Bottoms
Coming-of-Age-Film | USA 2023 | 91 Minuten
Regie: Emma Seligman
Filmdaten
- Originaltitel
- BOTTOMS
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2023
- Produktionsfirma
- Brownstone Prod./MGM/Orion Pic.
- Regie
- Emma Seligman
- Buch
- Emma Seligman · Rachel Sennott
- Kamera
- Maria Rusche
- Musik
- Leo Birenberg · Charli XCX
- Schnitt
- Hanna Park
- Darsteller
- Rachel Sennott (PJ) · Ayo Edebiri (Josie) · Ruby Cruz (Hazel Callahan) · Havana Rose Liu (Isabel) · Kaia Gerber (Brittany)
- Länge
- 91 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Coming-of-Age-Film | Komödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Zwei lesbische High-School-Außenseiterinnen verfallen auf die Idee, einen „Fight Club“ für Mädchen zu gründen, um mit den Schulschönheiten auf Tuchfühlung zu kommen: Eine herrlich respektlose Teen-Komödie.
Brad Pitt eröffnete 1999 in David Finchers Kultfilm seine Kampfrunden mit „Gentlemen, welcome to Fight Club.“ Schauspielerin Rachel Sennott, die eine der Heldinnen von Emma Seligmans „Bottoms“ spielt, hält es 2023 etwas anders: „Listen up, you cunt-sucking pieces of shit!“ Wem hierbei bereits die Schamesröte ins Gesicht steigt, dem wird spätestens zum Filmende der Kopf explodieren. „Bottoms“ versprüht eine hemmungslose Freude an Tabubrüchen: Angefangen bei den unzähligen Kraftausdrücken über die exzessiven Gewaltdarstellungen bis hin zum rabenschwarzen Humor ist hier nichts heilig. In einer ruhigen Minute teilen die Mädchen im Club intime Momente, in denen sie sich über sexuelle Übergriffe austauschen, doch es dauert nicht lange, bis die herrlich schamlose Attitüde der Teilnehmerinnen das sensible Thema frivol in die Luft sprengt. „Bottoms“ ist nicht für jeden – und darauf ist der Film merklich stolz.
Feminism goes Fincher
Die Prämisse ist so simpel wie unterhaltsam: Zwei High-School-Außenseiterinnen gründen einen „Fight Club“ für Mädchen, um in engsten Körperkontakt mit ihren unerreichbaren Schwärmen zu kommen. Die großmäulige PJ und die zurückhaltende Josie verkaufen das Ganze als Selbstverteidigungs-Club, um den feministischen Zusammenhalt an der Schule zu fördern, und scharen damit ein buntes Grüppchen an Sonderlingen um sich. Zum Beispiel die manische Sylvie, die hauptsächlich im Club ist, weil sie David-Fincher-Filme mag und Mordfantasien hat, oder die liebenswert naive Hazel, die sich die Mühe macht, nach jeder Sitzung eine Rundmail mit Notizen zu verfassen und die zufällig auch weiß, wie man Bomben baut. Auch die Schulschönheiten, für die der Fight Club als Lockmittel ursprünglich gedacht war, lassen nicht lange auf sich warten, und schon bald finden alle enormen Spaß daran, sich gegenseitig auf den Boden zu werfen und die Nasen zu brechen.
Seine Wurzeln, die klar auf hormongeladene High-School-Komödien der 1980er-Jahre zurückgehen, will der Film dabei nicht verbergen. Das Plakat ist eine Mischung aus dem perversen Nonsense „Die Rache der Eierköpfe“ und dem Kultklassiker „Breakfast Club“. Stimmungsmäßig schwankt er genau zwischen diesen beiden Vorbildern: Einerseits die kleinen Charaktermomente, die an „Breakfast Club“ erinnern, andererseits eine völlig überdrehte, hormongesteuerte „Rache der Eierköpfe“-Welt. Nur wird hier eben das Geschlechtsmuster der Vorbilder auf den Kopf gestellt. Statt notgeiler Nerds sind es hier die horny Queergirls, die Unheil anrichten. Dabei ist die Story so feministisch, dass Männer als überzeichnete Karikaturen für die dümmsten Witze herhalten müssen, und gleichzeitig so selbstreflektiert, dass der augenzwinkernde Humor auch die Doppelmoral der zwei jungen Frauen bloßstellt, die Empowerment als Vorwand benutzen, um Sex zu haben.
Frauenfreundschaft auf Steroiden
Wenn „Bottoms“ in Fahrt kommt, ist er kaum noch aufzuhalten. Nicht jeder Witz landet, doch der ungleichen Girlgang beim Scheitern zuzuschauen, macht dank der pointierten Dialoge und der Energie der Darstellerinnen großen Spaß. Rachel Sennott war bereits in Emma Seligmans vorigem Film „Shiva Baby“ der Breakout-Star, ist bei „Bottoms“ nun zur Co-Autorin geworden und lebt auf der Leinwand ihren eigenen Humor genüsslich aus. Ayo Edebiri ist als Spielpartnerin eine perfekte Wahl und in den humorvollen wie in den dramatischen Szenen gleich stark. Die anderen Darstellerinnen bringen genug Charme mit, um sie in den richtigen Momenten abzufeiern oder zu bemitleiden, und insbesondere Hazel (gespielt von Ruby Cruz) bekommt von Seligman eine bitterböse Kampfszene spendiert, die sich wie ein unvermittelter Schlag in die Magengrube anfühlt.
Die Dynamik des Ensembles reißt den Film jedoch immer wieder weg von solchen dramatischen Momenten, und frei nach dem Motto „Why’d you have to go and make things so complicated?“ mutiert „Bottoms“ kurz vor dem großen Showdown vollends zum Camp-Film. Für einen gewissen Teil des Publikums, der seine Wünsche nach Logik und Realismus schon zu Filmbeginn ad acta gelegt hat, ist die letzte Szene vielleicht sogar der ideale K.O.-Schlag eines rebellischen Films – ein anderer Teil schaltet spätestens hier aus.
Massig gute Treffer ins Zwerchfell
„Bottoms“ ist, wie seine Hauptfigur PJ, lautstark, respektlos, und pubertär. Und durch diese Attitüde trifft der Film – ebenfalls wie PJ – nicht immer gute Entscheidungen. Manche One-Liner sind eher zum Stöhnen als zum Schmunzeln, für jeden cleveren Witz gibt es zwei flache, manche Figuren sind nerviger, als sie lustig sind („Oh, Jeff!“) und der Weg zum Finale ist mehr als absurd. Doch trotz dieser Fehlschläge werden massig gute Treffer ins Zwerchfell gelandet. Darauf kommt es Seligman offensichtlich an, denn obwohl „Bottoms“ schockieren möchte, bleibt er seiner leichten Gewichtsklasse treu und schert sich in erster Linie um Humor und erst danach um alles andere. Als modernisierte Hommage an anzügliche High-School-Komödien liefert der Film ordentlich ab, mit allen Stärken und Schwächen, die zum Genre gehören. Wenn der Abspann läuft, fühlt man sich ein wenig wie die Mädchen nach einer Sitzung des Fight Clubs: Der Kopf funktioniert nicht mehr ganz, wir wussten von Anfang an, dass es eine dumme Idee war, aber das Adrenalin pumpt durch die Adern, und ein Lächeln bleibt auf dem Gesicht.