Die Klimakatastrophe, die sich heute bereits durch Hitzewellen, schmelzende Polkappen und steigende Meeresspiegel ankündigt, ist in dieser Dystopie des estnischen Regisseurs Tanel Toom Wirklichkeit geworden. Wir schreiben das Jahr 2063. Die Erde ist, ähnlich wie in Kevin Costners „Waterworld“ (1995), fast vollständig vom Wasser bedeckt. Nur zwei Kontinente existieren noch. Doch anstatt gemeinsam die Erde zu retten, stehen sie sich unversöhnlich in einem Krieg gegenüber. Vor diesem Hintergrund erzählt Toom die Geschichte von drei Männern und einer Frau, die als Angehörige des Militärs auf einer rostigen Plattform, einem Ölturm gleich, Dienst tun. Es ist ein militärischer Außenposten, mitten im Ozean gelegen, 3000 Kilometer vom Festland entfernt.
Weder Ablösung noch sichtbare Feinde
Wasser also, wohin das Auge schaut – ein beklemmendes Bild, das für Einsamkeit und Unwirtlichkeit steht. Zwei Jahre müssen Sergeant Hendrichs (Thomas Kretschmann), Corporal Cassidy (Kate Bosworth), Sullivan (Lucien Laviscount) und Baines (Martin McCann) hier ausharren. Doch die Ablösung lässt seit drei Monaten auf sich warten. „We are fucked“, sagt einmal jemand, und das beschreibt die aussichtslose Situation der vier Figuren ebenso lakonisch wie präzise. Seit vierzig Jahren wurde kein Feind mehr gesichtet, „Keine Vorkommnisse“ trägt der diensthabende Wachsoldat Tag für Tag ins Logbuch ein. Herrscht überhaupt noch Krieg? Niemand weiß es. Bis plötzlich ein Geisterschiff in Sichtweite der Plattform auftaucht. Vielleicht die Möglichkeit, endlich nach Hause zurückzukehren.
Tanel Toom, bekannt geworden durch sein Epos „Wahrheit und Gerechtigkeit“ (2019), verlässt sich in seinem ersten englischsprachigen Film „Last Contact“ ganz auf die dramaturgischen und visuellen Einschränkungen, die er sich selbst auferlegt hat. Fast der gesamte Film spielt auf der rostigen Plattform, die schon bessere Zeiten gesehen hat. Nur selten wechselt der Schauplatz, etwa wenn Sullivan mit einem Boot zum Geisterschiff fährt und es inspiziert. Das Innere der Plattform ist düster und beengt, fast schon klaustrophobisch. Nur Baines verleiht seinem Arbeits- und Wohnbereich mit farbenfroher Unordnung ein persönliches Flair. Mit dem leuchtenden Schriftzug „Don’t touch my shit“ verteidigt er seine Privatsphäre.
Die Figuren verfolgen ihre eigene Agenda
Auch wenn „Last Contact“ in der Zukunft spielt – visuell lässt er sich nur schwer dem Genre der Science-Fiction zuordnen. Dafür ist das Set-Design zu alltäglich, zu unmodern, zu schmutzig, zu analog. Toom geht es vor allem um die Beziehung der vier Menschen an Bord der Plattform, ihre Charaktere, ihre Motive. Dabei im Mittelpunkt: Thomas Kretschmann als prinzipientreuer Soldat, der nur den Vorschriften folgt und damit seine Untergebenen gegen sich aufbringt. Doch auch die anderen Figuren verfolgen ihre eigene Agenda, die sich erst im Laufe des Films enthüllt. Präzise fächert der Regisseur die Konfrontationen und Konflikte seiner Protagonisten auf. Das Warten ist hier, ähnlich wie in Samuel Becketts „Warten auf Godot“, die Aussicht auf die Erfüllung eines Versprechens. Wo es keinen Feind mehr gibt, herrscht kein Krieg mehr, wo kein Krieg mehr herrscht, muss man nicht mehr Wache stehen. (Im Original heißt der Film „The Last Sentinel“, zu Deutsch: „Der letzte Wachposten“.) Aber: Sicher sein kann man sich nicht.
Jede der vier Figuren geht mit dieser Sinnkrise anders um. Toom verweigert sich dabei konventionellen Thriller-Elementen. Mehrmals löst er Spannungsmomente mit einer Antiklimax auf, die Action beschränkt sich auf wenige Szenen, ihre Auswirkungen sind oft nur aus der Ferne zu beobachten. Das macht aus „The Last Contact“ ein Kammerspiel, das die Erwartungen des Zuschauers an einen Science-Fiction-Film geschickt unterläuft.