Ein Polizist der Tokioter Polizei sieht sich mit einer Lebenssituation konfrontiert, in der seine Frau sterbenskrank ist, er selbst hoch verschuldet ist und sich zudem verantwortlich für Tod und Verletzung von zwei Kollegen fühlt. Schweigsam und scheinbar ohne Gefühlsregungen, aber in Konfliktsituationen mit unbarmherziger Gewalt, versucht der Polizist, seine Schuld zu begleichen. Ein in konsequenter Stilisierung und geschickter Rückblendentechnik virtuos inszenierter Film, der Trauer und Schuldgefühl durch extreme Statik und Monochromie vermittelt. Eine Meditation über Liebe, Tod und Schuld, neben der Gewalt nur marginal und verfremdet als Akt tiefster Verzweiflung dargestellt wird.
- Sehenswert.
Hana-Bi
Drama | Japan 1997 | 103 Minuten
Regie: Takeshi Kitano
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Filmdaten
- Originaltitel
- HANA-BI
- Produktionsland
- Japan
- Produktionsjahr
- 1997
- Produktionsfirma
- Office Kitano/Bandai Visual Co./Television Tokyo Channel/Tokyo FM Broadcasting Co.
- Regie
- Takeshi Kitano
- Buch
- Takeshi Kitano
- Kamera
- Hideo Yamamoto
- Musik
- Joe Hisaishi
- Schnitt
- Takeshi Kitano · Yoshinori Ota
- Darsteller
- Beat Takeshi (Yoshitaka Nishi) · Kayoko Kishimoto (Miyuki, Nishis Frau) · Ren Osugi (Horibe) · Susumu Terajima (Nakamura) · Tetsu Watanabe (Tesuka, Schrottplatzbesitzer)
- Länge
- 103 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Yoshitaka Nishi redet nicht. Es gibt für ihn nichts mehr zu sagen, seit seine junge Ehefrau unheilbar krank ist, er sich viel zu hoch verschuldet hat – noch dazu bei einem Kredithai der Yakuza-Gangster – und sich außerdem verantwortlich fühlt für den Tod eines Kollegen bei der Tokioter Polizei sowie für die Lähmung eines weiteren Kollegen. Nishi schweigt, aber er handelt. Kein Rachedurst, kein übermenschlicher Gerechtigkeitssinn treibt ihn an; ein Held kann und will er nicht sein. Nur seine eigene Schuld will er begleichen, bei seiner Frau und bei dem Kollegen. Wer sich ihm allerdings in den Weg stellt, etwa der Schuldeneintreiber der Yakuza, wird mit einer extremen Brutalität konfrontiert, die alle aufgestaute Trauer explosionsartig zum Ausdruck zu bringen scheint. Andere werden um so schonender behandelt. Nishi, inzwischen aus dem Polizeidienst entlassen, verübt den wahrscheinlich unspektakulärsten, ja ruhigsten Banküberfall aller Zeiten, indem er ohne ein Wort der Frau am Schalter seine Pistole zeigt; sekundenlang blicken sich die beiden in die Augen, bis die Angestellte sich für das einzig Richtige entscheidet.Takeshi Kitano spielt die Rolle des Nishi, und er hat den Film geschrieben, inszeniert und geschnitten, so wie die meisten seiner vorangegangenen Filme auch. Seine einzigartige Erzählweise vereint die Tradition des Gangster-Genrekinos sowohl europäischer als auch ostasiatischer Prägung mit einer tiefen Meditation über Begriffe wie Liebe und Tod, Schuld und Sühne, Ausweglosigkeit und Hoffnung. „Hana-Bi“ ist kein Actionfilm; der Titel bedeutet „Feuerwerk“, setzt sich aber wörtlich aus dem Gegensatzpaar „Blume“ und „Feuer“ zusammen. Es dominieren so gesehen die Blumen, sowohl im Wortsinn – in den Bildern, die der gelähmte Kollege malt, als Versuch, einen neuen Lebensinhalt zu finden; die Bilder stammen übrigens von Takeshi Kitano – als auch im übertragenen Sinn: etwa in den langen Szenen, die das liebevolle Ehepaar zeigen, wiederum fast immer wortlos. Das Feuer indes lodert jederzeit in Nishi, nur bleibt es unsichtbar, so lange ihn kein Funken trifft; dann „brennt“ es um so heftiger. Es sind gerade diese Szenen, in denen Kitano Bewußtseinsinhalte vermittelt, anstatt Geschehnisse nachzuerzählen. Die traumatische Schießerei etwa wird nur stückweise, in Gestalt von Erinnerungsfetzen Nishis dargestellt. Nishi selbst erlebt Gewalt als schrecklichsten physisch-psychischen Zugriff auf den Menschen; daß er selbst Gewalt ausübt, zeigt um so mehr den Grad der Verzweiflung, in der er sich befindet. Die verschachtelte Rückblendentechnik verhindert darüber hinaus eine simple monokausale Verkettung von Gewalt und Gegengewalt als Ursache und Wirkung, die der Psychologie der Figuren nicht gerecht würde. Kitano zeigt keine Entwicklungen, sondern einen Endzustand: Nishi ist als Figur ein konsequent ausformuliertes Destillat von genretypischen Helden und Antihelden, von Melvilles „Der eiskalte Engel“ und Woos „Killer“; ein Mensch außerhalb von Gesellschaft und Gesetz, der sich aber nicht selbst in sein Schicksal verrennt, sondern sich im Gegenteil mit aller Macht dagegen stemmt. Seine Mittel sind unsauber, skrupel- und gnadenlos, sein Ziel aber ist ehrenhaft – Kitano schafft keine Identifikationsfigur, sondern eine höchst ambivalente Persona, der man mal mit Ekel, mal mit Mitleid, mal mit Zuneigung begegnet.Die sorgsam komponierten Bilder, die Kitano verwendet, sind äußerst karg, statisch und monochrom, sie vermitteln sowohl auf engstem Raum wie in weiten Panoramen ein Gefühl von Kälte, Einsamkeit und Isolation – von der auch die anderen Hauptfiguren erfaßt sind, jede auf ihre Weise. Der gelähmte Polizist etwa wird nach dem Unglück auch noch von seiner Frau samt Kind verlassen, die Witwe des anderen muß, auf sich gestellt, in einem Fastfood-Laden arbeiten. Die Einzelschicksale vermitteln eine Weltsicht, die deprimierend und pessimistisch ist, und in der Menschlichkeit und Wärme teuer erkauft werden müssen. Aber, das zeigt Takeshi hier noch deutlicher als in seinen vorangegangenen, nicht minder stilisierten Filmen wie „Violent Cop“ oder „Sonatine“: es lohnt jeden Preis.
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