The Critic
Drama | Großbritannien 2023 | 101 Minuten
Regie: Anand Tucker
Filmdaten
- Originaltitel
- THE CRITIC
- Produktionsland
- Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2023
- Produktionsfirma
- BKStudios/Culmination Prod./Fearless Minds/Mark Gordon Prod./Seven Stories Prod./Sony Pictures
- Regie
- Anand Tucker
- Buch
- Patrick Marber
- Kamera
- David Higgs
- Musik
- Craig Armstrong
- Schnitt
- Beverley Mills · John Gilbert
- Darsteller
- Ian McKellen (Jimmy Erskine) · Gemma Arterton (Nina Land) · Mark Strong (David Brooke) · Lesley Manville (Annabel Land) · Romola Garai (Cora Wyley)
- Länge
- 101 Minuten
- Kinostart
- 13.03.2025
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama | Historienfilm | Krimi | Literaturverfilmung
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Drama um den Theaterkritiker eines Londoner Boulevardblattes, der in den 1930er-Jahren eine junge Schauspielerin für einen perfiden Racheplan einspannt.
Kritiker im Feuilleton besaßen früher eine Macht, die für ihre heutigen Kolleginnen und Kollegen nicht mehr nachvollziehbar ist. Ein Daumen nach oben oder nach unten konnte über den Erfolg oder Misserfolg einer Theaterinszenierung entscheiden. Kritiker waren Halbgötter, wurden umschmeichelt und ihre Reaktionen von den Theaterleuten ängstlich beäugt. So verhält es sich auch mit dem alternden Jimmy Erskine (Ian McKellen). Der Edelfeder steht in den Schauspielhäusern ein fester Platz und in der Pause ein eigener Tisch zu. Erskine schreibt für das Londoner Boulevardblatt „Daily Chronicle“ und ist für seine ätzende Kritik und seinen Spott berüchtigt. Besonders gerne lästert er in seinen Texten über die aufsteigende Schauspielerin Nina Land (Gemma Arterton), die er mit allen möglichen niederen Tieren vergleicht.
Ein skrupelloser Plan
Doch als der Besitzer des „Chronicle“ stirbt und dessen Sohn David Brooke (Mark Strong) die Leitung des Blattes übernimmt, ändert sich Erskines Situation. Während ihn zuvor alle hofierten, muss er sich nun die Kritik von Brooke anhören. Denn der ist nicht nur ein Verehrer von Lands Schauspielkunst, sondern heftig in die Schauspielerin verliebt. Nachdem der homosexuelle Erskine, der in öffentlichen Parks nach anonymem Sex sucht, mit seinem Privatsekretär und Liebhaber Tom Turner verhaftet wird, feuert Brooke ihn. Homosexuelle Handlungen stehen im Vereinigten Königreich der 1930er-Jahre unter Strafe, und so hat Brooke eine willkommene Ausrede, sich des unbequemen Mitarbeiters zu entledigen.
Erskine will sich den Rauswurf aber nicht gefallen lassen. Um sich an Brooke zu rächen, verbündet er sich sogar mit seiner Feindin Nina Land. Er verspricht ihr, seine verbalen Attacken in Zukunft einzustellen und sie überschwänglich zu loben, wenn sie Brooke verführt. Dabei soll sie Spuren hinterlassen, sodass Erskine seinen Ex-Boss erpressen und seinen Job zurückbekommen kann. Nina willigt ein, hat aber nicht mit der Skrupellosigkeit des alten Schreiberlings gerechnet, der bereit ist, für seine Karriere über Leichen zu gehen.
Opfer und Täter zugleich
Das Historiendrama von Anand Tucker basiert auf dem Roman „Curtain Call“ von dem irischen Schriftsteller Anthony Quinn, der sich vom Fall des Theaterkritikers James Agate (1877-1947) inspirieren ließ. Der Film taucht in die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ein und legt eine Gesellschaft offen, in der radikale Bewegungen wie die „Schwarzhemden“ unter der Führung des englischen Faschisten Oswald Mosley immer mehr Zuspruch fanden und in der eine ebenso strenge wie scheinheilige (Doppel-)Moral herrschte. Außereheliche Affären konnten für Beteiligte schwerwiegende Folgen haben, und schwule Männer waren erpressbar, weil ihre Sexualität von Staats wegen verfolgt wurde.
Das ist auch ein Grund, warum sich Erskine oft im Halbdunkeln bewegt: in schlecht beleuchteten Straßen, Parks und den absichtlich dunkel gehaltenen Theatern. Er taucht in eine Welt des Scheins ein: Das Theater bedient die Kunst der Täuschung ebenso wie das Privatleben des Kritikers. Jimmy Erskine erscheint als Opfer und Täter zugleich. Aufgrund seiner Sexualität, von der die meisten wissen, die aber nie explizit angesprochen wird, ist er ein gesellschaftlicher Außenseiter. So muss er privat ein Versteckspiel betreiben, äußert sich beruflich dafür aber umso expliziter, wenn Inszenierungen nicht seine hohen Maßstäbe erfüllen.
Ian McKellen spielt Erskine als alternden, stets qualmenden Snob mit Seidenschal, Hut und Anzug, der zum Misanthropen mutiert ist. Er fühlt sich wegen seiner Bildung und seiner intellektuellen Fähigkeiten überlegen und behandelt Menschen von oben herab, seien es sein Privatsekretär, die Schauspielerin Land oder gar ihre Mutter, die versucht, ein gutes Wort für ihre Tochter einzulegen. In der direkten Konfrontation mit seinem Brotgeber Brooke verhält sich Erskine dagegen taktierend, da dieser über sein berufliches Schicksal entscheidet.
Irgendwann kippt das Drama und verwandelt sich in eine düstere Kriminalgeschichte, die den Täter explizit benennt und seine seelischen Abgründe offenlegt. Erskine hat sich so sehr in seine Rachepläne hineingesteigert, dass es kein Zurück mehr gibt. Doch damit verspielt er alle restlichen Sympathien seiner Vertrauten wie des Kinopublikums und verwandelt sich in einen eindimensionalen Bösewicht. Das tut dem Film nicht gut, zumal der Krimiplot auch weniger auf Spannung als auf eine Eskalation des Bösen setzt.
Ein glänzendes Darstellerensemble
Im Gegensatz zu der gelungenen Milieuschilderung des Anfangs entwickelt sich „The Critic“ im letzten Drittel zu einem beliebigen Krimi, dessen Ende kaum noch berührt. Das illustre britische Schauspielensemble weiß dennoch zu überzeugen, nicht zuletzt ein liebestrunkener und deshalb verletzlicher Mark Strong als Brooke und die zwischen Naivität und Ehrgeiz schwankende Gemma Arterton als Schauspielerin Nina Land.