Der Kontrolleur

Drama | Deutschland 1994 | 61 Minuten

Regie: Stefan Trampe

Ein ehemaliger Kontrolleur an der Grenzübergangsstelle Drewitz zwischen Potsdam und Berlin versieht auch nach der Wiedervereinigung seinen sinnlos gewordenen Dienst und bewacht die allmählich von Gras überwucherte Grenzstelle der DDR. Auf Annäherungen von außen reagiert er zunächst aggressiv und verstört, bevor er sich radikal zurückzieht. Ein lakonisch und präzise beobachtender Erstlingsfilm, verdichtet zu einer intensiven Studie, die ebenso beklemmend wie in der Grundsätzlichkeit der Situation erhellend das Leben eines Mannes beschreibt, das aus den Fugen gerät und Angst, Panik, Orientierungs- und Haltlosigkeit zu erkennen gibt. - Ab 14 möglich.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
City Film/HFF "Konrad Wolf"/ORB/MDR
Regie
Stefan Trampe
Buch
Stefan Trampe · Uwe Mann
Kamera
Uwe Mann
Musik
Thomas Klemm
Schnitt
Karin Geiß
Darsteller
Hermann Beyer (Hermann) · Ulrike Krumbiegel (Marianne/Inge) · Eugen Krößner (Hermann als junger Mann) · Hans-Uwe Bauer (Mann im Chevrolet) · Michael Gwisdek (Rolf)
Länge
61 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14 möglich.
Genre
Drama
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Diskussion
Ein älterer Mann, verwitwet und vereinsamt, begibt sich zur Arbeit. Er fährt ein Stück mit der Berliner U-Bahn, dann weiter mit dem Omnibus, und schließlich landet er in doppeltem Wortsinn, wie sich herausstellen wird - an einer Grenze: sein Arbeitsplatz ist die Grenzübergangsstelle Drewitz zwischen Potsdam und Berlin, der Mann ist Grenzschützer im Dienst der DDR. Nun deuten viele Dinge auf die längst vollzogene Zeitenwende: die Grenzstelle ist verwaist, Gras schießt aus den Nahtstellen der Betonplatten, die Autos rollen nebenan, verborgen hinter einem Sichtzaun vorbei, der Verkehr pulsiert längst reibungslos und ohne Kontrolle (und Schikane) der Transitreisenden. Hermann aber versieht in dieser Einöde unbeirrt seinen Dienst weiter. Später wird er einmal erklären, daß er das Gelände bis zur Übergabe bewache: "Bin der letzte Mohikaner... Ich stehe unter meiner eigenen Selbstverwaltung hier." Den Sonderling mit "verlängertem Dienst" reizt die junge Kellnerin Inge, sie folgt ihm neugierig und naiv auf das Gelände, vielleicht in der Hoffnung auf ein Näherkommen; doch das Gegenteil ist der Fall: Hermann reagiert zunehmend aggressiv, glaubt, sie wolle ihn ausspionieren. Er wechselt den grauen Kittel gegen die alte Uniform in noch tadellosem Zustand und nimmt Inge als "Spionin" gefangen. Auch einen zufällig am toten Kontrollpunkt mit einem defekten Chevrolet gestrandeten Mann nimmt er fest: "Ihr werdet mir meine Ordnung nicht kaputtmachen!"

Ein Mann dreht durch. Nach 30 Jahren "Dienst für die Heimat", nach einem Leben in Gehorsamkeit und dem Glauben an eine "Idee" bricht in ihm erzwungenermaßen der (Schutz-)Panzer auf, und an den Bruchstellen geben sich Angst, Panik, Orientierungs- und Haltlosigkeit zu erkennen. Die zerberstenden Betonplatten, die die verfallende Grenzstation umgeben und über die allmählich das Gras wächst, sind eine ebenso einleuchtend-naheliegende wie beklemmende Metapher für seinen Zustand. Dabei wird aber klar, daß Hermann nicht gar so willenlos den Prozeß des Zerfalls hinnehmen will: die Scheinwelt, die er sich eingerichtet hat, tickt in ihm wie eine Zeitbombe. Lakonisch und ganz auf die Wirksamkeit der Bilder vertrauend, beobachtet Stefan Trampe in seinem ersten (halb-)langen Spielfilm die Ereignisse, die sich sowohl aus der äußeren Beschreibung des Verfalls als auch aus der inneren Rückschau des verwirrten Protagonisten entwickeln: aus seinen Erinnerungen (an erste Begegnungen mit seiner verstorbenen Frau), aber auch aus seinen längst sinnlosen, ritualisierten Rollenspielen, mit denen er die Vergangenheit verlebendigen und einstige "Ordnungen" konservieren will. Daraus entwickelt sich eine intensive, ebenso bedrückende wie erhellende Bestandsaufnahme: eines Lebens in Unselbständigkeit, das auf die veränderten Verhältnisse in einer gesamtdeutschen Gesellschaft letztlich nur mit dem radikalen Rückzug reagieren kann.

Und dafür findet Trampe zum Ende noch einmal eine höchst eindrückliche Metapher, die nachhaltig wirkt: Hermann zieht sich in eine Art Waffenkammer zurück, eröffnet das Feuer "auf seine Vergangenheit" und mauert sich ein, bis ihn schließlich auch der letzte Stein von der Außenwelt fernhält. (Im Vorprogramm wird eine Hochschul-Übungsarbeit von Stefan Trampe eingesetzt: "Amok" ist eine Art Road Movie, die nicht minder beklemmende Beschreibung von Orientierungs- und Ziellosigkeit am Beispiel eines jungen arbeitslosen Berliners.)
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