Stelios
Biopic | Griechenland 2024 | 132 Minuten
Regie: Yorgos Tsemberopoulos
Filmdaten
- Originaltitel
- YPARHO
- Produktionsland
- Griechenland
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- Tanweer Prod./Finos Films/Aegean Oil/Black Orange/Cosmote TV/Ekome
- Regie
- Yorgos Tsemberopoulos
- Buch
- Katerina Bei
- Kamera
- Giannis Drakoularakos
- Musik
- Minos Matsas
- Schnitt
- Giannis Tsitsopoulos
- Darsteller
- Christos Mastoras (Stelios Kazantzidis) · Klelia Renesi (Katy Gray) · Asimenia Voulioti (Marinella) · Agoritsa Oikonomou (Gesthimani Kazantzidi) · Dimitris Kapouranis (George Lianis)
- Länge
- 132 Minuten
- Kinostart
- 03.04.2025
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Biopic | Drama | Musikfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Eine Filmbiografie über den griechischen Sänger Stelios Kazantzidis (1931-2001), der nach schwierigen Anfängen als Flüchtlingskind und Hilfsarbeiter zum Star der populären Musik wird.
1978 am Meer. Der berühmte Sänger Stelios Kazantzidis hat sich vor Jahren aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und lebt in einem kleinen Haus am Meer, zusammen mit seiner zweiten Frau Vaso. Tagsüber ist Stelios meistens auf dem Wasser und fischt, nur mit Schnur und Haken. „Er verliert das Zeitgefühl, wenn er draußen ist“, meint Vaso und bringt kurzerhand den Journalisten George Lianis, mit dem Stelios verabredet ist, hinaus aufs Meer. Das folgende (fiktive) Interview bildet den Rahmen für die Lebensgeschichte des Künstlers.
Eine erste Rückblende führt zurück in das Jahr 1945, als der 14-jährige Stelios Zeuge wird, wie sein Vater als Kommunist von politischen Gegnern zusammengeschlagen und zu Tode getreten wird. Aus purer Not gibt die Mutter das Baby, das sie gerade geboren hat, Stelios’ kleinen Bruder, ins Waisenhaus und zieht mit ihrem älteren Sohn in ein Elendsquartier: nach „Nea Ionia“, einem Vorort von Athen, der aus einem Flüchtlingslager entstand. Hier leben viele christliche Pontosgriechen, die vom türkischen Regime verfolgt, zwangsislamisiert oder nach Griechenland deportiert wurden, wo sie als Flüchtlinge nicht eben willkommen waren. Stelios wurde bereits in Griechenland geboren, er hält weiterhin die pontische Kultur hoch, motiviert von seiner Mutter, die großen Einfluss auf ihn hat. Für sie nimmt der Junge jeden Job an, leistet Schwerstarbeit am Hafen, arbeitet auf dem Bau und in einer Weberei. Dort singt er bei der Arbeit, sodass der Chef auf ihn aufmerksam wird. Er schenkt ihm eine Gitarre. „Du bist dafür geboren“, sagt er.
Alle singen mit
Stelios bringt sich selbst das Gitarrespielen bei und findet durch Zufall seinen ersten Job als Sänger – fürs Fahrgeld und für ein Essen. Die Engagements werden bald zahlreicher, sein Talent spricht sich herum, und wo er auftritt, füllen sich die Räume schnell mit Fans, die Stelios’ Stimme lieben. Alle singen mit, wenn er im Stil des Rembetiko, eines aus der Verbindung von griechischer Volksmusik und osmanischer Musiktradition hervorgegangenen Stils, von Trauer und Verlust singt, von Sorge und Leid. Bald werden die ersten Schallplatten aufgenommen, Stelios holt mit seiner Mutter den kleinen Bruder aus dem Waisenhaus. Und Stelios entdeckt immer mehr seine eigene Stimme.
„Stelios“ von Yorgos Tsemberopoulos kommt auf den ersten Blick wie ein typisches Biopic über ein typisches Künstlerleben daher, was in gewisser Weise auch stimmt. Dennoch bringt „Stelios“, der im Original „Hyparcho“ („Ich existiere“) heißt, einiges mit, was ihn von anderen Biopics unterscheidet und zum durchaus vielschichtigen, leicht melancholischen Melodram macht. Was auch an dem Soundtrack mit seinen meist schwermütigen Rhythmen liegt.
