Star Trek: Strange New Worlds
Abenteuer | USA 2022 | 526 (10 Folgen) Staffel 1 Minuten
Regie: Chris Fisher
Filmdaten
- Originaltitel
- STAR TREK: STRANGE NEW WORLDS
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2022
- Produktionsfirma
- CBS Television Studios/Roddenberry Ent./Secret Hideout
- Regie
- Chris Fisher · Amanda Row · Andi Armaganian · Christopher J. Byrne · Sydney Freeland
- Buch
- Akiva Goldsman · Alex Kurtzman · Jenny Lumet · Henry Alonso Myers · Davy Perez
- Kamera
- Magdalena Górka · Glen Keenan · Benji Bakshi
- Musik
- Nami Melumad
- Schnitt
- Andrew Coutts · Dana Gasparine · John Wesley Whitton
- Darsteller
- Anson Mount (Captain Christopher Pike) · Melissa Navia (Erica Ortegas) · Ethan Peck (Spock) · Jess Bush (Schwester Christine Chapel) · Christina Chong (La'an Noonien-Singh)
- Länge
- 526 (10 Folgen) Staffel 1 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 12.
- Genre
- Abenteuer | Action | Science-Fiction | Serie
Heimkino
Eine gelungene Prequel-Serie, die die Vorgeschichte der originalen "Raumschiff Enterprise"-Serie aus den 1960er-Jahren beleuchtet und zu deren Charme zurückfindet.
Staffel 1
„Strange New Worlds“ lautet der Titel der neuen „Star Trek“-Serie – ein Rückgriff auf den Urtext der Serie schlechthin. Entnommen ist er dem Intro der legendären Originalserie, die im Jahr 1966 das Raumschiff Enterprise auf seine erste Mission entsandte. Der Vorspann beginnt berühmt-berüchtigt mit den Worten „Der Weltraum, unendliche Weiten …“ Seit den von William Shatner gesprochenen Worten sind Generationen von Zuschauer:innen mit der ein oder anderen Form der Serie groß geworden. Nun gibt es im Jahr 2022 einen neuen Commander auf der Brücke des Sternenflotten-Flaggschiffs: Captain Christopher Pike (Anson Mount).
Rückgriff auf eine „Star Trek“-Pilotfolge von 1965
Beim Namen Christopher Pike werden Kenner des „Star Trek“-Universums aufhorchen. Mit ihm wird eine alte Pilotfolge wiederbelebt, die im Jahr 1965 den Episodentitel „The Cage“ trug. Das Prinzip solcher Pilotfolgen ist im heutigen Streamingzeitalter so obsolet geworden, dass man es fast schon erklären muss. In grauen TV-Vorzeiten waren sie eine Art Testballon, mit denen die Beliebtheit eines anvisierten Serienprojekts getestet wurde. Kam eine Pilotfolge beim Publikum gut an, ging die Serie in Produktion; floppte sie, wurde das Projekt eingestellt. Meistens für immer.
Die erste „Star Trek“-Episode erwies sich 1965 als veritabler Flop. Der Schauspieler Jeffrey Hunter verkörperte damals Captain Pike, der einer Raumfahrer-Crew voranstand, die die Herzen der Zuschauer:innen nicht so recht erobern konnte. Dabei waren einige spätere Publikumslieblinge bereits mit dabei: der Vulkanier Mister Spock etwa, ikonisch-spitzohrig gespielt von Leonard Nimoy, und auch die smarte Kommunikationsoffizierin Lieutenant Uhura (Nichelle Nichols).
Eine entscheidende Zutat fehlte der Protoserie jedoch: Charisma. Dieses brachte 1966 der markante William Shatner mit, der fortan in seiner Rolle als Weltraum-Herzensbrecher und Macher vom Dienst das Kommando übernahm. An seiner Seite: Leonard Nimoy sowie der Schiffsarzt mit dem Spitznamen „Bones“ (dt. „Pille“), legendär missgelaunt gespielt von DeForest Kelley. Das Trio wurde zum Herzen und Motor der Serie. Auch heute noch ist es ein Genuss, den dreien dabei zuzusehen, wie sie sich komödiantische Bälle zuspielen.
Das 78-minütige Material der Pilotfolge wurde in einer späteren Episode („The Menagerie“) zweitverwertet. Hier hatte Jeffrey Hunter nochmals einen großen Auftritt als Captain Pike, schwer gezeichnet von den Folgen eines Unglücks, das jetzt auch für den neuen Pike-Darsteller Anson Mount eine entscheidende Rolle spielt.
