Adam Sandler wird gerne als Chaos-Komiker abgetan, dessen kommerzieller Erfolg dem US-Kino intellektuelle Null-Runden wie „Big Daddy“
(fd 33 940) und „Little Nicky“
(fd 34 711) bescherte. Tatsächlich sind seine Werke keine Bereicherung der Filmgeschichte, doch Sandler hat das Talent, selbst lieblosen Klamauk-Produktionen Momente der Rührung abzugewinnen, indem er konsequent den Sanftmut seiner bescheidenen Helden in den Mittelpunkt stellt. Dementsprechend verkörpert er weder strahlende Sieger-Typen noch zynische Besserwisser, sondern kleine Verlierer mit großen Herzen, die selbst dann nicht zu wahrer Bosheit fähig sind, wenn sie herbe Schicksalsschläge einstecken müssen: In „Happy Gilmore“
(fd 31 939) spielte er einen Waisen, der Eishockey-Profi werden will, aber nicht Schlittschuh laufen kann, in „Eine Hochzeit zum Verlieben“
(fd 33 178) einen Musiker, der am Tage seiner Hochzeit von seiner Geliebten verlassen wird, und in „Waterboy“
(fd 33 627) den dezent debilen Prügelknaben einer erfolglosen Football-Mannschaft. Die Erniedrigungen und Krisen, die er zu durchleiden hat, stellen ihn jeweils auf eine harte Probe, die Sandler jedoch nutzt, um den Glauben des Zuschauers an die fundamentale Güte seiner tendenziell derben Charaktere zu stärken. Darin liegt sein besonderes Charisma, das mitunter an den jungen James Stewart erinnert, der ebenso wenig wie Sandler jemals die Rolle des Bösewichts übernommen hat. Allerdings hatte Sandler bisher das Pech, dass die Regisseure seiner Filme Dennis Dugan, Frank Coraci oder Steven Brill hießen und ihm somit kritische Anerkennung verwehrt blieb. Der Name des Regisseurs von „Punch Drunk Love“ sollte garantieren, dass er zur Abwechslung einmal ernst genommen wird.
In Paul Thomas Andersons Drama verkörpert der ehemalige Stand-Up-Komiker Sandler einen Mann, der mit den Augen eines Kindes in eine viel zu hektische, viel zu komplexe, viel zu unfreundliche Welt blickt. Sandler spielt Barry Egan, einen Geschäftsmann, der sich nicht nur mit den Widrigkeiten des Unternehmertums, sondern auch mit dem permanenten Psychoterror seiner Schwestern herumschlagen muss. Ohne Unterlass drängen sie ihn in die Rolle des neurotischen Außenseiters, sodass sich Barrys Frustration regelmäßig in unkontrollierter Wut Bahn bricht. Bis er eines Tages die hinreißende Lena kennen lernt und sich auf den ersten Blick in sie verliebt. Nun hat sein Leben ein Ziel, das er mit der ihm eigenen Beharrlichkeit verfolgt.
Wenn man ganz am Anfang sieht, wie Barry allein an seinem Schreibtisch in einer riesigen Fabrikhalle sitzt, dann ahnt man seine Einsamkeit. Das Leben hat ihn enttäuscht – so sehr, dass er sich auf der Suche nach menschlichem Kontakt nicht anders zu helfen weiß, als eine Telefonsex-Agentur anzurufen; doch die Frau am anderen Ende der Leitung verhilft ihm nicht zur ersehnten Illusion der Nähe, sondern missbraucht seine Daten für verbrecherische Zwecke: Vertrauen ist ein rares Gut in „Punch Drunk Love“, sodass jede Form von Romantik wie eine märchenhafte Utopie erscheinen muss. Dennoch ist Barry bereit, mit allen Mitteln für diese Utopie zu kämpfen. Als Lena ihm nach dem ersten Date per Telefon mitteilt, dass sie ihn gerne zum Abschied geküsst hätte, rennt er sofort los, um zu ihr zurückzukehren. Aber da der Mietkomplex, in dem sie wohnt, aus sterilen und uniformen Korridoren besteht, deren kaltes Licht im krassen Gegensatz zur Wärme einer menschlichen Behausung steht, irrt er orientierungslos durch die Gänge und verläuft sich auf seiner rastlosen Suche nach der richtigen Tür. Aber er gibt nicht auf, bis er Lena schließlich in den Armen hält.
Leider gibt sich Anderson nicht damit zufrieden, vom Triumph der Intimität über die Anonymität der Moderne zu erzählen. Statt sich auf diesen Kern der Geschichte zu konzentrieren, verliert er sich in Seitensträngen und inszenatorischem Selbstzweck, der seinen Kunstwillen ausstellt, ohne die Story voranzutreiben. Andersons Selbstgefälligkeit ist umso ärgerlicher, als seine Figuren mehr Aufmerksamkeit nicht nur nötig, sondern auch verdient hätten. Trotz Sandlers Kunst bleibt Barry Egan ein synthetisches Neurosenbündel, in dem man eher die Absichten des Regisseurs erkennt, als dass er sich zu einem lebendigen Charakter entwickeln würde. Emily Watson hat es noch härter getroffen: Ihre Rolle als Lena bleibt derart unscharf, dass sich ihr Charakter im Grunde auf eine blanke Projektionsfläche für Andersons Konzept der reinen Romantik reduziert. Dennoch funktioniert „Punch Drunk Love“ als bitter-süße Liebesgeschichte, deren Herzlichkeit letztlich über Andersons Hang zum Artefakt triumphiert. Denn Sandlers Talent, den guten Kern seiner Charaktere bloßzulegen, setzt sich auch diesmal gegen die Mängel des Films durch. Selbst wenn Barry Egan die Einrichtung einer Restaurant-Toilette demoliert oder die Wohnzimmerfenster seiner Schwester eintritt, zweifelt man keine Sekunde an der Reinheit seines Herzens.