The Big Cigar
Biopic | Kanada/USA 2024 | 245 (sechs Folgen) Minuten
Regie: Don Cheadle
Filmdaten
- Originaltitel
- THE BIG CIGAR
- Produktionsland
- Kanada/USA
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- Epic Pic./Folding Chair Prod./Warner Bros. Tele.
- Regie
- Don Cheadle · Damon Thomas · Tiffany Johnson
- Buch
- Janine Sherman Barrois · Jim Hecht · Laurence Andries · Joshuah Bearman · Ameer Hasan
- Kamera
- Miroslaw Baszak · Carmen Cabana · Suki Medencevic
- Schnitt
- Avril Beukes · Rebecca Valente
- Darsteller
- André Holland (Huey P. Newton) · Alessandro Nivola (Bert Schneider) · Tiffany Boone (Gwen Fontaine) · P.J. Byrne (Steve Blauner) · Marc Menchaca (Agent Sydney Clark)
- Länge
- 245 (sechs Folgen) Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Biopic | Drama | Serie | Thriller
- Externe Links
- IMDb | JustWatch
Serie nach einer skurrilen wahren Geschichte um "Black Panther"-Gründer Huey Newton, der in den 1970ern auf der Flucht vor dem FBI ist und Hilfe ausgerechnet von Produzenten des "New Hollywood" bekommt.
Die Revolution hat ihren ersten Auftritt im Jahr 1967. Es sind Huey Newton (André Holland) und Bobby Seale (Jordane Christie), die sie verkörpern. Von der Jeans bis zur Lederjacke in Schwarz gehüllt, die Schrotflinten lässig über die Schulter gelegt, stellen sie sich einer Polizeistreife entgegen, die soeben einen jungen Schwarzen über ihre Motorhaube gelegt hat. Die Diskussion um den Namen der revolutionären Vereinigung ist in dem Moment beendet, in dem der Polizist beide auffordert, sich zu erkennen zu geben. Newton stellt beide als die „Black Panther Party for Self-Defense“ vor. Die Bewegung, die nicht nur über die Waffen verfügt, mit denen man das Gewaltmonopol der Polizei in Frage zu stellen vermag, sondern auch die dazugehörigen Gesetzesparagraphen, die Newton dem Polizisten direkt zitiert, als dieser ihn auffordert, die Waffe fallen zu lassen.
Revolutionär, Staatsfeind, Ikone
Für „The Big Cigar“ ist es dieser ikonische Moment, mit dem die schwarze Community wehrhaft wird und sich gegen einen Staat verteidigt, dessen Beamte, wie eine später von Showrunner Don Cheadle eingeworfene Statistik kundtut, bis heute für einen unter tausend Toten verantwortlich zeichnen. Im gleichen Jahr, 1967, wird Ted Streshinsky das Bild machen, das die öffentliche Wahrnehmung der Black Panther mehr prägen wird als ihr Zehn-Punkte-Programm. Erneut ist es Newton, der hier zu sehen ist: er thront, in der rechten Hand das Gewehr, in der linken einen Speer, auf dem Kopf das ikonische schwarze Barett, auf einem Korbsessel, den Blick direkt in die Kamera gerichtet. Für Amerika wird Newton für immer der Mann im Stuhl bleiben – Revolutionär, Staatsfeind, Ikone.
1974 ist das Jahr, von dem aus die Mini-Serie auf den Aufstieg der Black-Panther-Party zurückblickt. Der Erzähler ist Huey Newton persönlich, der zu diesem Zeitpunkt auf der Flucht ist. Die Polizei fahndet wegen Mordes nach ihm. Die Geschichte wird ihn später für unschuldig erklären, in dem Zeitfenster aber, das die Mini-Serie als erzählerischen Rahmen wählt, ist die Anklage ein potenzielles Todesurteil für den Protagonisten. In seiner Community kann er nicht untertauchen, das FBI hört alles und jeden ab, observiert jeden Treffpunkt der schwarzen Parteigänger:innen. So versteckt sich Newton nicht in Oakland, sondern in Beverly Hills. Seine Helfer sind keine Panther-Mitglieder, keine Revolutionäre, ja, sie sind nicht einmal schwarz. Es ist das Produzenten-Duo Bert Schneider (Alessandro Nivola) und Steve Blauner (P.J. Byrne), das Newton in der eigenen Familien-Villa versteckt und seine Flucht nach Kuba vorbereitet. Die Geschichte ist tatsächlich wahr. Nicht auf die dramaturgisch gestraffte und thematisch modulierte Art, mit der Showrunner Cheadle sie präsentiert, aber eben doch als eine skurrile Episode amerikanischer Geschichte.
Zwischen Skurrilität und tödlicher Realität
„The Big Cigar“ existiert im Zwischenraum von eben dieser Skurrilität und der tödlichen Realität dahinter. Ein Zwischenraum namens „Wilde Siebziger“: Amerika ist high, die revolutionären Ideen verankern sich in der Popkultur, nicht zuletzt in „New Hollywood“, das auch mit der Bert-Schneider-Produktion „Easy Rider“ prominent vertreten ist. Zugleich droht das subversive Potenzial der sozialistischen Grundideen, die Newton vertritt und an die sich Schneider und Blauner anhängen, in der Glut der Joints zu verrauchen und im permanenten Koksrausch unterzugehen. Die Serie spiegelt das ästhetisch, teilt die Bilder wieder und wieder in Split-Screens, springt wild in der Zeit und lässt auf der Strecke, was nicht in Rausch, Exzess und Paranoia aufgeht. Die Fragen, denen sich die Partner der seltsamen Koalition stellen müssen, sind grundverschieden, haben aber den immer gleichen Überschneidungspunkt. Wie viel Hollywood kann und muss ein Revolutionär sich leisten? Wie viel Pose steckt in der Revolution? Und: Wie viel Privileg ist man bereit, für die Revolution anderer zu opfern?
So erratisch die Serie formal sein mag – mitunter auch zu ihrem Nachteil – so gut hält sie die vielen Erzählstränge mit der Frage nach den ideologischen und praktischen Komplikationen revolutionärer Ideen zusammen. Nicht nur zwischen Newton und den Produzenten, die zunehmend unwillig oder unfähig scheinen, ihr Privat- und Berufsleben mit ihrer aktiven Teilhabe an der Bürgerrechtsbewegung zu vereinen. Auch innerhalb der Black-Panther-Party wird die Uneinigkeit unter den Gründern zunehmend zum ideologischen Machtkampf. Wie soll der Klassenkampf geführt werden? Soll man das System sprengen oder, wie Panther-Mitbegründer Bobby Seale es später mit einer Bürgermeister-Kandidatur versucht, innerhalb der vorgegebenen Strukturen verändern? Das COINTELPRO-Programm des FBI – die Institution wird in der Serie meist von Undercover-Agent Sydney Clark (Marc Menchaca) und dessen nur schlecht von seinem Hippie-Outfit verborgener Gewaltbereitschaft verkörpert – trägt mit Anschlägen, Unterwanderungs- und Psychoterroraktionen zur Zersetzung der Einigkeit bei. „The Big Cigar“ weiß die rauschhafte Seventies-Ära, die Paranoia der politisch Verfolgten, die mannigfaltigen Formen des Exzesses und die Absurdität der Geschichte gut zu einem nicht allzu ernsten, aber immer mit Ernsthaftigkeit grundierten historischen Exzess zu amalgamieren. Das Einzige, was dem Rausch letztlich fehlt, ist der Kater danach.