Thomas Schütte - Ich bin nicht allein

Dokumentarfilm | Deutschland 2023 | 94 (TV 53) Minuten

Regie: Corinna Belz

Über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren begleitet der Dokumentarfilm den Künstler Thomas Schütte, der als Maler, aber mehr noch als Bildhauer bekannt ist. Der Film betont die Bedeutung der Handwerker und Spezialistinnen, die Schüttes bildhauerische Projekte realisieren helfen. Als roter Faden dient die Skulptur einer Meerjungfrau, deren Entstehung von einem halbvergessenen Probeguss bis zur Fertigung in einer Bronzegießerei erlebbar wird. Die kurzweilige Annäherung an Schütte lebt nicht zuletzt von dessen Witz und der offenen Art des Künstlers. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Corinna Belz Filmprod./ZDF/arte
Regie
Corinna Belz
Buch
Corinna Belz
Kamera
David Wesemann · Jule Katinka von Cramer
Musik
Julian Maas · Christoph Kaiser
Schnitt
Rudi Heinen
Länge
94 (TV 53) Minuten
Kinostart
29.06.2023
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Real Fiction (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Eine dokumentarische Annäherung an den Maler und Bildhauer Thomas Schütte, die neben seiner Kunst auch die daran mitbeteiligten Handwerker und Spezialistinnen würdigt.

Diskussion

Das Wissen um die eigene Endlichkeit ist ein zentraler Motor für die Kultur. So spricht aus der altägyptischen Kunst überall die Sorge um die Fortexistenz in einer anderen Daseinsform. Angst, zumindest aber Respekt vor dem Tod treibt auch heutige Kulturschaffende um, wie das Beispiel Thomas Schütte zeigt.

Der Dokumentarfilm über den 1954 in Oldenburg geborenen Künstler wird vom Umgang des Künstlers mit dem Tod gerahmt. „Thomas Schütte – Ich bin nicht allein“ beginnt mit dem Rekurs auf ein Mausoleum in Form eines im Maßstab 1:20 verkleinerten Einfamilienhauses, das der 27-jährige Schütte Anfang der 1980er-Jahre für sich selbst schuf. Sogar sein Sterbedatum schrieb er kühn auf den Grabstein: 25.3.1996. Am Ende des Films sieht man, wie eine von Schütte für einen Kunstsammler gestaltete Urne in einer venezianischen Glashütte gefertigt wird.

Auf Spezialisten angewiesen

Das Thema Tod und das im Film zentrale Motiv der Werkstätten und Kollaborationen werden hier noch einmal zusammengeführt. Der Filmtitel „Ich bin nicht allein“ besagt zunächst, dass sich der heute 69-jährige Bildhauer für seine Projekte immer wieder auf Spezialisten verlassen muss. Auf einer tieferen Ebene spricht aus dem Satz, der sich durchaus als tröstendes Mantra eignet, aber auch ein existenzielles Gefühl von Einsamkeit.

Der Spruch trägt aber auch sein Gegenteil in sich: „Ich bin allein“. Ist es nicht gerade bei Kunstschaffenden so, dass sie im Atelier oft ganz auf sich gestellt und damit allein sind? Wie also kann ein schwierig zu realisierendes und zugleich immer wieder überraschendes Gesamtwerk überhaupt glücken?

Ein vielfältiges und doch kohärentes Schaffen – Schütte blickt auf über vier Schaffensjahrzehnte zurück – kann in der Rückschau mitunter wie ein Mirakel erscheinen. „Dass ich das überlebt habe“, wundert sich der Künstler, während er ältere Arbeiten in einer Retrospektive abschreitet.

Ein Zeichner & bildender Künstler

2011 hat die Filmemacherin Corinna Belz den Dokumentarfilm „Gerhard Richter Painting“ veröffentlicht. Zwölf Jahre später widmet sie sich einem von Richters Meisterschülern. Auch Schütte ist ein begnadeter Zeichner und Aquarellist, doch im Zentrum seiner Praxis steht die Skulptur, was Einblicke in die spezialisierten Werkstätten unabdinglich macht. Neben der venezianischen Glaswerkstatt schaut Belz auch Bronzegießern bei der Arbeit zu, die hochspannende Einblicke in diesen Arbeitsprozess gewähren.

Zweieinhalb Jahre folgte die Regisseurin dem Künstler mit einem kleinen Team auf Schritt und Tritt. Während manche Kunstschaffende lieber ein großes Geheimnis um ihre Arbeit machen oder schlicht kamerascheu sind, wirkt Schütte locker und unkompliziert. Seine humorvolle Art, aber auch seine schnelle Arbeitsweise kommt der Filmemacherin sehr entgegen. Einmal formt der Bildhauer einen kleinen Kahlkopf aus Ton; mit geschickten Handbewegungen und ohne große Korrekturen arbeitet er die Physiognomie heraus. Das Maximum sei eine halbe Stunde, sagt Schütte, dann sei seine „Geduld am Ende“.

Und wie ist es mit dem Geduldsfaden des Publikums bestellt? Dokumentarfilme aus dem Kunstbereich können zäh und langweilig sein. Diese Gefahr umgeht Belz mit lebendigem Rhythmus und erzählerischem Gespür. Als roter Faden fungiert die „Nixe“, die Skulptur einer Meerjungfrau, deren Entstehen über den Film hinweg erlebbar gemacht wird. Es fängt damit an, dass der Leiter der Düsseldorfer Gießerei Kayser dem Künstler eine Miniatur-Nixe zeigt, die Schütte vor vielen Jahren einmal probeweise hat gießen lassen. Die wiedergefundene Form mit den Gusskanälen sieht wie eine Alraunenwurzel aus. Aus dem Fund wird im Verlauf eines monatelangen Verwandlungsprozesses eine überlebensgroße Meerjungfrau.

Raum für Zufälliges

Bei aller Routine, die Schütte und seine Helfer an den Tag legen, lässt der Bildhauer immer wieder Raum für Zufälliges. So fräst eine nicht perfekt funktionierende Maschine ein sprödes Muster in den Nixenkörper, dessen „Schuppigkeit“ dem Künstler so gut gefällt, dass er die Oberflächenstruktur ins Konzept einbindet. In einer anderen Werkstatt erfährt man, warum Wachs ein schwieriges Material ist. Ein andermal beweist Schütte, dass seine Neugier – bei allem Faible für das „analoge“ Handwerk – auch vor den Möglichkeiten neuer Medien (Stichwort: Computersimulation) nicht Halt macht. Vor allem aber diskutiert er immer wieder mit den Spezialistinnen und Handwerkern über Möglichkeiten und Grenzen der Gestaltung.

Neben den Technikern kommen aber auch Kuratorinnen und Kuratoren zu Wort, darunter der frühere Direktor des Kunstmuseums Winterthur, Dieter Schwarz, und die Kuratorin Paulina Pobocha vom New Yorker Museum of Modern Art. Was den Kunstbetrieb und seine Akteure angeht, steht Thomas Schütte ebenfalls nicht allein da.

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