Coming-of-Age-Film | Kanada 2022 | 104 Minuten

Regie: Chandler Levack

Filme sind für einen High-School-Schüler im Jahr 2003 das ganze Leben. Darüber merkt er nicht einmal, dass er sich zunehmend isoliert und auch seinen besten Freund verliert. Doch dann wird ausgerechnet ein Nebenjob in einer Videothek für ihn zum Realitätscheck. Die nostalgische Liebeserklärung an Filme und ihre Trägermedien erzählt auf charmante, aber eher ungeschliffene Weise vom Heranwachsen und den Themen, die sich damit ungefragt in den Weg stellen. Mit seiner spröden Art wirkt der Film wie aus der Zeit gefallen, greift dabei aber alle zentralen Themen von Jugendfilmen feinfühlig auf. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
I LIKE MOVIES
Produktionsland
Kanada
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Téléfilm Canada/VHS Forever
Regie
Chandler Levack
Buch
Chandler Levack
Kamera
Rico Moran
Musik
Murray Lightburn
Schnitt
Rico Moran
Darsteller
Isaiah Lehtinen (Lawrence Kweller) · Percy Hynes White (Matt Macarchuck) · Anand Rajaram (Mr. Olenick) · Eden Cupid (Lauren P.) · Krista Bridges (Terri Kweller)
Länge
104 Minuten
Kinostart
27.03.2025
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Coming-of-Age-Film | Drama | Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB

Nostalgische Komödie um einen jungen kanadischen Filmfreak, der im Jahr 2003 in einer Videothek anheuert und in der Filialleiterin einen überraschend bodenständigen Gegenpart findet.

Aktualisiert am
25.03.2025 - 17:06:20
Diskussion

Ein Filmstudium an einer kanadischen Uni ist so ziemlich das letzte, was Lawrence Kweller (Isaiah Lehtinen) sich wünscht. Auf keinen Fall will er später in eine Schublade mit Atom Egoyan oder David Cronenberg gesteckt werden. Lawrence will vielmehr an die New York University. Raus aus der Vorstadt von Toronto, wo er und sein bester Kumpel Matt (Percy Hynes White) ohnehin die Außenseiter sind. Hinein in jene Stadt, die seiner Meinung nach die wahren Regiegrößen hervorgebracht hat.

Wenn die Welt abhandenkommt

Ja, Lawrence ist ziemlich überheblich. Vor allem aber ist er wahnsinnig selbstbezogen. Mit Matt hat er sich zu einer Art Club der Abgewiesenen zusammengeschlossen. Gemeinsam sehen die beiden Jungs jeden Samstagabend die neueste Folge von „Saturday Night Live“ im Fernsehen. Sie leben in ihrer eigenen Welt, während draußen das Leben tobt, an dem sie nicht teilhaben dürfen oder wollen. Lawrence merkt nicht mal, wie Matt ihm langsam abhandenkommt. Er spürt nicht, wie er ihn kränkt, als er ihn einmal nur als Platzhalter bezeichnet. Ohnehin glaubt er nicht daran, dass ihre Freundschaft auf Dauer Bestand haben wird. Dennoch ist er umso überraschter, als Matt sich kurze Zeit später lieber der filmbegeisterten Klassenkameradin Lauren (Eden Cupid) zuwendet, die mehr auf die Beine stellt als Lawrence.

In der sich anbahnenden Krise landet Lawrence bei der Suche nach einem Nebenjob genau an dem Ort, der für ihn die Welt darstellt: in einer Videothek. Aber auch da läuft nicht alles so, wie er es sich vorstellt. Jetzt muss er Werbung für „Shrek 2“ machen, den er hasst. Und sich mit seiner Chefin Alana (Romina D’Ugo) auseinandersetzen, die er irgendwie mag.

„I Like Movies“ spielt im Jahr 2003 und erzählt nicht nur über diese Zeit, in der DVDs gerade die alten VHS-Kassetten aus den Videotheken verdrängten, sondern sieht auch so aus und fühlt sich so an, als käme er just selbst aus dieser. Ein charmanter, bewusst auch etwas rauer Indie-Film, der wie aus der Zeit gefallen wirkt. Ohne großen Gesten, ohne große Sets, ohne Effekte. Ein Film über schräge, aber in ihrer Verschrobenheit doch auch liebenswerte Figuren, die irgendwann unter der Theke in der Videothek sitzen und mit heliumgetränkten Stimmen sprechen oder mit Cowboyhut ins Kino gehen. Ein Relikt aus einer Zeit, als Indie wirklich noch Indie war und Homevideos nicht aus künstlerischen Entscheidungen, sondern aus purer Notwendigkeit im 4:3-Format gedreht wurden.

Held & Antiheld in einem

Schamlos zielt Chandler Levack auf die Nostalgie-Gefühle des älteren Publikums und hat dabei vor allem die Cineasten im Blick, denen beim Stöbern in digitalen Streamingdatenbanken die Haptik der VHS-Kassette und -Hülle fehlt, die sich nach einer greifbaren Filmkultur zurücksehnen und Freundschaften an der Wertschätzung von Paul Thomas Andersons „Punch-Drunk Love“ bemessen. Wobei der Blick von „I Like Movies“ auf die Filmliebhaber durchaus zwiegespalten ist. Denn Lawrence hat vor aller Kinoliebe die Welt um sich herum vergessen. Er ist der Nerd, der in seinem Filmwissen aufgeht und das Kino jeder Party vorzieht. Man kann über ihn lachen, würde aber nicht unbedingt mit ihm befreundet sein wollen. Er ist Held und Antiheld zugleich. Isaiah Lehtinen verkörpert diese Rolle des Außenseiters, der noch einiges zu lernen hat auf seinem Weg ins Erwachsenenleben, mit geradezu enervierender stoischer Ruhe und macht es dem Publikum nicht leicht mit seiner Art. Ob sein Verhalten unbedingt mit einem traumatischen Erlebnis verknüpft werden müsste, sei dahingestellt.

Als Sparring-Partner für Lawrence entwickelt sich dabei die desillusionierte Geschäftsführerin der Videothek und einstige Schauspielerin Alana, für die die schöne Traumwelt des Kinos durch schlechte Erfahrungen längst ihren Glanz verloren hat. Aktueller als erwartet ist „I Like Movies“, wenn Querverweise zur „Me Too“-Debatte in die Handlung einfließen und sexistische Produktionsbedingungen zur Sprache kommen.

Feinfühlig bringt der Film all diese unterschiedlichen Aspekte zusammen und erzählt – meist in einer Videothek – über das Kino wie auch über das Leben. Mit „I Like Movies“ ist Chandler Levack damit etwas gelungen, was ihr Protagonist nicht wollte: Man sollte sich den Namen dieser kanadischen Filmemacherin merken.

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