Endlich für voll genommen werden, von den Erwachsenen als ebenbürtig gesehen werden – nichts wünscht sich der 15-jährige Freddy Lupin mehr. Bei ihm ist das doppelt kompliziert, denn seine Familie ist ein Werwolf-Rudel. Als Mensch ist der Teenager schon schmächtig und unsicher genug, aber nachts verwandelt er sich nicht in einen prächtigen, kräftigen Wolf, nein: Bei Mondlicht wird er zu einem Pudel mit pinkem Haarschopf.
Wann ist ein Wolf ein Wolf? „200% Wolf“ macht daraus keine Grönemeyer’sche Selbstvergewisserungsgeschichte, denn im Grunde hatte sich Freddy im Vorgängerfilm „100% Wolf“ schon mit seiner Pudeligkeit und seiner Rolle in der eigenen Familie arrangiert. Aber ein wenig gibt es dann doch noch zu korrigieren, denn er möchte gerne nachts mit dem Rest des Rudels kleine Heldentaten vollbringen und Menschenleben retten. (Wir haben es hier mit außerordentlich zahmen, freundlichen und hilfsbereiten Werwölfen zu tun.)
Werwölfe als charmant-chaotische Sympathieträger
Die klassischen Monstren des Horrorkinos sind über die Jahre immer mehr auch in die Kinder-Unterhaltung eingesickert und werden dabei nicht nur weniger gefährlich, sondern zunehmend freundlicher. Spätestens mit „Hotel Transsilvanien“ und seinen mittlerweile drei Fortsetzungen wurden Vampire, Mumien, Frankensteins Monster und natürlich auch Werwölfe zu charmant-chaotischen Sympathieträgern. Wobei der Werwolf in den Filmen sich vor allem durch eine Mischung aus hundeartiger Unterwerfung und ausuferndem Reproduktionswillen auszeichnete.
Davon kann bei Freddys Familie keine Rede sein, er ist ein Einzelkind und hat deshalb leider keine Geschwister, die ihm sagen könnten, dass er womöglich einfach noch ein wenig bis zur Volljährigkeit warten könne. Stattdessen sucht er einen rituellen Stein auf und nimmt Kontakt zu den Mondgeistern auf, die den Werwölfen ihre Kräfte verleihen. Auf dem Mond stünde man für gewöhnlich diesem Ansinnen wohl indifferent gegenüber, aber der noch sehr kindliche Baby-Mondgeist Moopoo hat gerade mit dem zurückgelassenen Lunar Rover noch Unsinn gemacht und schickt nicht nur Freddy einen Schwung Mondenergie, sondern landet auch gleich noch selbst auf der Erde.
Moopoo kann allerdings nicht bleiben, sondern muss zurück zum Mond. Um das Portal zurück zum Mond wieder zu öffnen, sieht Freddy nur eine Möglichkeit: Er muss mit der Werwölfin Max zusammenarbeiten. Max hatte verbotene Erdmagie genutzt, um sich mächtiger zu machen, und wurde daraufhin vom Rudel verstoßen; aber nur sie kennt die Zauber, mit denen Moopoo gerettet werden kann. Mit seiner besten Freundin Batty, einer Straßenhündin, und weiteren Freunden macht Freddy sich auf den Weg, aber natürlich ist Max zum einen misstrauisch und zum anderen keineswegs weniger machthungrig als früher. Sie lebt in einem finsteren Wald und hat sich mit magisch verwandelten Tieren umgeben, unter anderem einer riesenhaften Fledermaus.
Immerzu gibt es Verfolgungsjagden
In der zweiten Hälfte des Films wird die Handlung von „200% Wolf“ ein wenig unübersichtlich – allerdings weniger, weil so viel passieren würde, sondern mehr, weil es in so viele unterschiedliche Richtungen gleichzeitig deutet. Es wird, man kann das bei acht von zehn Animationsfilmen im Kino inzwischen beklagen, sehr viel geschrien und gerast, immerzu gibt es Verfolgungsjagden, die toll aussehen, aber weder interessant noch originell sind.
Daneben wird auch nie wirklich erklärt, warum Erdmagie schlechter sein soll als die Mondmagie, die Werwölfe macht. Sehr viel wird einfach behauptet, und statt komplexer Charaktere gibt es lediglich gut und böse mit unterschiedlichen Abstufungen von Selbsterkenntnis und/oder Nervigkeit.
Mit anderen Worten: Nichts, aber auch gar nichts kommt wirklich überraschend. Dafür sieht der Film richtig gut aus. Die Bilder sind immerzu in einen leichten Blauton getunkt, da der Film überwiegend Nachtimpressionen braucht (aber nie wirklich dunkle, als scheine ein ewiger Vollmond), damit Freddy als Pudel herumspringen kann. In den gelegentlichen Tagszenen wirkt dann alles geradezu augenbetäubend bunt. Haare und Felle sind noch nicht ganz auf Pixar-Niveau animiert, aber sehr ansehnlich, und alles ist hochauflösend zu bestaunen, bis hin zu Max’ Aknenarben, weil leider auch dieser Film nicht darauf verzichten mag, seine Antagonistin als auch körperlich mangelhaft zu markieren.
Trommlerwölfe kommentieren
All das ist schade, denn eigentlich gibt es ein paar hübsche Ansätze. Etwa zwei Trommlerwölfe während eines Treffens, deren rituelle Rhythmen wie Kommentare zum Gesagten wirken. Hübsche Quatschideen, die mit Popsongs zu tun haben. Dialogzeilen wie „Ich liebe Atmen,“ die im Kontext wirklich amüsant sind. Es ist also keineswegs so, dass nicht auch hier gelegentlich Ideenfunken aufleuchten. Allein, nichts davon trägt. Es ist zum Mondanheulen.