Loriots große Trickfilmrevue

Animation | Deutschland 2023 | 85 Minuten

Regie: Peter Geyer

Zum 100. Geburtstag des deutschen Humoristen Vicco von Bülow alias Loriot (1923-2011) versammelt ein Kompilationsfilm 31 seiner gezeichneten Sketche, die überwiegend in den 1970er-Jahren für das Fernsehen entstanden. Die restaurierte und farbkorrigierte Zusammenstellung erlaubt Wieder- wie Neubegegnungen mit Loriots einzigartigem Humor, der durch sein exaktes Timing und seine künstlerische Vielseitigkeit auch aus dem zeitlichen Abstand heraus noch begeistert. Die Eigenwilligkeit seiner Zeichnungen und die originellen, hintersinnigen, teils auch bissigen Inhalte beweisen zudem einen erstaunlich zeitlosen politischen Reiz. - Ab 12.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Studio Loriot
Regie
Peter Geyer · Loriot
Buch
Loriot
Schnitt
Peter Geyer
Länge
85 Minuten
Kinostart
20.04.2023
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Animation | Episodenfilm
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Heimkino

BD und DVD enthalten eine Audiodeskription für Sehbehinderte.

Verleih DVD
Salzgeber (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
Verleih Blu-ray
Salzgeber (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Eine Zusammenstellung von 31 Zeichentrickfilmen des deutschen Humoristen Loriot (1923-2011), restauriert aus Anlass seines 100. Geburtstags.

Diskussion

„Ich bringe sie um …, morgen bringe ich sie um!“ Man sollte nicht dem Irrglauben verfallen, bei den stets amüsanten Kurztrickfilmen von Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow alias Loriot handele es sich um leichte Kost. Auch wenn (oder gerade weil) das obige Zitat die Konklusion eines Gespräches ist, das ein gutbürgerlicher Ehemann mittleren Alters mit seiner Frau über das allmorgendliche Viereinhalbminuten-Ei führt, erkennt man, dass harmonisch scheinende Alltagsgeschichten bei Loriot oft unerwartete Wendungen nehmen. Genau dies zu bebildern und mithin zu kommentieren, ist das Steckenpferd des verstorbenen Karikaturisten, Schauspielers und Satirikers (1923-2011) gewesen, dessen Leidenschaft, neben dem Verfassen pointierter Dialoge, auch das Zeichnen seiner berühmten Knollennasenmenschen war, denen er besagte Dialoge zu sprechen gab.

Diese Arbeit hatte unter anderem zufolge, dass seit 1967 in regelmäßigen Abständen von ihm geschriebene und gezeichnete Kurztrickfilme in dem vom Süddeutschen Rundfunk kreierten Format „Cartoon“ erschienen, in dem Loriot zudem als Moderator auf dem inzwischen ikonenhaften roten Plüschsofa auch Sketche anderer Provenienz kommentierte. Nach einer mehrere Jahre dauernden kreativen Schaffenspause kam der Multimediakünstler von 1976 bis 1978 mit insgesamt sechs Comedy-Formaten zurück auf die Mattscheibe, um zusammen mit Radio Bremen eine Sendung zu präsentieren, die nicht nur seinen Namen trug, sondern gänzlich von seinen Sketchen und Trickfilmen dominiert wurde, die er zusammen mit einem von Evelyn Hamann angeführten Stamm-Ensemble einspielte und moderierte.

31 Trickfilmklassiker zum 100. Geburtstag

Aus diesen „Cartoon“- und „Loriot“-Sendungen stammt nun die anlässlich seines 100. Geburtstags kompilierte, aus 31 Trickfilmklassikern bestehende „Revue“, die diese inzwischen allesamt zu Evergreens des Unterhaltungsfernsehens avancierten Kleinode erstmals auf großer Kinoleinwand zugänglich macht. Auch wenn sie bereits mindestens 45 Jahre alt sind, bestechen sie durch ihre Schlichtheit in der Grafik, ihr exaktes Timing und den erstaunlich zeitlosen politischen Reiz.