Das Prinzip der Wahlverwandtschaften
In der Neuauflage und Anknüpfung an den gescheiterten Pilotfilm von damals erzählt „Strange New Worlds“ die Vorgeschichte der originalen „Star Trek“-Serie im 23. Jahrhundert. Der Rolle von Captain Pike fällt hierbei eine Schlüsselrolle zu. In Form einer Prophezeiung erfährt Pike von seinen düsteren Zukunftsaussichten. Der Kommandant hadert mit seinem Schicksal, ohne darüber zu verzagen. An der Seite von Captain Pike schlagen sich unter anderem Mister Spock (Ethan Peck), die Erste Offizierin des Schiffs, Una (Rebecca Romjin), Jess Bush als Krankenschwester Christine Chapel sowie Celia Rose Gooding als Nyota Uhura durch die ersten Folgen.
Die Besatzung in „Strange New Worlds“ verbindet dabei nicht nur, dass sie Crew-Angehörige eines Schiffes sind, sondern auch ein Freundschaftsband, was in guten Momenten des „Star Trek“-Universums stets zum Grundpfeiler des Storytellings gehörte. Anders als in der anderen großen Science-Fiction-Saga, dem Weltraum-Märchen „Star Wars“, das sich an den Themen Familienzugehörigkeit und Abstammung abarbeitet, herrschte im erwachsenen, Metaphysik-befreiten „Star Trek“-Kosmos immer schon ein Prinzip der Wahlverwandtschaften, das kunstvoll die widerspenstigsten Charaktere (und Spezies) zusammenbrachte. Und das unter zivilisatorisch günstigen Voraussetzungen, denn der „Star Trek“-Schöpfer Gene Roddenberry hatte stets eine betont zukunftsoptimistische Vision der Menschheit vor Augen.
Rückkehr zu humorvoller Leichtigkeit
„Star Trek“ stand in dieser Hinsicht immer auch für ein utopisches Potenzial. Die jüngsten Neuauflagen der Serie, „Star Trek: Discovery“ und „Star Trek: Picard“, haben sich von diesen Grundoptimismus allerdings teilweise verabschiedet. Ihre staffellangen Erzählungen handelten bleischwere Plots ab, die finster vom drohenden Untergang des Planeten oder gleich des ganzen Kosmos erzählten. Mit „Strange New Worlds“ kehrt „Star Trek“ jetzt wieder zu einem optimistischeren Weltbild und auch zu einer humorvolleren Leichtigkeit zurück. Entgegen dem Trend der vieler aktueller Fernsehserien, die auf horizontales Erzählen und einen Plot setzen, der sich über eine ganze Staffel hinzieht, baut „Strange New Worlds“ auf ein vermeintlich überkommenes Handlungsprinzip: Woche für Woche wird eine neue abgeschlossene Episode präsentiert. (Der deutsche Veröffentlichungsturnus bei Paramount Plus sieht jeweils eine Doppelfolge vor). Auch das ist eine Rückkehr zum „Star Trek“-Original.
Die Retrobewegung der neuen Serie zeigt sich vor allem auch in ästhetischer Hinsicht. „Strange New Worlds“ reproduziert den ikonischen Look der 1960er-Jahre auf fast schon unverschämte Weise, inklusive der einschlägigen Uniformen (Gelb, Rot, Blau), Gerätschaften (Phaser, Tricorder, Kommunikatoren) und Interieurs (Transporterraum, Maschinendeck, Brücke). Da hierbei aber auch für die notwendigen Updates gesorgt wurden, erstrahlt „Strange New Worlds“ in einem Glanz, den so noch keine „Star Trek“-Serie besaß. Die in jüngster Zeit immer beliebteren virtuellen Produktionssets verleihen dem Inneren der Enterprise eine beeindruckende Tiefe. Und auch der Gestaltung fremder Planeten sind heute weit weniger Grenzen gesetzt als in Zeiten von William Shatner und Leonard Nimoy, die sich bei ihren Außenmissionen häufig in den ausrangierten Kulissen zeitgleich produzierter Sandalenfilme bewegten.
Ein Mann führt und die Frauen geben den Ton an
Für Fans waren es oftmals gerade diese schrulligen Elemente, die den besonderen Reiz von „Star Trek“ ausmachten, sich nicht immer hundertprozentig ernst zu nehmen. Einen Wink in Richtung dieser Goofyness (für dieses schöne englische Wort gibt es kein wirkliches deutsches Pendant) hält auch die neue Serie in mancherlei Hinsicht parat. Gleich in der Auftaktfolge gilt es, die Erste Offizierin der Enterprise aus der Gefangenschaft auf einem fremden Planeten zu befreien. Die Crew lernt unter der Anleitung ihres Captains, dass man sich die vermeintlich starren Sternenflotten-Statuten bei Bedarf zurechtbiegen muss, um ans Ziel zu gelangen. Im überwiegend weiblichen Ensemble der neuen „Star Trek“-Serie ist Pike aber beileibe kein Hahn im Korb. Mit der großen Gelassenheit eines in sich ruhenden Mannes spielt Anson Mount gegen den aus der Zeit gefallene Machismo von William Shatners Captain Kirk an, der seinerzeit davon ausging, alle Frauen des Weltalls beglücken zu müssen.
