Dokumentarfilm | Finnland/Deutschland 2022 | 96 (TV 56) Minuten

Regie: Tania Anderson

Dokumentarfilm über das 18-monatige Vollzeit-Missionarsleben von vier jungen Mitgliedern der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Vier circa 20-jährige Gläubige werden bei ihren Versuchen begleitet, die mormonische Glaubensgemeinschaft im säkularen Finnland zu vergrößern. Der vornehmlich von Misserfolg und Ablehnung geprägte Weg des Missionierens soll den Glauben in Vorbereitung auf den Ehestand festigten. Ohne Probleme zu vertiefen oder gar in Kritik umzumünzen, finden sich dennoch leise entlarvende, unkommentierte Szenen, die in aller Stille nachwirken. Trotz des etwas zahmen Blickwinkels überzeugt die Studie über Einsamkeit und Coming of Age in der Fremde durch ihren einfühlsamen Blick auf die Protagonisten. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE MISSION
Produktionsland
Finnland/Deutschland
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Danish Bear Productions/Dirk Manthey Film
Regie
Tania Anderson
Buch
Tania Anderson
Kamera
Antti Savolainen
Musik
Mikko Joensuu
Schnitt
Suvi Solja
Länge
96 (TV 56) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Dokumentarfilm über junge Missionar:innen der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“, die in Finnland ihren Galuben verkündigen wollen, was sich als psychische tour de force erweist.

Diskussion

Immer wieder heftet sich die Kamera an die Fersen der jungen Gläubigen, folgt ihren Pfaden, während sich Sonne und Wind in den hellen Haaren verfangen. Mal wird scheinbar unbeirrt ein Hügel oder Aussichtsfelsen erklommen, mal geht es durch die quadratisch angelegten Straßen dieser ländlichen Städtchen, die sich in den USA alle zu gleichen scheinen. Nur dass über den konformistischen Einfamilienhäusern diesmal eine mächtige Kirche thront.

Für ihren Debütfilm „The Mission“ durfte die in Helsinki beheimatete Regisseurin Tania Anderson einige junge US-Mitglieder der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ zwei Jahre lang begleiten. Im prägenden Lebensalter von circa 20 Jahren, also zwischen Schule und angestrebter Ehe, sollen sich die Angehörigen der als verschlossen geltenden Mormonen-Gemeinde auf eine eineinhalb Jahre dauernde Mission ins Ausland begeben, um die rund 17 Millionen Gläubige zählende Gemeinschaft zu vergrößern – ein steiler, steiniger Weg, geprägt von Licht, dann von zunehmendem Schatten.

Von Utah nach Finnland

Dabei trifft die finnische Regisseurin zu Beginn noch auf lebenslustige junge Menschen, die zu HipHop-Musik im Auto durch die Stadt cruisen, die Basketball spielen, Pizza mit ihren säkularen Freunden essen oder mit ihren Familien Schießübungen absolvieren, als wäre das kein Konflikt zur Botschaft der Gewaltlosigkeit, die Jesus predigte und lebte. Neun Wochen werden Sister Bills, Sister Field, Elder Pauole und Elder Davis im MTC (Missionary Training Center) in Utah verbringen, um sich, wie jährlich 60.000 ihrer Altersgenossen, auf ihre Mission vorzubereiten.

Für die vier Porträtierten geht es nach Finnland, wo nicht nur die Winter unwirtlich sind und die Seen-Landschaft weitläufig ist. Auch den Menschen wird nachgesagt, dass sie auf der Welt in Sachen Säkularismus und Selbstisolation unübertroffen seien. „Tapaan sinut“ bedeutet „Ich treffe mich mit dir.“ „Tapan sinut“ bedeutet „Ich werde dich töten.“ – das sei ein kleiner, aber wichtiger Unterschied, scherzt die Sprachlehrerin im Finnisch-Unterricht, der die meisten Schüler verständnislos zurücklässt. Das Problem der Missionare wird, im urbanen wie im ländlichen Raum, auch weniger das Missverständnis sein als vielmehr der Misserfolg. Der sorgsam antrainierten, freundlichen Ansprache folgen Antworten der Einheimischen, die sich den jungen US-Amerikanern völlig verschließen. Vielleicht ist es auch besser so, sieht man sich das Desinteresse an, auf das sie in der Fremde stoßen. Schweigendes Weitergehen oder ein bestimmtes „Nein, Danke!“ gehört zu den Reaktionen, die sie dauerlächelnd von den Passanten kassieren. Und dabei ist dieses wohlhabende europäische Land mit den höflichen, äußerlich im Grunde sehr ähnlichen Menschen noch nicht einmal ein sonderlich riskantes Schlachtfeld für die jungen Missionar:innen.