Es geht um Geschlechterkampf im Wohnzimmer und am Frühstückstisch, genauso wie um Politiker, Wirtschafts- und Wissenschaftsgrößen und sprechende Hunde. Seinerzeit brennende Themen wie die fünfstellige Postleitzahl oder die politische Sprengkraft von Atomstrom (zumindest, wenn sie von sprechenden Hunden kommentiert wird). Und immer wieder geht es um die Unbilden der öffentlich-rechtlichen Streitkultur zumeist unter Fachleuten in Diskussionsrunden.

„Die Frau als solche muss in ihrer derzeitigen Form seit langem als überholt betrachtet werden.“ Zumindest wenn es nach Nobelpreisträger Mutzenberger geht, dem seine Ehrung für die gelungene Umwandlung einer Frau in ein Kaninchen zuteilwurde, „was angesichts des bedrohlich anwachsenden Frauenüberschusses und des Mangels an wertigen Kaninchen“ grundsätzlich durchaus nottue, wie es in dem Sketch heißt. Ohnehin (so der Nobelpreisträger) würden 70 Prozent aller Männer ihre Zeit lieber mit einem Kaninchen verbringen. Harmlos war die Episode „Kaninchen“ auch schon zu ihrer Entstehungszeit nicht. Aber heute wie damals entwaffnend komisch, wenn sie von knollennasigen Einfallspinseln vorgetragen und von Loriot höchstselbst in unnachahmlich didaktischer Sprache synchronisiert ist.

Unsterbliche Dialoge

Nur selten bedient sich der Autor auditiven Fremdmaterials. Etwa, wenn er den Gesang der Comedian Harmonists bebildert oder Wilhelm Bendows legendären, vom Autor selbst und dem Schauspieler Franz-Otto Krüger 1946 eingesprochenen Sketch „Auf der Rennbahn“ animiert, aus dem Dialoge wie „Wo laufen sie denn?“ oder „Ach, ist der Rasen schön grün!“ dank Loriots Beitrag endgültig unsterblich geworden sind.

Zu sagen, welches denn nun sein bekanntester gezeichneter Streich ist oder welcher wichtige denn hier in der Revue eventuell fehlt, ist müßig. Alle sind großartig und alle fehlen! Diesbezüglich kann man nur auf eine sicherlich noch anstehende Aktualisierung der beiden 2007 und 2010 erschienenen DVD-Kompendien „Loriot – Die vollständige Fernseh-Edition“ und „Loriot und die Musik“ hoffen. Fürs Kino wurde die Anthologie in Form der „Trickfilm-Revue“ nun bereits restauriert, farbkorrigiert und auf 4k-Auflösung skaliert. Das ist wunderbar gelungen, wenn auch Aficionados sich zu Recht über das Aufblasen des 4:3-Formates auf 16:9 aufregen können. Es besteht aber die Hoffnung, dass besagte Gesamtausgaben in diesem Jahr auch noch formatwahrend jene Ur-Folgen zugänglich machen, in denen der Loriot aus Fleisch und Blut noch durch seine gezeichneten Werke geleitete. Im Kino gibt es zunächst ein „Best of“, das auch ohne den Meister im Bild sehr viel Spaß macht.

Entdeckungen auch für Loriot-Kenner

Sicher können hier auch Loriot-Kenner, neben dem allseits bekannten „Familienbenutzer“ noch die ein oder andere Entdeckung machen. Vielleicht die Brandrede einer in Deutschland bedrohten Minderheit, sprich des Vampirs, der angesichts politischer Ignoranz unter Depressionen leidet: „Was ist das für ein Staat, der im Jahr Milliarden für die Rüstung, aber keinen Tropfen Blut für die Vampire übrighat?“ Außerdem werden Loriot-Fans natürlich jubeln, wenn am Ende Herr Müller-Lüdenscheidt und Herr Doktor Klöbner zu ihrem Unmut gemeinsam in einer Wanne sitzen und um den Einlass von warmem Wasser und die Gummiente streiten. Für Loriot ist das aber eher ein harmloses Schmankerl, etwa im Vergleich zum „Advent“-Gedicht: „In geblauter Nacht, Die Sternlein blinken. / Schneeflöcklein leis’ herniedersinken … Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer / die Försterin im Herrenzimmer. / In dieser wunderschönen Nacht / hat sie den Förster umgebracht.“ Wie das Gedicht enden wird? Ins Kino gehen und staunen!

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