Überhaupt geben die Frauen in „Strange New Worlds“ den Ton an. Eine spielt dabei alle anderen an die Wand. Jess Bushs als Krankenschwester Christine Chapel ist eine Liebeserklärung an ihre Vorgängerin aus der Originalserie, die von Roddenberrys Ehefrau Majel Barrett verkörpert wurde und in vielen Folgen der Serie und in zwei Kinofilmen zumeist nur als stiller Sidekick agierte. Die fabelhafte Jess Bush darf nun so viel mehr aus dieser Rolle machen. Wissenschaftlich ausgebufft, ist sie gemeinsam mit dem Schiffsarzt Joseph M’Benga (Babs Olusanmokun) für das gesundheitliche Wohl der Crew verantwortlich. Nebenher hat sie einen herrlich nerdigen Crush auf ein gänzlich unerreichbares Liebesobjekt: den grünblütigen Logik-Freak Spock, dem seine Vulkanier-Prinzipien über alles gehen. Für das kleine Wunder aber, das sich fortan zwischen den beiden Figuren abspielt, gibt es vielleicht erst im 23. Jahrhundert ein passendes Wort.
Chris Schinke
Staffel 2
Gesetze in allen Ehren, aber sie gehören immer wieder auf den Prüfstand. Das ist für „Star Trek“-Fans nichts Neues. Die Crews, um die das Franchise kreist, fühlen sich zwar grundsätzlich dem Kodex der Sternenflotte verpflichtet, gleichen diesen im Zweifel aber mit dem eigenen Gewissen ab. Etwa wenn es um die Einhaltung der „ersten Direktive“ der Sternenflotte geht, die den Kontakt mit sogenannten Pre-Warp-Zivilisationen verbietet, also mit Gesellschaften, die noch nicht die Warp-Technologie für Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit entwickelt und keine Bekanntschaft mit Spezies von anderen Planeten gemacht haben. Grundsätzlich ist das eine sinnvolle Regelung, die eine Art futuristisches Pendant zum Schutz indigener Kulturen darstellt, nichtsdestotrotz im Lauf der „Star Trek“-Geschichte bei Gefahr im Verzug aber immer mal wieder über den Haufen geworfen wurde.
An wohlbegründete Verstöße gegen die erste Direktive erinnert in Staffel 2 von „Star Trek: Strange New Worlds“ nun eine versierte Anwältin ein Sternenflotten-Tribunal bei einem Prozess, in dem einmal mehr das strikte Pochen aufs Einhalten eines Gesetzes fragwürdig erscheint.
Der Cliffhanger um „Nr. 1“ wird aufgelöst
Am Ende der ersten Staffel der Prequel-Serie, die die ums Jahr 2260 herum angesiedelten Abenteuer der Enterprise unter Captain Christopher Pike (Anson Mount) ausfabuliert, war Una Chin-Riley (Rebecca Romijn), Pikes „Nr. 1“, verhaftet worden, weil sie bei ihrer Bewerbung für die Sternenflotte ihre Herkunft verschleiert hatte. Denn Una ist Illyrianerin und gehört damit zu einer humanoiden Spezies, die genetische Veränderungen an ihrem Erbgut vornimmt, um sich besser an äußere Gegebenheiten anzupassen. Diese Praxis ist in der Föderation nach leidvollen Erfahrungen mit solcherart genetisch optimierten Superwesen aber geächtet. Doch ist es gerecht, deswegen nun ein Crewmitglied, an dem solche Veränderungen im Kindesalter vorgenommen wurden, das sich aber längst als loyale und verdiente Sternenflotten-Offizierin erwiesen hat, deshalb vor Gericht zu stellen, sie im besten Fall unehrenhaft zu entlassen und im schlimmsten Fall zu einer Gefängnisstrafe zu verurteilen? Gehört die Regelung, die Individuen auf Basis ihrer Herkunft vom Zugang zur Sternenflotte ausschließt, nicht eher selbst auf die Anklagebank?
Mit dieser Frage liefert eine der ersten Folgen der zweiten Staffel von „Strange New Worlds“ nicht nur einen Aufhänger dafür, die Figur Una und ihre Vorgeschichte näher zu beleuchten, sondern bringt zugleich ein bisschen Gerichtsfilm-Spannung in die Science-Fiction-Serie. Und erzählt nebenbei davon, wie auch in einer offenen Gesellschaft, die aus den verschiedensten Spezies besteht, rassistische Muster Fuß fassen können.
