Black Dog - Weggefährten

Drama | China 2024 | 116 Minuten

Regie: Guan Hu

Nach einem langen Gefängnisaufenthalt kehrt ein Chinese in seine verwahrloste Heimatstadt im Norden des Landes zurück. Dort schließt er sich einem Trupp von Hundefängern an, der die zahlreichen streunenden Tiere beseitigen soll, findet aber daran keinen Gefallen. Stattdessen sucht er mehr und mehr Kontakt zu einem schwarzen, als tollwütig verschrienen Hund. Das Drama um die Annäherung zweier Außenseiter kommt zuerst geradlinig daher, erweist sich aber zusehends als komplexer. Western-, Krimi- und Liebesfilm-Motive spielen mit in die Handlung hinein, doch läuft der Film im Kern auf eine gelegentlich sentimentale Ballade über eine Welt, die von der Natur zurückerobert wird, hinaus. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
GOU ZHEN
Produktionsland
China
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Huayi Brothers/Momo Pic./The Seventh Art Pict.
Regie
Guan Hu
Buch
Guan Hu · Ge Rui
Kamera
Gao Weizhe
Musik
Breton Vivian
Schnitt
Matthieu Laclau · Yongyi He
Darsteller
Eddie Peng (Lang Yonghui) · Tong Liya (Grape) · Jia Zhang-Ke (Yao) · Zhang Yi (Gruppenleiter) · Zhou You (Nie Shili)
Länge
116 Minuten
Kinostart
12.12.2024
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Komplexes Drama um einen Chinesen, der nach einem langen Gefängnisaufenthalt in seine Heimatstadt zurückkehrt, Hundefänger wird und sich mit einem schwarzen Hund anfreundet.

Diskussion

Ein Kurzfilm von Jia Zhang-ke aus dem Jahr 2001 mit dem Titel „The Canine Condition“ (auf Deutsch ungefähr: Ein Hundeleben) zeigt, wie sich ein Welpe aus einem Stoffsack herausbeißt. Ob das Tier in den Sack gepackt wurde, um auf einem Markt verkauft zu werden, oder ob ihm ein anderes, womöglich schlimmeres Schicksal blüht, erfährt man nicht. Für die paar Minuten, die der Kurzfilm dauert, spielt es auch keine Rolle. Alles, was zählt, ist der Freiheitsdrang dieses einen Tieres. Hunde sind, als stumme Diener der Menschen, der Inbegriff der geknechteten Kreatur. Gleichzeitig aber sind sie in unseren Augen, vielleicht mehr als alle anderen Tiere (oder jedenfalls auf andere Art als Katzen, ein weiterer Spezialfall), Individuen, Geschöpfe, in denen wir uns selbst wiederzuerkennen meinen.

Guan Hu, ein chinesischer Regisseur, der seine ersten Filme Mitte der 1990er-Jahre drehte und damit wie Jia Zhang-ke zur sogenannten Sechsten Generation chinesischer Filmemacher zählt, legt nun ebenfalls einen Film über Hunde und ihre Beziehung zur Freiheit vor. „Black Dog“ spielt im Norden des Landes, am Rand der Wüste Gobi, vor gewissermaßen doppelt spektakulärer Kulisse: Die ausgeblichenen Cinemascope-Bilder breiten einerseits erhabene Wolkenformationen über einer kargen, staubigen Hügellandschaft aus; und andererseits setzen sie in dieser fast mondlandschaftartigen Naturkulisse ein vom chinesischen Wirtschaftsboom gründlich abgehängtes Provinznest ins Bild. Industrieruinen, menschenleere Straßen, vernagelte Geschäftsräume, eingeschlagene Scheiben … fast wirkt es wie ein Scherz, dass an einer Hauswand die Olympischen Spiele 2008 beworben werden. Tatsächlich spielt der Film kurz vor diesem Großereignis, in dem sich China im fernen Peking der Welt als eine moderne Industrienation präsentieren wollte.

Verbunden durch die Hunde

Was beides, menschenabweisende Natur und (noch nicht ganz) menschenleere Kulturräume, verbindet, sind eben die Hunde. In den Hügeln um den Ort sind sie gleich rudelweise unterwegs, im Ort selbst treten sie eher einzeln in Erscheinung, aber tendenziell doch: an jeder Ecke. Sie sind, so ist zu erfahren, übrig Gebliebene, zurückgelassen von Menschen, die dem trost- und perspektivlosen Ort den Rücken gekehrt haben.

Es gibt freilich einen Menschen, der den umgekehrten Weg einschlägt: Lang (Eddie Peng), die Hauptfigur des Films, kehrt nach einem Gefängnisaufenthalt in seinen Heimatort zurück. Und beeilt sich kein bisschen, an sein altes Leben anzuschließen. Seinen Vater, der die Tiere des örtlichen Zoos hütet und, wie nicht wenige der verbliebenen Bewohner des Ortes, dem Alkohol verfallen ist, sucht er vorläufig ebenso wenig auf wie die anderen Mitglieder einer Rockband, mit der er früher, vor dem Knast, einigen Erfolg hatte in der Gegend.

Schweigsam und breitschultrig, sucht Lang eher die Gesellschaft von Hunden als die von Menschen. Tatsächlich heuert er zunächst, weil es im Ort sonst nichts zu tun gibt, als Hundefänger an. Aber gemeinsam mit frustrierten Männern auf wehrlose Tiere einprügeln, das ist auf die Dauer nichts für ihn. Der schwarze Hund des Titels wiederum hat, behaupten die Menschen, Tollwut. Mit ihm nimmt Lang Kontakt auf, indem er Duftmarken setzt: In Hundeart pinkelt er immer wieder an dieselbe Hauswand, der Hund tut es ihm gleich, und irgendwann tun sich die beiden Außenseiter zusammen. Hinter den räudigen Schalen von beiden stecken, so viel darf verraten werden, weiche Kerne.

Die langen Schatten der Vergangenheit

„Black Dog“ ist deutlich weniger geradlinig und zielstrebig, als es zunächst den Anschein hat. Das Motiv des Outlaws, der in seine Heimat zurückkehrt, erinnert, wie auch die Weite des Himmels, an den Western, eine Krimihandlung um jenen Mordfall, wegen dem Lang damals in den Knast kam, evoziert den Film noir, die langen Schatten der Vergangenheit. Später wird auch noch eine Liebesgeschichte mit einer – ziemlich pragmatischen – Bauchtänzerin angedeutet. Aber je länger der Film dauert, desto unwichtiger wird das alles, desto mehr verwandelt sich „Black Dog“ in eine gelegentlich durchaus sentimentale Ballade über einen Mann und einen Hund und eine Welt, die langsam, aber sicher von der Natur zurückerobert wird. Neben Hunden tauchen bald andere Tiere auf, Schlangen zum Beispiel, sogar ein Tiger. Auf die Dauer hält es auch sie nicht in ihren Käfigen.

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