Das Persönlichkeitsbild eines Barons, der in Prag als leidenschaftlicher Sammler von Meißener Porzellanfiguren während des sozialistischen Systems einen Lebensinhalt sucht. Eine in kunstvoller Rückblenden-Technik verfaßte Studie über die Stellung von Kunst und Sammlern innerhalb einer von Ideologie und Diktatur beherrschten Zeit sowie über die persönlichkeitsgefährdenden Auswirkungen von Individualismus in exzentrisch ausgelebter Form. (Kinotipp der Katholischen Filmkritik)
- Sehenswert ab 16.
Utz
Drama | Großbritannien/Italien/Deutschland 1991 | 98 Minuten
Regie: George Sluizer
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Filmdaten
- Originaltitel
- UTZ
- Produktionsland
- Großbritannien/Italien/Deutschland
- Produktionsjahr
- 1991
- Produktionsfirma
- Viva/BBC/Academy/Cine Electra/NDR
- Regie
- George Sluizer
- Buch
- Hugh Whitemore
- Kamera
- Gérard Vandenberg
- Musik
- Nicola Piovani
- Schnitt
- Lin Friedman
- Darsteller
- Armin Mueller-Stahl (Baron Kaspar Joachim von Utz) · Brenda Fricker (Marta) · Peter Riegert (Marius Fischer) · Paul Scofield (Dr. Vaclav Orlik) · Miriam Karlin (Großmutter Utz)
- Länge
- 98 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Drama | Literaturverfilmung
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Der Baron Kaspar Joachim von Utz, schon mit frühkindlichem Schönheitssinn edlem Porzellan zugeneigt, hat in seinem exzentrischen Leben eine unschätzbare Sammlung alter Meißener Porzellanfiguren zusammengetragen. Was er sich nach dem Tod seines Vaters, aufwachsend im Schloß der Großmutter in der Tschechoslowakei, autodidaktisch an Wissen über das "weiße Gold" aneignete, ermöglichte ihm auf Auktionen mit Kennerblick den Erwerb der erlesensten Meißener Objekte. Unbeirrbar ging er auch in kriegerischen und politisch drückenden Zeiten seiner Sammelleidenschaft nach, nahm skrupellos alle Möglichkeiten wahr, die Not- und Zwangsverkäufe anderer Sammler auszunutzen, so daß gegen Ende seines Lebens mehr als tausend Meißener Porzellanskulpturen in seiner "Fluchtburg", einer kleinen, mit Vitrinen vollgestopften Wohnung in der Prager Altstadt, stehen. Baron Utz gelang es nicht nur, trotz der Bedrängnisse durch das sozialistische Regime seinen Schatz zu vergrößern, er verstand es fintenreich auch, sein Sammelgut vor einem staatlichen Zugriff zu schützen. Er brachte es sogar fertig, aus der Abmachung, daß der Staat nach seinem Tode die Sammlung erben solle, seltene Privilegien für sich herauszuschinden. So wurden ihm vom Regime jährliche Reisen ins Ausland, Kuraufenthalte in westlichen Badeorten und Teilnahme an dortigen Auktionen stillschweigend zugebilligt, wohl in der Annahme, daß sich die Sammlung auf diese Weise zu späteren Gunsten des Staates in Qualität und devisenbringendem Wert vergrößern könne.Alle diese Begebenheiten sind mit virtuoser Rückblendetechnik in die hektischen Bemühungen eines New Yorker Kunsthändlers eingefügt, der nach dem Zusammenbruch der osteuropäischen Regime 1989 profitgierig an die Sammlung von Utz heranzukommen versucht, den er einstmals bei einer westlichen Auktion kennengelernt hat. Die durch Utzens Hausarzt und Freund intensivierte Beziehung bringt dem Amerikaner aber nicht das erhoffte Geschäft ein. Denn als er nach einer Nachricht von Utzens Schlaganfall eilends von New York nach Prag kommt, ist nicht nur der Porzellan-Millionär schon verstorben, es findet sich auch nicht mehr die geringste Spur von der unschätzbaren Sammlung. Und auch die von Utz nach vielen treusorglichen Dienstjahren geheiratete Haushälterin Marta ist nicht aufzufinden, obwohl gerade sie eine lückenlose Aulklärung geben könnte, eine Aufklärung, die dem Amerikaner im Film vorenthalten bleibt und nur dem Kinopublikum zuteil wird: Mit sprechenden Blicken gibt der sterbende Utz gegen Schluß des Films Marta zu verstehen, daß sie die ganze Sammlung zerschmettern soll. Glückselig lächelnd nimmt er das Zertrümmerungsgetöse gleich einer Triumphmusik mit in den Tod. Was schert ihn "der Wert unwiederbringlichen Kulturguts" und die "Erhaltungsverpflichtung für die Menschheit", wenn es für diesen Exzentriker nur darum geht, eine "andere Inbesitznahme" seiner Sammlung, sei es durch den sozialistischen Staat oder den westlich-kapitalistischen Kunsthandel, zu verhindern, getreu dem Credo Oscar Wildes: "Ein jeder tötet, was er liebt!"Gentleman und Lebemann zugleich, erscheint Utz in seiner Egozentrik und seinem Egoismus als amoralischer Mensch schlechthin. Außer seiner Sammelwut kennt der in willkürlichster Gefühlsfreiheit lebende Mann nur noch die Gier nach Zuständen erotischer Verzückung. Er lebt sie in spezieller Neigung zu fülligen Opernsängerinnen aus, und das selbst, als er die schöne gefühlsreiche Innerlichkeit Martas erkennt und schätzen lernt. Denn so geschickt er als bedingungsloser Individualist in einem kollektives Verhalten fordernden Regime sich zu behaupten weiß, so erfolglos bleibt sein Versuch, im privaten Bereich und in sich selbst polare Kräfte zu bändigen und auszugleichen. Seine Sammelleidenschaft gibt ihm letzten Endes doch nicht den erstrebten Lebensinhalt, sie schließt ihn mehr und mehr von einem wahrhaft beseelten Leben aus und macht ihn sogar zu einem Gefangenen. Schließlich würde Utz am liebsten das verhaßte sozialistische Prag verlassen, aber dafür die geliebten Meißen-Figuren zurückzulassen, ist ihm ein zu hoher Preis. So erfährt er durch seinen Sammeleifer eher eine Verkarstung seines Innern, eine "Selbstaufhebung", als eine reife Entfaltung seiner Persönlichkeit.Bild für Bild, aus kleinsten Bruchstücken, wird gleich einem Puzzle Utzens Leben vor dem Hintergrund einer kommunistischen Gesellschaft zusammenkomponiert. Mit ausgeklügelt rationierten Durchblicken auf Hintergründe und in Abgründe von Gruppen und einzelnen läßt der Film aus anfänglicher ratloser Verwunderung über Utzens Persönlichkeit eine immer intensiver werdende, bebende Spannung bis hin zu der Erkenntnis wachsen, daß Utz mit seinem von der Zeit unheilvoll mitgeformten Leben viel mehr eine "arme Seele" denn ein amoralischer Mensch ist; eine erbarmungswürdige, skurril-komische "Zeiterscheinung" am Rande der Heilsfähigkeit.
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