Überall gibt es ein Hausen

Komödie | Deutschland 2025 | 106 Minuten

Regie: Wtp-Kollektiv

Sieben Frauen unterschiedlichen Alters ziehen sich für eine Woche in ein Bauernhaus in Oberbayern zurück, um die Alltagsquerelen hinter sich zu lassen. Kundalini-Yoga, Waldbaden und eine Rede-Kur sollen zur Selbstfindung beitragen. Doch der rege Austausch über das richtige Sozialverhalten, romantische Liebe und alternative Lebenskonzepte kreist zumeist um den eigenen Nabel und erschöpft sich in der Suche nach dem eigenen Glück. Der kollektiv entstandene Film ist in einem Handkamera-Look inszeniert und lässt sich durchaus als Zeitbild einer „Well-Being“- und „Self Care“-Kultur lesen, die sich in private Oasen flüchtet, statt die Probleme der Welt anzupacken. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2025
Produktionsfirma
WTP International
Regie
Wtp-Kollektiv
Buch
Mira Gittner · Antje Mönning
Kamera
Mira Gittner
Musik
Antje Mönning
Schnitt
Mira Gittner
Darsteller
Antje Mönning (Julia) · Amelie Köder (Luisa) · Mira Gittner (Franzi) · Helena Sattler (Marie) · Agnes Thi-Mai (Antonia)
Länge
106 Minuten
Kinostart
13.03.2025
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie
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IMDb | TMDB

Kollektive entstandene Komödie um sieben Frauen aus der Mittelschicht, die sich für eine Woche in ein Bauernhaus in Oberbayern zurückziehen, um zwischen Kundalini-Yoga und Waldbaden zu sich selbst zu finden.

Aktualisiert am
17.03.2025 - 16:33:35
Diskussion

Auf dem Höhepunkt von „Überall gibt es ein Hausen“ sucht ein kollektiver Traum die durcheinandergeratenen Köpfe der Protagonistinnen heim. Ob die unheimliche Imagination an den Schlafpillen liegt, an elektromagnetischen Schwingungen oder an anderen geheimnisvollen Energien, wird in dem Kollektivfilm nicht ganz aufgeklärt. Zumindest nicht in einer Weise, auf die sich die Besucherinnen eines idyllischen Bauernhauses in Oberbayern einigen könnten. Sieben Frauen unterschiedlichen Alters haben sich dort für eine Woche mit Aussicht auf Ausstieg aus den Alltagsquerelen versammelt. Kundalini-Yoga, Waldbaden und eine Rede-Kur sollen zur Selbstfindung beitragen. Das Motto des Seminars lautet „Sturmfrei in Hausen“, was zugleich sturmfrei von patriarchalen Männern meint, die in der gemeinsamen Regiearbeit des wtp-kollektivs eine nachgeordnete Rolle spielen.

Raus aus dem Alltag

„Raus aus dem Alltag, rein ins Leben“, verspricht auch der Film, zu dessen Personal unter anderem die „Momfluencerin“ Luisa (Amelie Köder) gehört. Ihr Lebenssinn besteht dem Augenschein nach im ausdauernden Bespielen von Sozialen Kanälen. Julia (Antje Nikola Mönning) sucht nach positiver Selbstverwirklichung. Bei Valentina (Lenka Arnold) ist die Freiheitsliebe ausgeprägter, und Marion (Ute Meisenheimer) möchte einfach einmal etwas Schönes erleben. Franzi (Mira Gittner) ist dabei, weil ihrer Familie das Haus gehört. Die Frauen, allesamt Vertreterinnen der weißen Mittelschicht, haben jede Menge Gesprächsstoff. Es findet ein reger Austausch über das richtige Sozialverhalten, romantische Liebe, offene Beziehungen und alternative Lebenskonzepte statt.

Das ganz ohne Filmförderung oder Fernsehsender-Beteiligung entstandene Werk ist dem Ethos des engagierten Amateurfilms verpflichtet, der nach Möglichkeiten jenseits der kapitalistischen Verwertungslogik sucht. Das wtp-kollektiv huldigt einem Kino, das sich nicht scheut, utopische Konzepte aufzuzeigen und zu verfolgen, erzählerisch wie ästhetisch kühn und abseits der visuellen Normen. Der Film ist in einem Handkamera-Look inszeniert. Dramaturgisch orientieren sich die Darstellerinnen an einer Drehbuchvorlage, die sich mehr als Empfehlung denn als konkrete Anweisung versteht.

Das ist eine Mixtur, die grundsätzlich zwar die radikale Perspektive einer gemeinschaftlichen Utopie eröffnet, im konkreten Fall aber in eine Nabelschau besinnungslos um den eigenen Horizont kreisender Protagonistinnen mündet.

Zwar will sich der Film den „elementaren Fragen unserer Gegenwart“ stellen und durch und durch politisch sein, doch die tatsächlich elementaren Fragen, etwa über die gesellschaftliche Spaltung oder wie wir weiter in Frieden leben können, bleiben auf eigentümlich entrückte Weise außen vor.

Tu, was gut für dich ist

„Ich habe doch ein Recht auf ein kleines bisschen heile Welt“, sagt eine der Figuren an entscheidender Stelle. Eine seltsam tumbe Sehnsucht nach privatem Glück, kombiniert mit dem eskapistischen Impuls, sein Heil in Achtsamkeit und Psycho-Gespräch zu suchen, findet hier ihren Ausdruck. „Überall gibt es ein Hausen“ lässt sich deshalb durchaus als Sittenbild unserer Zeit lesen. Während sich die wirkliche Welt unter dem Einfluss revisionistischer Kräfte und einer autoritären Politik gerade in Luft aufzulösen droht, ziehen sich immer mehr Zeitgenoss:innen auf das zurück, was sie noch zu kontrollieren vermögen: ihr körperlich-seelisches Wohlbefinden und ihre private Beziehungswelt. Damit steht dieser sich vermeintlich „anders“ verstehende Film ganz im Mainstream einer egozentrischen „Well-Being“- und „Self Care“-Kultur, die stets entlang der Maxime „Tu, was gut ist für dich“ operiert.

„Die Welt ist nicht, wie sie ist, sondern wie wir sie uns im Kopf machen“, heißt es bezeichnenderweise im Film. Diese Aussage zielt nicht darauf, die Welt zu verändern, sondern sich so gut es geht, in ihr einzurichten. Das ist ein Affekt der Weltflucht und ganz und gar unpolitisch. Dabei wäre ein politisch radikales Kino gerade umso wichtiger. Denn an konkreten Visionen für ein Zusammenleben jenseits privater Petitessen mangelt es schmerzhaft.

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