Traurigkeit und Frustration beginnen sich in den Gesichtern abzuzeichnen

Ab und an verfängt ein Gespräch. Noch seltener kommt es tatsächlich zur Taufe von Menschen, die selbst in ihrer Einsamkeit oder in ihrer Suchterkrankung nach Anschluss und Orientierung zu suchen scheinen. Diese menschlichen Grundbedürfnisse kommen unterdessen auch den Missionaren allmählich abhanden. Die Vorgaben „von oben“ verstärken dabei das Gefühl der Einsamkeit: Das Nennen der Vornamen ist nicht erlaubt, ebenso wie Internet, Nachrichten oder weltliche Musik. Kontakt nach Hause darf nur einmal die Woche aufgenommen werden, zum anderen Geschlecht bitte gar nicht. Dazu wechseln alle zwei Monate die Missions-Gefährten – auch als Vorbereitung auf die Ehe, so die euphemistische Auslegung dieser nahtlosen Zwangsvergesellschaftung.

Tania Andersons Dokumentation bringt dabei nichts Unerwartetes zutage. Eher bebildert sie die Gefühlsachterbahn von Menschen, die auch hierzulande im Namen verschiedener Glaubensgemeinschaften an verschlossenen Türen klingeln oder in zugigen Einkaufspassagen stehen, um ihre Mitmenschen zu bekehren. Die konstante Verletzung durch das Schweigen, das auf jedes freundliche „Guten Tag“ folgt, die Traurigkeit und Frustration beginnen sich allmählich auch in die Gesichter der so hoffnungsfroh aufgebrochenen Missionare zu graben.

Ab und an gelingen Anderson dabei entlarvende, unkommentiert bleibende Momente: So wie die Szene mit der finnischen Familie, die sich selbst mehrmals als „so nett“ bezeichnet und die Missionare offenkundig nur auf ihrem Sofa sitzen lässt, um sie nach geduldigem Zuhören mit großherziger Überlegenheit zu widerlegen und letztlich zu übertrumpfen. Anderson hält sich dabei angenehm zurück, und lässt die Porträtierten lieber ihre eigene Gefühlswelt reflektieren, als die Reaktionen ihrer Mitmenschen zu kommentieren. Es geht um Einsamkeit und Coming of Age in der Fremde, weniger um die Strukturen der Mormonismus und ihrer weltweiten Mission.

Für Kritik bleibt kaum Raum

Für Kritik sind diese jungen Menschen auch viel zu freundlich, vielleicht aber auch zu furchtsam, könnten sie doch ein schlechtes Licht auf ihre Gemeinschaft werfen. Somit hat der Dokumentarfilm „von Mormonen Gnaden“ ein inhärentes Problem: Zwar gelingt Anderson mit „The Mission“ ein seltenes Dokument. Aus der Exklusivität wird gerade für die Debütfilmerin aber auch ein starkes Verantwortungsgefühl erwachsen sein – eventuell stand am Ende der Dreharbeiten auch eine Abnahme durch die Gemeinde selbst an. Dank ihrem respektvollen Umgang mit dem Glauben und den Gefühlen der Protagonisten gewann Anderson das Vertrauen der Porträtierten und ihrer Gemeinschaft. Für Kritik an den Strukturen und Regeln der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bleibt aber kaum noch Raum.

Durchscheinen tut sie trotzdem, wenn man dem älteren Koordinator zuhört, der dem vormals so kecken Elder Davis, dessen Depression inklusive sozialen Phobien und Panikattacken sich in Finnland verstärkt, entgegnet, dass er sich bei seiner Rückkehr als Versager fühlen könnte, das aber nicht solle, da auch sein Scheitern der Wille Gottes sei.

 

Zweifel am Sinn der Mission, die den jungen Menschen selbst kommen, werden kurz ausgesprochen, aber nicht vertieft oder kontextualisiert. Mit all seinen Entbehrungen wird das ernüchternde Missionarsleben letztlich als Weg zu sich selbst und zu einem gefestigten Glauben gezeichnet. „Ob sie sich nicht in ihrem Leben als Teenager eingeschränkt fühlen?“ Das fragt eine finnische Schülerin an einer Stelle des Films, als die Missionare in ihrer Schule das Evangelium verkünden wollen. Die Antwort spart der Film aus – ebenso wie er sich selbst um eine aussagekräftigere Botschaft herumwindet.

 

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