Stasi FC
Dokumentarfilm | Deutschland/Großbritannien 2023 | 95 Minuten
Regie: Arne Birkenstock
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland/Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2023
- Produktionsfirma
- Sky/CORSO Film/Fruitmarket
- Regie
- Arne Birkenstock · Daniel Gordon · Zakaria Rahmani
- Buch
- Daniel Gordon · Arne Birkenstock
- Kamera
- Thomas Eirich-Schneider
- Musik
- Jörg Follert
- Schnitt
- Sam Billinge
- Länge
- 95 Minuten
- Kinostart
- 27.03.2025
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Doku über die Geschichte des Berliner Fußball Clubs Dynamo (BFC), der als Lieblingsverein von Stasi-Chef Erich Mielke politisch instrumentalisiert wurde.
Über die politische Indienstnahme des Sports in der DDR scheint alles gesagt. Im Bösen (Doping) wie im nicht ganz so Bösen. In diesem Zusammenhang fallen dann oft Begriffe wie „Diplomat:innen im Trainingsanzug“, „Staatsamateure“ oder auch der Medaillenspiegel als Ausweis der „Weltmarktfähigkeit“ der DDR.
Im Unterschied zur Leichtathletik zählte der Fußball, wiewohl sehr populär, nicht zu den medaillenintensiven Sportarten. Das hatte wohl damit zu tun, dass dieser Sport als nicht berechenbar galt. Zudem stand das Stadion als Freiraum für potenziell subversives Verhalten generell unter Verdacht. Für Fußballfans war das ärgerlich, auch für die des Berliner Fussball Clubs Dynamo, dem Club der Staatsicherheit. So gibt es über den Stasi-Chef Erich Mielke die schöne Anekdote, dass der 1977 in die Kabine des frischgebackenen Meisters Dynamo Dresden gestürmt sei und gerufen habe: „So! Jetzt ist der BFC dran!“ Der BFC wurde dann in der Folge zehn Mal hintereinander Meister in der DDR-Oberliga.
Die Stasi spielte mit
In der sporthistorischen Dokumentation „Stasi FC“ von Arne Birkenstock, Daniel Gordon und Zakaria Rahmani fällt der erstaunliche Satz, dass es Mielke wohl auch um einen erfolgreichen Berliner Fußballclub zu tun gewesen sei, um die Macht der Stasi zu stärken. Wobei es wohl eher darum ging, die Macht der Stasi zu repräsentieren.
Gesichert wurde die Dominanz des BFC durch eine privilegierte Personalpolitik, die die vielversprechendsten Talente der DDR dem BFC zuspielte. Gesichert wurde diese Dominanz zur Not auch durch entsprechende Schiedsrichterleistungen, die faule Elfmeter pfiffen, Platzverweise nach Gusto erteilten oder zur Not auch die Nachspielzeit so lange verlängerten, bis das Ergebnis passte. Das ging so weit, dass es selbst den bevorteilten Sportlern peinlich wurde. So fragte der Ex-BFC-Spieler Falco Götz angesichts der offensichtlichen Manipulationen einmal: „Haben wir das jetzt wirklich nötig?“
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Fans den verhassten „Stasi-Verein“ BFC auf ihre Weise zu nutzen wussten, indem sie Mielke im Stadion verhöhnten, als Hooligans die Konfrontation mit den Ordnungskräften suchten, dem Spiel ostentativ den Rücken zukehrten oder schließlich sogar dem Stadion fernblieben.
Verpflichtung zur Loyalität
Eine Kehrseite des Privilegs, beim BFC zu spielen, war für die Sportler allerdings die Verpflichtung zu absoluter Loyalität dem Verein gegenüber. Wobei „Verein“ hier doppelt bedeutsam ist. Es wird in „Stasi FC“ zwar nicht explizit angesprochen, inwieweit einzelne Spieler gehindert wurden, den Verein zu verlassen oder gegen ihren Willen vom BFC verpflichtet wurden. Was allerdings gar nicht ging, wird anhand einiger Fallbeispiele exemplifiziert. Etwa am Beispiel des Spielers Lutz Eigendorf, der 1979 ein Spiel in Westdeutschland nutzte, um politisches Asyl zu beantragen. Eigendorf wurde Profi beim 1. FC Kaiserlautern, was Mielke als „Blamage“ empfunden haben mag. Es heißt, dass Mielke auf das Talent Eigendorf wie ein Vater auf sein Kind geblickt habe. Eigendorf wurde im westdeutschen Fernsehen ausgestellt, stand im Sportstudio Rede und Antwort, war Thema im Boulevard. Seine Familie hatte er in der DDR zurückgelassen, wo sie zum Objekt staatlicher Drangsalierungen wurde.
Einige Jahre später kam Eigendorf, der mittlerweile für die Eintracht Braunschweig spielte, bei einem Verkehrsunfall unter nicht ganz geklärten Umständen ums Leben. Dass die Stasi ihre Hände im Spiel gehabt habe, wird im Film zwar suggeriert, Beweise dafür gibt es aber nicht.
Traumatische Erfahrungen
Der Film setzt ganz auf moralische Empörung, obwohl er dafür zu wenig Material anzubieten hat: eine Handvoll ehemalige Aktive, von denen einige ihr Glück im Westen gemacht haben, ein Trainer, ein Schiedsrichter, ein ehemaliger Offizier der Stasi. Es gibt drei Republikflüchtlinge, von denen einer unter nicht geklärten Umständen zu Tode kam. Und drei Fußballer von Dynamo Dresden, denen bei einem Spiel im Westen das Angebot gemacht wurde, in der Bundesliga zu spielen. Leider von V-Leuten, weshalb sie bei der Rückkehr in die DDR inhaftiert wurden – und damit zugleich den FC Dynamo Dresden entscheidend schwächten.
Man ahnt noch Jahrzehnte später, was für traumatisierende Erfahrungen das für die Betroffenen gewesen sein müssen. Wichtigster Gewährsmann im Hintergrund ist der kanadische Sporthistoriker Alan McDougall, der sich mit dem Sportsystem der DDR eingehend beschäftigt hat. Allerdings erscheint sein Duktus für einen Wissenschaftler entschieden zu emotional und moralisch, wenn er sich wiederholt über die Ruchlosigkeit des „Erzkommunisten“ und Fußballfans Erich Mielke empört.
Die Macht des Marktes
Vielleicht ist es aber tatsächlich eine Wessi-Perspektive, dass das Skandalöse des Geschilderten im Verlauf von „Stasi FC“ zunehmend verpufft, weil man sich die ganze Zeit daran erinnert, dass beispielsweise der FC Bayern München der Konkurrenz auch die größten Talente wegkauft. Oder wie es zum Bundesliga-Skandal, zum „Sommermärchen“, zum Sponsoring durch „Rheinmetall“ kam. Oder man denkt gleich an die Politik der FIFA in den letzten Jahrzehnten, an Sepp Blatter oder Gianni Infantino. Wenn man sagt, in der Bundesliga regelt es eben der Markt, soll das nichts relativieren.