Nacken sitzt, die ziemlich böse werden kann, wenn der Herrscher nicht nach ihrer Pfeife tanzt. Deshalb soll ein gedungener Killer Shrek beseitigen, was scheitert, sodass auf effektivere Mittel gesonnen wird. Da die Feindseligkeit ihrer Umgebung auch zwischen Shrek und Fiona Spuren hinterlassen hat, verschafft sich Shrek einen Zaubertrank, der ihn in einen Menschen verwandelt. Mit diesem Opfer seiner eigentlichen Natur hofft er, alle Schwierigkeiten aus der Welt zu schaffen. Die Fee aber macht sich dies zunutze und schiebt Fiona ihren eigenen Sohn als Mensch gewordenen Shrek unter. Kombiniert mit einem anderen Trank, würde der Betrug auf ewig besiegelt, wenn Fiona bis Mitternacht Prinz Charming küsst.
Diese Handlungslinien sind kaum mehr als das Gerüst des Films, an dem ein luftig gewobenes Netz aus zahllosen Nebensträngen mit einer Unzahl an Figuren, Einfällen und abgründigen Onelinern aufgespannt ist, das die Einheit der Story bisweilen zu sprengen droht. Wie auf dem Höhepunkt des Zitate verliebten postmodernen Reflexionskinos Ende der 1990er-Jahre stürzt sich „Shrek 2“ mit Verve und überbordender Fabulierlust ins Repertoire von Märchen, Musicals und Blockbuster-Filmen und treibt mit den Versatzstükken ein betörendes Spiel, das nach Herzenslust karikiert, konnotiert und sich bisweilen sogar selbst auf die Schippe nimmt. Bekamen bei „Shrek“ vor allem Disney und Michael Eisner ihr Fett ab, rückt jetzt das Hollywood-Imperium als solches in den Fokus mildspöttischer Bespiegelung. Die furiose Sketchparade mag dabei vielleicht nicht die Originalität von Fionas morgendlichem Gesangswettstreit mit jenem Vogel erreichen, dessen Eier anschließend zum Frühstück serviert wurden; doch allein der nie redemüde Esel und ein hemmungslos chargierender Zorro-Verschnitt des gestiefelten Katers (im Original mit den Stimmen von Eddie Murphy und Antonio Banderas) drücken dem Sommerhit ihren Stempel auf.
Bei aller unterhaltsamen Zerstreuung kann das Feuerwerk der Einfälle und Zitate freilich nicht darüber hinweg täuschen, dass die Figur des Shrek nur noch als Label und Aufhänger für die selbstverliebte Koketterie Hollywoods mit sich selbst dient. Nicht nur, dass Shrek sozusagen „entkernt“ wird: vom ruppigen Einzelgänger, der die Einsamkeit und den Morast liebt, bleiben nur noch das grüne Äußere und sein gutes Herz; stattdessen ist er nun in der Lage, sich mit König Harold eloquente Streitgespräche zu liefern, die jeden Anwalt erblassen lassen, und in Menschengestalt außerdem so ansehnlich, dass man ihn als Pendant zur Gestalt von Cameron Diaz gerne akzeptieren würde. Schwerer noch fällt ins Gewicht, dass „Shrek 2“ kein dem Vorgänger vergleichbares Zentrum erkennen lässt, um dessen Kontur die Episoden herum gesponnen würden. Das Hin- und Her zwischen Unterstellung und Täuschung, Intrige und Wirklichkeit, Wahn und Selbstbehauptung ist so groß, dass von der Suche nach der „wahren Liebe“ nur noch die Formel, aber kein Hintersinn mehr übrig bleibt. Das ist auch für ein „Summer Movie“ etwas zu wenig, zumal wenn es mit so viel Einfallsreichtum und Liebe zum Detail wie hier in Szene gesetzt wird.