Liebesfilm | Frankreich/USA 1993 | 105 Minuten

Regie: Hal Hartley

Der Besitz zweier Disketten löst eine mörderische Treibjagd aus, in die ein abgrundtief böser Mensch ohne Gedächtnis, eine Pornos schreibende Ex-Nonne, ein Pornostar, ein ängstlicher Steuerberater und zwei Gentleman-Killer verwickelt werden. Als tragikomische Thriller-Romanze angelegt, entwickelt der perfekt inszenierte Film in der Frage nach der Bestimmung seiner Personen nahezu philosophische Weitungen. Ein Kinovergnügen, das geschickt mit den Erwartungen der Zuschauer spielt, mit Darstellern, die in ihren Rollen aufzugehen scheinen. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
AMATEUR
Produktionsland
Frankreich/USA
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
UGC/American Playhouse Theatrical Films/La Sept Cinema/Canal +/Channel Four Films/Zenith/True Fiction
Regie
Hal Hartley
Buch
Hal Hartley
Kamera
Michael Spiller
Musik
Jett Taylor · Ned Rifle
Schnitt
Steven Hamilton
Darsteller
Martin Donovan (Thomas) · Isabelle Huppert (Isabelle) · Elina Löwensohn (Sofia) · Damian Young (Edward, der Steuerberater) · Chuck Montgomery (Killer)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Liebesfilm | Thriller
Externe Links
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Diskussion
Wie wird sich jemand verhalten, der ein abgrundtief böser Mensch ist, sich dessen jedoch nicht mehr erinnert? Was macht eine Ex-Nonne, die als Autorin pornografischer Geschichten hoffnungslos scheitert, aus ihrem verfahrenen Leben? Wie kann ein Pornostar, der fest an den Tod seines rücksichtslosen Ehemannes und an einen wirklich großen Coup glaubt, damit umgehen, wenn diese Hoffnungen zerplatzen? Wie reagiert ein gehetzter Steuerberater auf Folter und scheinbaren Herztod? Was tun zwei Gentleman-Killer, wenn in entscheidenden Situationen ihre "handys" versagen? Antwort auf diese Fragen und viele mehr liefert Hal Hartleys vierter Spielfilm "Amateur", eine Thriller-Komödien-Romanze mit tragischen Ende.

Sofia schubst ihren Mann Thomas aus dem Fenster. Der liegt scheinbar tot auf der Straße. Ein schüchterner Fußtritt scheint dies zu bestätigen, und plötzlich ist die zeitlebens ausgebeutete Porno-Darstellerin im Besitz zweier Computerdisketten, die eine international operierende Gangsterorganisation mit Sitz in Amsterdam erpreßbar machen. New York scheint ein sicheres Pflaster, und so versucht Sofia ihr Glück. Nur - Thomas ist alles andere als tot. Die Ex-Nonne Isbelle nimmt sich seiner an, versucht seinem verlorenen Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen und gleichzeitig das erste Liebesabenteuer ihres Lebens in die Wege zu leiten. Zu diesem Trio, dessen Wege sich während einer Nacht und eines Tages mehrmals kreuzen, ohne daß man aufeinander Bezug nehmen könnte, stößt Steuerberater Edward, der durch eine Betrügerei von Thomas untertauchen mußte. Unwissentlich liefert er Sofia Informationen zu ihrem Erpressungsversuch. Sie ruft unwillentlich zwei Killer auf den Plan, die sich bislang darauf verstanden, ihren Job mit Zahnpastalächeln zu erledigen. Doch die unglücklichen Vier erweisen sich als harte Brocken. Plötzlich liegt einer der Killer tot auf der Straße, just an der Stelle, an der Thomas sein Amnesie-Schicksal ereilte; der zweite stellt sich etwas geschickter an, aber die falsche Einschätzung der Situation läßt auch ihn sein Schicksal ereilen. Am Ende ist Isabelles Ex-Konvent der letzte Zufluchtsort, doch ihr Ziel erreichen alle Beteiligten nicht. Edward wird wohl wahnsinnig bleiben, Sofia verblutet an einer Schußverletzung, Isabelle wird wohl kein Liebesabenteuer erleben, und Thomas wird versehentlich erschossen - immerhin im Glauben, ein guter Mensch zu sein, da ihm niemand erzählt hat, was für ein mieser Charakter er im wirklichen Leben war.

Hal Hartleys durchaus böser Film zeichnet sich durch seine dichte Struktur aus, die die verschiedenen Handlungsfäden nahezu genial zusammenführt. Stets begegnen sich Personen, die ihre jeweilige Geschichte nicht oder nur ungenügend kennen, die nicht wissen, wer mit wem sein Spiel spielt, wer welche Absichten hat. Erst die beiden Killer fügen die Geschichten und führen die Menschen zusammen. Sofia und Edward sind in diesem bitterbösen Spiel, das mitunter den Spannungseffekt punktgenau getimt hervorkitzelt, dann mal wieder das Tempo verschleppt und beinahe ins Plaudern gerät, wunderbar besetzte Nebenfiguren, die das kriminalistische Treiben in Gang bringen und halten. Das komische Drama konzentriert sich auf Thomas und Isabelle, beides eigentlich Personen ohne rechte Vergangenheit und Zukunft. Er weiß nicht, daß er grundböse ist, und verhält sich entsprechend zivilisiert, sie weiß eigentlich gar nicht, wie sie sich verhalten soll, und verhält sich entsprechend - eher indifferent -, von der Vision einer Aufgabe und ihrer Vorstellung von der Liebe geleitet. Zwei Menschen, die sich suchen, deren grausames Schicksal es jedoch ist, sich nie mehr wirklich finden zu können.

Auch in grotesk erscheinenden Übertreibungen schlägt Hartley stets den rechten Ton an, weiß, was er seinem Publikum zumuten kann, wie er es aufs Glatteis führt. Da ist z. B. Thomas' Traum, in der er Sofia mit einer Rasierklinge das Gesicht entstellen wollte. Eine Filmstunde später greift Thomas, in die Enge getrieben, zu einer schartigen Klinge, der einzigen Waffe im abgelegenen Haus, doch es entwickelt sich kein blutiger Zweikampf, sondern ein Finale, das in eine Farce einmündet. Ein überaus kluger, bis ins letzte Detail durchkonzipierter Film, dessen Drehbuch zwar mit dem Zufall spielt, ihm jedoch eigentlich keine Chance gibt. Der Autor/Regisseur sieht sich als ordnende Hand in einem künstlich geschaffenen Chaos, das blitzschnell von der Komödie zum Thriller wechselt und auch dann noch, wenn die müden Helden die Köpfe hängen lassen, nie wehleidig wird. Dies ist auch den Hauptdarstellern zu verdanken, die der sehr konstruierten Geschichte eine atemberaubende (Kino-)Realität verleihen. Martin Donovan, Stammgast am Hartley-Set, spielt seinen ehemals gewalttätigen Thomas mit einer solchen Gutmütigkeit, daß man einfach Mitleid mit ihm haben muß, und Isabelle Huppert kann ihr ätherisches Wesen in eine Rolle einbringen, die ihr wie auf den Leib geschrieben zu sein scheint. Ein Kinovergnügen der seltenen Art - intelligent und unterhaltend, witzig und spannend, mit Tiefgang und Lust an der schillernden Oberfläche.
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