Drama | Mexiko 2024 | 130 Minuten

Regie: Rodrigo Prieto

Ein junger Mann begibt sich auf die Suche nach seinem unbekannten Vater, der sich jedoch als tyrannischer und verschuldeter Großgrundbesitzer herausstellt. In der Adaption eines Klassikers des lateinamerikanischen literarischen Magischen Realismus gehen bei der Spurensuche des Protagonisten die Welt der Lebenden und der Toten, Gegenwärtiges und Vergangenes fließend ineinander über. Die Verfilmung übersetzt das in atemberaubende Bilder, kämpft allerdings mitunter damit, filmdramaturgisch die nicht-chronologische, fragmentarische Erzählweise und die Vielzahl an Nebenfiguren und Subplots in den Griff zu bekommen und verliert gelegentlich den Fokus. Nichtsdestotrotz eine suggestive Reflexion über eine tiefe Desillusionierung beim Blick in die mexikanische Geschichte. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
PEDRO PÁRAMO
Produktionsland
Mexiko
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Redrum/Woo Films
Regie
Rodrigo Prieto
Buch
Mateo Gil
Kamera
Nico Aguilar
Musik
Gustavo Santaolalla
Schnitt
Soledad Salfate
Darsteller
Manuel Garcia-Rulfo (Pedro Páramo) · Tenoch Huerta Mejía (Juan Preciado) · Dolores Heredia (Eduviges) · Ilse Salas (Susana San Juan) · Hector Kotsifakis (Fulgor Sedano)
Länge
130 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Literaturverfilmung | Mystery
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Adaption eines Klassikers der mexikanischen Literatur: Ein Mann verlässt nach dem Tod seiner Mutter den abgelegenen Ort, in dem er zur Welt gekommen ist, und macht sich auf die Suche nach seinem Vater.

Diskussion

Es ist ein Wunder, dass Juan mitten in der Wüste auf einen Mann mit zwei Eseln trifft, der den Weg in die Kleinstadt Comala kennt. Dort hofft Juan (Tenoch Huerta), seinen unbekannten Vater Pedro Páramo (Manuel Garcia-Rulfo) zu finden, nachdem die Mutter verstorben ist. Doch der Fremde meint, dass der ehemalige Großgrundbesitzer schon unter der Erde liegt. Als Juan sich nach dem unbekannten Retter in Not umblickt, haben sich dieser und seine zwei Esel in Luft aufgelöst.

In Comala angekommen, sind die Straßen wie leergefegt. Die Mauern der Steinhäuser zerfallen, die Fassaden bröckeln, kaum eine Menschenseele irrt durch die Geisterstadt. Nur eine Frau kann Juan eine Unterkunft auf ihrem Dachboden anbieten. Bei Kerzenschein erzählt sie dem jungen Reisenden von seinem Vater Pedro, seiner Mutter und vielen weiteren Verstorbenen, deren Seelen nicht vollständig zur Ruhe gekommen sind.

The Dead Don’t Die

Der Film beginnt wie eine Geistergeschichte. Die Atmosphäre ist unheimlich; man hört das Geflüster von Toten, die Schreie von Erhängten. Immer wieder wandeln Personen durchs Bild, die sich im Nachhinein als tot herausstellen. Die Literarturvorlage, auf der „Pedro Páramo“ beruht, ist ein 1955 erschienener Klassiker der mexikanischen Literatur von Juan Rulfo, der bereits dreimal verfilmt wurde und in der lateinamerikanischen Tradition des Magischen Realismus steht. Daher wundert es nicht, dass die Grenzen zwischen den Welten der Lebenden und der Toten auch in dem von Rodrigo Prieto inszenierten Film fließend ineinander übergehen.

Prieto, der viel Beachtung für seine Arbeit als Kameramann für Filme von Alejandro González Iñárritu, Ang Lee und Martin Scorsese bekommen hat und nun mit der Adaption sein Regiedebüt gibt, nutzt alle Möglichkeiten von Spezialeffekten, um die Menschen altern, schweben und sich auflösen zu lassen. Und er setzt er solche Effekte nicht zu oft und zu übertrieben ein, sondern sehr gezielt und dezent ein. Es liegt ein großer Reiz darin, wie naturalistisch die Geister in die staubigen und erdigen Bilder der Einöde integriert werden. Außerdem behält seine Inzenierung den teilweise ruhigen, teilweise beunruhigenden Tonfall dank der meditativen Filmmusik von Gustavo Santaolalla konsequent bei.

„In der Stadt gibt es viele Echos“

Die Echos, von denen Juans Gastgeberin erzählt, kommen von den verlorenen Seelen der Stadtbewohner. In nicht-chronologischen und fragmentarischen Rückblenden ersteht Comala wieder auf. In der prosperierenden Vergangenheit tummeln sich Händler auf den Straßen, Mariachi-Bands spielen, und die Weiden und Felder um den Ort herum florieren. Der junge Pedro Páramo wächst in einer wohlhabenden Familie auf, die ihre Ländereien an zahlreiche Bauern verpachtet.

Eines Morgens steht Pedro auf, und der Tod dringt in das Landhaus ein. Männer tragen den Leichnam seines Vaters in den Vorhof an der weinenden Mutter vorbei. Dieses traumatische Ereignis prägt Pedro. Im Laufen seines Lebens fahndet er nach den Mördern seines Vaters. Er sinnt auf Rache. Als Erwachsener gibt Pedro seinerseits Mordaufträge, um unbequeme Bauern loszuwerden, denen er Geld schuldet, und arrangiert sich mit den mexikanischen Revolutionären, die seinen Gehilfen erschießen. Pedro entwickelt sich zu einem tyrannischen Großgrundbesitzer, der das Hab und Gut seiner Vorfahren zerfallen lässt.

Rache oder Liebe

Damit entzaubert der Film allmählich Juans Vorstellung vom Vater als Vorbild; und in der Figur Pedro Páramo verdichten sich stattdessen die sozialen Misstände. Schon die Vorlage ist in ihrer Zeichnung der Titelfigur als Allegorie auf ein Land zu verstehen, dessen Bewohner die Errungenschaften der früheren Generationen auf Spiel setzen. Statt Sorge zu tragen für sein Erbe, wendet sich Pedro der Gewalt zu – ohne Rücksicht auf Verluste. Und Rodrigo Prieto zeigt, dass nicht zuletzt die Frauen darunter leiden: Pedro heiratet Juans Mutter nur, um an deren Eigentum zu kommen, und lässt sie verarmen. Auch seine frühere Jugendliebe, die mittlerweile geisteskrank ist, wendet sich von ihm ab. Leider verliert sich Prieto aufgrund der zwischen den Zeitebenen changierenden Erzählweise und den vielen Nebenfiguren zwischenzeitlich in den zahlreichen Subplots. Wirkungsmächtig ist seine Adaption vor allem dann, wenn die großartigen Bilder für sich sprechen. Am Ende zerfällt jeder Mensch zu Staub – selbst ein Tyrann.

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