Charaktere werden weiter ausgebaut
Nicht nur in dieser Episode schaffen es die Showrunner Akiva Goldsman, Alex Kurtzman und Jenny Lumet, die 2022 gestartete Prequel-Serie auf demselben Niveau wie Staffel 1 fortzusetzen. Die Basis dafür liefert die spürbare Liebe der Macher zu ihren Figuren – pro Folge stehen meist ein oder zwei Crew-Mitglieder im Zentrum und werden als Charaktere weiter ausgebaut. Zum anderen mangelt es den Machern aber auch nicht an guten Ideen, um die einzelnen Folgen, die nach der „Ein Abenteuer pro Folge“-Dramaturgie weitgehend in sich abgeschlossene Storys entfalten, mit interessantem Konfliktstoff zu füllen und dabei unterschiedliche Stimmungslagen und Genre-Bezüge aufblitzen zu lassen und die Crew im guten, alten Space-Opera-Geist mit immer wieder neuen erstaunlichen Phänomenen, Welten oder Kulturen zu konfrontieren.
So gibt es neben der Court-Room-Drama-Folge um Una eine Episode, die mit dem Motiv der Zeitreise und alternativer Handlungssträngen spielt. Die toughe Sicherheitsoffizierin La’an Noonien-Singh (Christina Chong) gerät dabei in die Verlegenheit, mit einer alternativen Captain-Kirk-Version auf der Erde des 21. Jahrhunderts Dinge geraderücken zu müssen, um ihre eigene Gegenwart zu retten. In einer anderen Folge gerät die Crew an einen Planeten, in dessen Umfeld eine mysteriöse Strahlung das Gedächtnis beeinträchtigt und eine Art zeitweiliger Demenz auslöst, was nicht nur einen Erkundungstrupp rund um Captain Pike in Gefahr bringt, sondern vor allem auch die ansonsten so waghalsige Enterprise-Pilotin Erica Ortegas (Melissa Navia) in ihren Grundfesten erschüttert. In einer besonders spielerischen Episode bricht die Crew der Enterprise im Zuge einer Subraum-Anomalie immer wieder in unkontrollierbare Gesangs- und Tanznummern wie in einem Musical aus und sieht sich dabei zu allerlei Gefühlsoffenbarungen gezwungen. Und in einer der schönsten Folgen, die an die „Body-Swap“-Episode aus der ersten Staffel andockt und jede Menge Liebeskomödien-Flair entfaltet, geraten Spock (Ethan Peck) und die Krankenschwester Christine Chapel (Jess Bush) bei einem Shuttle-Unfall an ein übereifriges transdimensionales Wesen, das helfend eingreift und die verunglückten Raumfahrer „repariert“, dabei aber auch Spocks Halbvulkanier-Natur als reparaturbedürftig missversteht. Die Kreatur macht Spock zu einem "echten" Menschen, was ihn in ein heilloses Emotionschaos stürzt, woran auch schwelende Gefühle zwischen ihm und Chapel nicht unschuldig sind. Und das ausgerechnet kurz vor dem Termin, an dem Spocks Verlobung mit T’Pring (Gia Sandhu) nach altehrwürdig-vulkanischem Ritus unter den Augen einer ungnädigen vulkanischen Schwiegermutter ansteht.
Die Langeweile macht sich rar
Sowieso spielen motionale und romantische Verwirrungen in den neuen „Strange New Worlds“-Folgen eine fürs „Star Trek“-Universum ungewöhnlich wichtige Rolle. Die Entdeckerlust der Crew beschränkt sich nicht nur auf aufregende neue Winkel des Weltalls, sondern umfasst auch immer wieder die Mitreisenden. So entwickelt sogar die sonst so beherrscht-kühle La’an während ihrer Abenteuer mit dem Alternativ-Kirk unerwartete zärtliche Gefühle. Und auch Captain Pike bleibt von emotionalen Turbulenzen nicht verschont, als die Beziehung zu seiner Freundin im Zuge des Prozesses gegen Una schwer lädiert wird.
Die zwischenmenschlichen Spannungen sorgen also zusätzlich zu den jeweiligen Episoden-Abenteuern für jede Menge Zündstoff. Letztlich kann man nur dem charmant-kauzigen neuen Crew-Mitglied, der Chef-Ingenieurin Pelia (Carol Kane), zustimmen, die aufgrund ihrer übermenschlichen Langlebigkeit nur eines fürchtet, nämlich die Langeweile: Davon bleibt man auf der Enterprise in „Star Trek: Strange New Worlds“ weiterhin vollkommen verschont.
Felicitas Kleiner