Drama | China 2023 | 100 Minuten

Regie: Wu Lang

Nach zehn Jahren kehrt ein Ex-Häftling auf die chinesische Insel Hainan zurück. Der Fortschritt hat seine Heimat verändert und scheint ihm jede Möglichkeit zu verwehren, an sein altes Leben anzuknüpfen. Gemeinsam mit einer früheren Geliebten und deren Tochter richtet er sich an den Rändern des chinesischen Fortschritts ein. Ein stiller, in meditativen Einstellungen gefilmter Liebesfilm, der eine hoffnungsvolle, mitunter aber auch schwer zugängliche Geschichte inmitten der symbolträchtigen Peripherie des modernen Chinas entfaltet. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
XUE YUN
Produktionsland
China
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Shanghai Turan Movie/Haikou Qinglan Visual Art Development
Regie
Wu Lang
Buch
Wu Lang
Kamera
Deng Xu
Musik
Ding Ke
Schnitt
Qin Yanan
Darsteller
Lee Kang-sheng (Han Jiangyu) · Li Meng (Su Hong) · Ren Ke (Chen Kai) · Liang Wanling (Yao Yao)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Bildmächtig-meditativer Liebesfilm um einen Ex-Häftling, der nach zehn Jahren auf die südlichste chinesische Insel nach Hainan zurückkehrt.

Diskussion

Zehn Jahre stand die Zeit still für Han Jiangyu (Lee Kang-Sheng). Eine Dekade verbrachte er im Gefängnis, während der Fortschritt seine Heimat überrollte. Als er zurückkehrt, haben sich Großbauprojekte ins Herz Hainans gepflanzt. Chinas südlichste Insel, das Hawaii der Volksrepublik, hat ihn abgehängt. Hilflos geistert er durch eine Heimat, die ihn ebenso wenig wiedererkennt, wie er sie. Ein Schulfreund ist in dieser Welt reich geworden. Er leistet sich Partys, Prostituierte und frisch am Tisch gekochte Hummer.

Han Jiangyu folgt ihm durch den ihm fremden Luxus, interessiert sich aber mehr für das Seelenleben der Krustentiere. Sein Freund erklärt, dass die Seele der Hummer wie die der Menschen biologisch unsterblich sei – bis er gegessen wird. Das Vorspiel dazu zeigen die Einstellungen, die den Trip ins Restaurant umgeben. Ein Hummer kocht auf der Platte, wird mit heißem Wasser übergossen, bis die Färbung seines kochenden Panzers ihn als Nahrung markiert. Nahrung für den gewaltigen Schlund des Fortschritts.

Im Schatten des Fortschritts

„Absence“ richtet sich im Schatten dieses Fortschritts ein, nimmt das Leben in den Blick, das seinen Platz an den Rändern des chinesischen Staatskapitalismus sucht. Es ist ein Blick, die sich nie Richtung Zentrum ausrichtet, nichts direkt anzusprechen oder aufzuzeigen vermag, aber lange und ausführlich durch die mit Symbolen gepflasterte Peripherie mäandert.

Der von den Ballungsräumen zurückgedrängte Dschungel kriecht zurück ins Bild. Auf dem Skelett eines Fundaments sammelt sich Wasser zu Dutzenden kleinen Teichen. Kaulquappen siedeln sich in diesen Tümpeln als Vorboten eines temporären Ökosystems, das das Rudiment des verwaisten Neubauprojekts zweckentfremdet. Es ist ein Spiegel für den Weg, den Han Jiangyu und seine alte und neue Liebe Kei (Li Meng) durch Hainan gehen. Die neue Wohnung bleibt ein Rohbau, das Großbauprojekt steht still, die Unternehmer verschwindet mit dem Geld der Käufer. Der Immobilienbetrug kostet Kei all ihr Erspartes; er drängt sie und ihre Tochter aus der Wohnung, an den Rand der Gesellschaft.

Es fällt schwer, in dieser Welt anzukommen, die für Nachzügler und Heimatlose zu schnell und zu zynisch geworden ist. Als Han Jiangyu einmal auf seinem Boot einschläft, treibt er nicht davon, sondern findet sich beim Aufwachen am menschenleeren Strand wieder. Später führt er Kei in einer langen Sequenz aus dem Stadtzentrum hierhin, berührt sie ein erstes Mal seit langer Zeit, hat in einem verwaisten Holzverschlag Sex mit ihr, als müsse die Leidenschaft die Mitte der Gesellschaft verlassen, um kurz aufblühen zu können. Der Heiratsantrag, der schließlich folgt, kommt mit einem Achselzucken am Spülbecken.

Eine temporäre Nische

Der Versuch, eine Lebensgemeinschaft zu beginnen, muss als Fantasie beginnen, der man nicht allzu sehr vertrauen sollte. Dennoch fühlt sich der Film von Wu Lang nie nihilistisch oder hoffnungslos an. So wie die Natur immer wieder in die Betonwüsten zurückzuwuchern scheint, finden auch Han Jiangyu und Kei und ihre Tochter stets einen Platz, wo eigentlich keiner sein dürfte. In den Überresten, die ihnen der große Aufbruch in den Wohlstand unfreiwillig überlässt, nisten sie sich ein. Zwischen den kleinen Ökosystemen des Regenwassers balancierend, schleppt die kleine Familie ihre Möbel in den verwaisten Rohbau des aufgegebenen Großprojekts. Die Fensterlücken werden vernagelt, ein Bett aufgestellt, ein Leben eingerichtet und mit ihm die Hoffnung, auf eine zumindest temporäre Nische in einem System, das kein Innehalten kennt.

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