Action | Japan 2024 | 62 Minuten

Regie: Takeshi Kitano

Ein Profikiller im hohen Alter wird bei einem Auftrag von der Polizei erwischt und anschließend dazu gezwungen, sich als Spitzel in eine Yakuza-Organisation einschleusen zu lassen, was sich als brandgefährlich erweist. Regisseur Takeshi Kitano präsentiert in Personalunion als Regisseur und Hauptdarsteller einen prototypischen Plot zweimal hintereinander in unterschiedlichen Tonlagen: einmal als Gangsterfilm und einmal als fröhliche Parodie, die den Mythos der Profikiller-Figur mit reichlich derbem Slapstick durch den Kakao zieht. Dabei arbeitet Kitano sich gekonnt an den Genremustern ab und blickt unprätentiös-selbstironisch auch auf sein Filmschaffen zurück. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
BROKEN RAGE
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Amazon MGM Studios
Regie
Takeshi Kitano
Buch
Takeshi Kitano
Darsteller
Takeshi Kitano · Tadanobu Asano · Nao Omori
Länge
62 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Action | Persiflage | Thriller
Externe Links
IMDb | TMDB

Ein Thriller über einen Auftragsmörder, der in eine Yakuza-Organisation eingeschleust wird, präsentiert einmal als Gangsterfilm und einmal als muntere Parodie.

Diskussion

Der Killer kommt nicht ins Café, um Kaffee zu trinken. Stattdessen händigt der Kellner ihm eine Akte aus. Ein großes M ist darauf gedruckt. M steht für Mr. Mouse – das ist der skurrile (Deck-)Name des Auftragsmörders. In dem Umschlag befinden sich ein Name, eine Adresse, ein Foto und ein Geldbündel. Alles, was es braucht, um ihn für einen neuen Job anzuheuern. Ohne die Miene zu verziehen, erschießt Mr. Mouse wenig später das Opfer in einem Nachtlokal inmitten einer aufkreischenden Frauenrunde. Innerhalb von Sekunden ist er danach als Radfahrer verkleidet und verschwunden.

Der Alltag eines Auftragskillers

So, wie Takeshi Kitano das hier zu Beginn seines kompakten Thrillers „Broken Rage“ durchdekliniert, sieht der Alltag von Profikillern aus, wie ihn das Gangster-Genre seit Jahrzehnten imaginiert. Große Regisseure von Jean-Pierre Melville über Michael Mann bis hin zu David Fincher sind vom Prototyp des Profikillers fasziniert – des coolen Einzelgängers, bei dem die Gewalt elegant-effizient daherkommt und dessen Leben auf der mysteriösen Schattenseite von Politik, der Wirtschaft und Gesellschaft eigenen Regeln folgt. Kino-Killer sind Underdogs, die sämtliche Systeme unterwandern und dabei freiwillig oder unfreiwillig die Makel der eigenen Gesellschaft entlarven. Der Preis ist meistens die Einsamkeit oder der Tod.

Auch Takeshi Kitano liebt diese Außenseiterfigur. In Japan und auch im Rest der Welt ist der Regisseur und Schauspieler mit solchen Rollen zur Ikone geworden. Seinen neuen Film kann man zum Alterswerk zählen, aber für ein solches zerlegt Kitano erstaunlich verspielt das Gangster-Genre in seine Einzelteile und setzt sie auf überraschende Weise neu zusammen. Der erste Teil des Films verläuft noch sehr klassisch nach bekannten Mustern: Der Killer Mr. Mouse tötet einen Yakuza-Gangster und beseitigt die Spuren, bis er an die Polizei verraten wird. Die Cops erpressen ihn nun, sich als Spitzel in einen Drogenring einschleusen zu lassen. Kann er die Yakuza auffliegen lassen? Und vor allem: Kann er überleben?

Vom Gangsterfilm zur Parodie

Das eigentliche Überraschende findet im zweiten Teil statt. Darin erzählt Kitano dieselbe Geschichte unter umgekehrten Vorzeichen. Alles, was vorher problemlos gelingt, geht nun schief. Aus den oft viel zu ernsten Posen des Auftragskillers wird eine Parodie. Dabei führt der Regisseur und Hauptdarsteller mit Gusto die Lächerlichkeit und Machohaftigkeit der idealisierten Killer-Figur vor. Im Fitnessstudio läuft er neben dem Yakuza-Boss auf dem Laufband. Die zwei Männer im gesetzten Alter wollen ihre körperliche Fitness dem jeweils anderen beweisen. Sie stellen die Geschwindigkeit abwechselnd höher und höher. Bald fliegt einer der beiden auf die Schnauze.

Kitano baut noch weitere schwarzhumorige Fehler und Fallen ein. Das Spannende wird dadurch unglaublich komisch, auch wenn nicht jeder Slapstickwitz zündet. Möglicherweise liegt das am spezifisch japanischen Humor, der oft sehr derb und anarchisch im Vergleich zu Europa wirkt. Man kennt solche Szenen aus Animes und Mangas und muss unwillkürlich auch an Kitanos Game-Show „Takeshi’s Castle“ denken.

Chats, Spiele und Duelle

Darüber hinaus macht sich Kitano auch lustig über die Filmindustrie und die Erwartungen an seine Persona. Zwischen den Teilen verfolgt man einen Chat zwischen ihm und einem Filmproduzenten. Dieser beschwert sich über die Handlung, die Figuren und das Ende. Aber Takeshi Kitano muss niemanden mehr etwas beweisen. Lieber lässt er alle Figuren, Mafiosi wie Polizisten, blöd aussehen. Ein Duell mit Pistolen wird daher folgerichtig zu einem metafiktionalen „Die Reise nach Jerusalem“-Spiel. Nichts anderes ist das Wetteifern um den schnellsten Schuss. Ändert sich dadurch der Lebensverlauf? Manchmal schon, manchmal nicht. Auf jeden Fall holt der Film die vom Kino mythisierte Killer-Figur fröhlich von ihrem Sockel der Unantastbarkeit und macht sie dadurch ein bisschen menschlicher.

Kommentar verfassen

Kommentieren