Sie schlurfen, sie sabbern, sie stinken – und leben mitten unter uns: Zombies. Das kanadische Filmemacher-Trio RKSS aus François Simard, Anouk Whissell und Yoann-Karl Whissell nimmt sich mit „We Are Zombies“ inspiriert von der satirischen Comicreihe „The Zombies That Ate the World“ einmal mehr der in den letzten Jahren ziemlich überstrapazierten Filmmonster an, präsentiert die Untoten aber in einem komplett anderen Licht als das Gros des Zombie-Genres. Denn in der Horrorkomödie sehnen sie sich nicht nach frischem Hirn, sondern gesellschaftlicher Anerkennung.
War es Voodoo, die Strahlung eines unheilvollen Himmelskörpers oder ein fehlgeschlagenes Laborexperiment? Die Ursache des Zombie-Phänomens kann der Menschheit in „We Are Zombies“ herzlich egal sein. Denn entgegen popkultureller Klischees sind die Untoten in dieser Welt nicht von der Lust auf Menschenfleisch getrieben. Sie sind einfach da – und wollen leben. Mithilfe einer kurzen Montage aus Nachrichten, Fernsehwerbung und Sexarbeit-Popups etabliert RKSS seine sarkastisch überzeichnete Zombiewelt mit moralischem Unterbau. Denn die Zombies sind weiterhin Wesen mit Gefühlen, Träumen und Ambitionen – nur eben blass, langsam und mit besonderer Körperhygiene. Die Menschheit steht nun vor der Aufgabe, die „Lebensbeeinträchtigten“ nach ihrem Ableben wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Doch die Vorbehalte sind gigantisch.
Im Mittelpunkt der Handlung stehen drei Freunde – Karl, Freddy und Maggie –, die aus den neuartigen Umständen ein Geschäftsmodell entwickelt haben: Sie sammeln ausrangierte Untote von Familien auf, um diese gewinnbringend auf dem Schwarzmarkt an dubiose Kunden zu verkaufen. Dabei jagen sie dem Mega-Konzern Coleman, der sich auf die Entsorgung der „Lebensbeeinträchtigten“ spezialisiert, immer wieder wertvolle Kundschaft ab. Als ihre Masche auffliegt, setzt der eiskalte Firmenleiter Hannity zwei Mitarbeiter auf das Trio an, die durch die Entführung von Karls Großmutter eine stolze Geldsumme als Wiedergutmachung erpressen wollen. Doch Hannity schmiedet im Hintergrund auch noch einen sinistren Plan, durch den sich die harmlosen Untoten in blutrünstige Monster verwandeln sollen …
Der Tod als neuartige Lebensphase
Der Tod ist nicht das Ende – und das macht den Menschen zu schaffen. Wo George A. Romero in „Die Nacht der lebenden Toten“ die kapitalismusgetriebene Selbstzerfleischung der Menschheit kritisierte, zielt „We Are Zombies“ auf die Integrationsproblematik ab. Wie können beeinträchtigte oder ältere Menschen ebenso gleichwertig am Leben teilhaben, wenn die Leistungsgesellschaft jede persönliche Einschränkung erbarmungslos abstraft? RKSS schafft es damit, dem sonst auf Splatter- und Schreckmomente reduzierten Untoten-Motiv einen reizvollen ethischen Ansatz zu verpassen, der sich nahtlos mit dem komödiantischen Filmanteil vermengt. Hieraus entwickelt sich beispielhaft ein Running-Gag um Karls Großmutter, die selbst davon überzeugt ist, bereits lebensbeeinträchtigt zu sein, was ihr Enkel ihr jedoch immer wieder ausreden muss. Die Zombifizierung in „We Are Zombies“ hat nichts von der genretypischen entmenschlichenden Entstellung zum Monster ohne Bewusstsein, sondern fügt sich wie eine neuartige Lebensphase in den Alltag der Menschen ein.
Eine große Stärke des kanadischen Regie-Trios zeigt sich nach „Turbo Kid“ und „Summer of 84“ auch in diesem Projekt: anschlussfähige Helden mit Nerd-Tick zu etablieren. Die selbsternannten Zombie-Jäger Karl (Alexandre Nachi), Freddy (Derek Johns) und Maggie (Megan Peta Hill) versprühen trotz ihres morbiden Tagelöhnerjobs eine unwiderstehliche Herzlichkeit. Jeder der Helden bringt neben nerdigen Spleens wie Würfel-Rollenspielen, Wrestling oder Computerhacking eigene Probleme und Unsicherheiten mit in die kumpelhafte Dreiecksbeziehung. Die Macher lassen etwa den draufgängerischen Karl bei einem vermeintlich ungestörten Sex-Videochat von seinem tumben, aber herzensguten Wrestling-Freund überraschen. RKSS umschiffen mit solchen derben Komikeinlagen geschickt die Fremdscham und lassen die Zuschauer befreit auflachen. Die Verlockung des großen Geldes und der großen Liebe ziehen sich als altbewährter, jedoch nicht störender Handlungsfaden durch die knapp 80 Minuten Laufzeit.
Der Splatter wird kurzgehalten
Für einen Zombiefilm steckt „We Are Zombies“ jedoch bei einem üblichen Kernelement überraschend zurück: dem Splatter. Anders als etwa die lethargische Hommage „The Dead Don’t Die“ von Jim Jarmusch will die kanadische Zombie-Produktion zwar eine waschechte Splatterkomödie sein, doch das merklich niedrige Budget macht den ambitionierten Machern einen Strich durch die Rechnung.
Rein optisch und was Make-up-Effekte angeht, lässt sich „We Are Zombies“ nichts von seinen begrenzten Mitteln anmerken und präsentiert als Schauplatz einen comichaften Großstadt-Moloch mit einer breiten Palette an mehr oder weniger entstellten Wiedergängern. Doch bei der Action mussten offensichtlich Abstriche gemacht werden. Große Highlight-Momente wie der techno- und adrenalingeladene Endkampf in einem Nachtclub verpuffen angesichts der forcierten Schnitte, mit denen spritzende Blutfontänen und spektakulär abgetrennte Gliedmaßen umgangen werden. „We Are Zombies“ bewegt sich solide auf Pfaden von Horrorkomödien wie „Zombieland“ und „Shaun of the Dead“, reicht aufgrund der begrenzten Mittel jedoch nicht an deren Kreativität heran. Dafür kann er mit einem Händchen fürs Zwischenmenschliche und Sympathisch-Nerdige punkten.