Agathe, Solange und Ich
Dokumentarfilm | Frankreich 2024 | 71 Minuten
Regie: Louise Narboni
Filmdaten
- Originaltitel
- AGATHE, SOLANGE ET MOI
- Produktionsland
- Frankreich
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- Mélodrama
- Regie
- Louise Narboni
- Buch
- Louise Narboni
- Kamera
- Pierre-Hubert Martin
- Schnitt
- Louise Narboni
- Länge
- 71 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Dokumentarischer Essay über die Schauspielerin Agathe Bonitzer und deren Spurensuche nach ihrer künstlerisch regen Großmutter.
Eine Ausstellung in einer kleinen Pariser Galerie. Zu sehen sind Malereien, Zeichnungen, Gravuren und Texte, zudem persönliche Dokumente, darunter Fotografien, ein gefälschter Ausweis und ein nie getragener Judenstern. Solange Ullmann (1922 – 2019) hat von Kinderbeinen an gemalt, gezeichnet und geschrieben; offiziell als Künstlerin ist sie aber nie in Erscheinung getreten. Ein Leben im Verborgenen und im Schatten, so scheint es, und das nicht nur durch die versteckte jüdische Identität während der Nazi-Zeit.
Ullmanns Enkeltochter Agathe Bonitzer, die als Schauspielerin unter anderem durch Angela Schanelecs Film „Music“ bekannt wurde, hat die Schau kurz nach dem Tod der Großmutter organisiert. Die Regisseurin Louise Narboni besucht sie am letzten Tag in den Räumen der Galerie. Sie führt Bonitzers kleinen Sohn durch die Ausstellung, liest einen Schulaufsatz der damals 15-Jährigen Ullmann vor sowie einen eigenen Text, den sie über Ullmann geschrieben hat. Auf einem Gemälde ist Agathe Bonitzer als junges Mädchen zu sehen. In einer Profilansicht sitzt sie auf einem grünen Hocker, die Gliedmaßen sind überlang, der Kopf mit dem rötlichen Pferdeschwanz empfindlich klein. Sie beugt sich lesend über ein Buch, das sie in der Hand hält.
Lose gestrickt, mit offenem Ausgang
„Agathe, Solange und ich“ ist lose gestrickt. Sie wisse selbst nicht, wohin der Film führen werde, sagt die Regisseurin zu Beginn aus dem Off. Von Anfang an ist hingegen klar, dass Narboni vor allem Agathe Bonitzer filmen und ihre geheimnisvolle Schönheit und Präsenz einfangen möchte. 2019 haben sich die beiden Frauen nach vielen Jahren wiedergetroffen. Narboni war Anfang zwanzig, als sie sich als Bonitzers Babysitterin ein wenig Geld dazuverdiente, eine Zeit, in der sie, wie sie bekennt, unsicher und ängstlich war, vielleicht auch ein wenig eingeschüchtert.
Ihr Vater, Jean Narboni, arbeitete in den 1970er-Jahren ebenso wie Pascal Bonitzer, Agathes Vater, als Kritiker bei den „Cahiers du Cinéma“. Ein Versuch, sich durch eine Laufbahn als Sängerin aus dem Filmmilieu herauszuziehen, misslang. Stattdessen drehte Narboni mit der kleinen Agathe ein Low-Budget-Remake von Louis Malles „Zazie“ mit dem Titel „Jeglicher Missbrauch wird bestraft“. Bonitzer, die den Film bei irgendeinem Umzug verloren hat, sieht ihn zum ersten Mal wieder, Narboni filmt sie dabei.
Als dokumentarischer Essay ist „Agathe, Solange und ich“ mehr umherschweifend als stringent. Narboni geht es weniger darum, die Biografie von Solange Ullmann zu rekonstruieren, als vielmehr Agathe Bonitzers Verhältnis zu ihr zu entfalten. Mit gemischten Gefühlen erinnert sich diese an die Besuche in der Wohnung in der Rue Degas, die die Großmutter 70 Jahre lang bewohnte. Vor der anstehenden Räumung arbeitet sie sich durch die Hinterlassenschaft, sichtet Zeichnungen, Fotos, Briefe. Eine nicht gelebte Liebe wird in Form einer über Jahre geführten Korrespondenz zum Leben erweckt. Damit verbunden, stellt sich die Frage, warum sich Solange Ullmann wissentlich für ein unglückliches Leben entschied.
Ein Drama scheint hier und da auf
Am Ende filmt Narboni in der leergeräumten Wohnung. Die Spuren eines langen Lebens sind überall sichtbar. An den Wänden zeichnen sich dort, wo einmal Bilder gehangen haben, helle Schatten ab.
Sich selbst und Agathe Solange nennt die Filmemacherin einmal „die Narbonitzers“. Auch ihre eigene Vergangenheit als junge Frau, Tochter und Enkelin wird in die Erzählung eingeflochten; auf Homevideo-Bildern ist sie mit ihren Großeltern zu sehen, später mit ihrer Mutter und ihrem Sohn, auch beim Schnitt an „Agathe, Solange und ich“. Ein Drama scheint hier und da auf: Ein Onkel brachte sich um, ein anderer erlag der Drogensucht, die Großmutter gab das Geigenspiel auf und wurde Mutter von sieben Kindern. Der Rekurs auf die eigene Familiengeschichte wirkt jedoch fahrig, ein Bild will sich nicht formen. Allen Raum gibt Narboni dagegen ihrem faszinierten Blick auf die Freundin, deren Erscheinung mitunter mit der Selbstbeschreibung von Solange Ullmann in eins fällt.