Gelegentlich wird und wurde „Stelios“ mit dem beinahe zeitgleich veröffentlichten Film „Maria“ von Pablo Larraín verglichen. Dieser Vergleich wirkt schon deshalb an den Haaren herbeigezogen, weil die Unterschiede einfach zu groß sind. Auf der einen Seite die alles überstrahlende, global verehrte Operndiva, die versucht, sich den letzten Rest ihrer Persönlichkeit zu bewahren, und auf der anderen Seite der populäre Sänger, der von Sorgen und Gefühlen der kleinen Leute singt. Was Maria Callas und Stelios Kazantzides gemeinsam haben, ist neben ihrer griechischen Herkunft lediglich die Tatsache, dass sie beide mit Musik respektive Gesang zu tun haben und dabei versuchen, Kunst und Privatleben zu trennen.
Das Interview erleichtert die Übergänge
Abgesehen davon unterscheiden sich die beiden Filme auch erzählerisch und visuell: „Stelios“ ist handfester, weniger artifiziell, und er verfügt über eine eigene Dynamik, die sich aus der gewollten Zusammenstellung der ausgewählten fiktionalisierten Episoden aus seinem Leben entwickelt. Das Interview auf dem Meer dient vor allem dazu, die Übergänge zwischen den Szenen und Zeitebenen zu erleichtern. Da wird nichts konterkariert oder interpretiert, sondern meistens bebildert. Der Journalist fragt: „Wann hast du zuerst gesungen?“, und sofort folgt die Szene in der Weberei, wo Stelios von seinem Chef „entdeckt“ wird.
Die authentische innere Kraft des Films ist der Inszenierung durch Yorgos Tsemberopoulos zu verdanken, einem Altmeister des griechischen Kinos. Diese Energie wird besonders in den Szenen deutlich, die im Athen der 1950er-Jahre spielen: in den Hinterhöfen und Tavernen von „Nea Ionia“, aber auch im Plattenstudio mit den Musikbossen, denen Stelios mit wachsendem Selbstbewusstsein gegenübertritt. Dann entwickelt „Stelios“ seine größten Qualitäten. Tsemberopoulos fängt Stimmungsbilder ein, die den Zeitgeist realistisch transportieren: die Ära des Fortschrittsglaubens und der wachsenden Medienpräsenz, mittendrin Stelios Kazantzidis, der für das Proletariat singt, das arm war, ist und bleiben wird, und der für die Musik lebt, aber irgendwann nicht mehr auftreten kann. Die nächtlichen Auftritte in Bars vor Feiernden und Betrunkenen machen ihm immer mehr zu schaffen. Nachdem ihn ein Fan mit vorgehaltener Waffe zum Singen gezwungen hat, beendet er seine Live-Karriere.
Mit schüchternem und frechem Lächeln
Doch „Stelios“ hat noch etwas anderes, was den Film interessant macht: einen hinreißenden Hauptdarsteller. Der bisher als Sänger bekannte Christos Mastoras spielt hier zum ersten Mal im Kino. Sein Stelios ist ein sympathischer, attraktiver Kerl, der mit einem gleichzeitig schüchternen und frechen Lächeln inklusive einiger niedlicher Stirnfalten beim Singen sehr überzeugend nicht nur den Künstler, sondern auch den Frauenhelden darstellt. Das komplizierte Privatleben von Stelios Kazantzidis, sein schwieriges Verhältnis zu seiner Mutter und zu Frauen, denen er als junger Mann mit tapsigem Machismo begegnet, wird zu einem weiteren Erzählstrang, der sich in die Handlung einfügt, ohne sie zu dominieren. Die Musik und ihr Interpret stehen im Vordergrund, und Stelios’ stimmungsvoller Gesang erfüllt den ganzen Film. Frank Sinatra soll von ihm gesagt haben: „Wäre er in den USA geboren worden, hätte er eine größere Karriere gemacht als ich.“