Onoda - 10.000 Nächte im Dschungel
Abenteuer | Frankreich/Japan/Deutschland/Belgien/Italien/Kambodscha 2021 | 169 Minuten
Regie: Arthur Harari
Filmdaten
- Originaltitel
- ONODA, 10 000 NUITS DANS LA JUNGLE
- Produktionsland
- Frankreich/Japan/Deutschland/Belgien/Italien/Kambodscha
- Produktionsjahr
- 2021
- Produktionsfirma
- Bathysphere Prod./Pandora Filmprod./Frakas Prod./Ascent Film/Rai Cinema/Anti-Archive/Arte France Cinéma/Asahi Shimbun/To Be Continued
- Regie
- Arthur Harari
- Buch
- Arthur Harari · Vincent Poymiro
- Kamera
- Tom Harari
- Musik
- Sebastiano De Gennaro · Enrico Gabrielli · Andrea Poggio · Gak Sato
- Schnitt
- Laurent Sénéchal
- Darsteller
- Yuya Endo (Hiroo Onoda, jung) · Kanji Tsuda (Hiroo Onoda, alt) · Yuya Matsuura (Kinshichi Kozuka, jung) · Tetsuya Chiba (Kinshichi Kozuka, alt) · Shinsuke Kato (Shôichi Shimada)
- Länge
- 169 Minuten
- Kinostart
- 02.06.2022
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Abenteuer | Biopic | Drama | Kriegsfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Die Geschichte des japanischen Soldaten Hiro Onoda, der den Zweiten Weltkrieg auf einer philippinischen Insel bis in die 1970er-Jahre weiterführte, als packendes Abenteuerdrama von großer Faszinationskraft.
Die Geschichte des Nachrichtenoffiziers Leutnant Hiro Onoda ist durchaus bekannt. Ältere dürften sich erinnern, dass für den japanischen Offizier der Zweite Weltkrieg erst 1974 endete, als er sich auf der philippinischen Insel Lubang ergab und die Waffen niederlegte. Erst im vergangenen Jahr veröffentlichte Werner Herzog (wer sonst?) „seine“ Version dieser denkwürdigen Geschichte eines „Holdout“ als Buch unter dem Titel „Das Dämmern der Welt“. Dass ein Soldat an einem entlegenen Ort das Kriegsende nicht erfährt und seinen jetzt ganz persönlichen Krieg einfach weiterführt, mag als eine seltsame Begebenheit erscheinen, aber unter bestimmten Bedingungen durchaus vorstellbar sein.
Die Geschichte, wie sie der Filmemacher Arthur Harari in „Onoda - 10.000 Nächte im Dschungel“ erzählt, setzt entschieden andere Akzente. Onoda, so wird erzählt, wollte eigentlich Pilot werden, litt aber unter Höhenangst. Die angebotene Alternative als Kamikaze-Pilot lehnte er aber auch ab. Was seinen Vorgesetzten zu der Überzeugung bringt, dass Onoda nicht sterben möchte.
Einsatz in der geheimen Kriegsführung
Genau diese Einstellung jedoch prädestiniert ihn zum Einsatz in der geheimen Kriegsführung, bei der es gerade darum geht, nicht zu sterben. Weil dies allerdings der japanischen Mentalität des Soldatischen entgegensteht, die den Heldentod des Kamikaze verehrt, soll der einzige Ruhm der geheimen Kriegsführung in der Integrität bestehen. Onoda wird Teil einer Elitetruppe, die für den Guerillakrieg ausgebildet wird und allein den Befehlen des Ausbilders verpflichtet ist. Anhand eines Bildes vom Gesang, der variiert werden kann, aber gesungen werden muss, wird die Truppe auf Flexibilität und Pragmatismus im „totalen Widerstand“ eingeschworen.
1944 wird Onoda dann auf einer kleinen philippinischen Insel gegen den Vormarsch der US-Armee eingesetzt. Sein Rigorismus stößt bei den eigenen Kräften auf Widerstand. Bevor es zu direkten Kampfhandlungen kommen kann, haben die Amerikaner die Insel erobert, die japanischen Kräfte zerschlagen – und die Insel schnell wieder verlassen. Jetzt beginnen Onoda und seine wenigen Getreuen einen Guerillakrieg ohne Gegner, der aber durch Terror gegen die einheimischen Bauern und Informationsbeschaffung die in Aussicht gestellte Rückkehr der japanischen Armee vorbereiten soll. Die lässt allerdings auf sich warten.
Eher Abenteuer-, als Kriegsfilm
Aufgrund der weitgehenden Abwesenheit des Feindes hat sich Harari entschieden, die Geschichte von Hiro Onoda eher als Abenteuer-, denn als Kriegsfilm zu drehen, wiewohl Gewalt immer wieder in den ruhigen Fluss der Bilder (Kamera: Tom Harari) einbricht. Etwa, wenn die terrorisierten Bauern beginnen, Widerstand zu leisten. Wer sich für das Sujet interessiert, wird sicher Referenzen an einschlägige Filme von Sternberg, Boorman, Oshima oder auch Malick entdecken. Gerade, wenn die Gruppe beginnt, die Insel zu erkunden und zu kartographieren, wähnt man sich tatsächlich in einem sehr atmosphärischen, tropischen Abenteuerfilm von großer Schönheit. Doch Nicht-Vertrautheit mit dem Lebensraum, Krankheit, Gruppendynamik und bäuerlicher Widerstand dezimieren die Gruppe, bis sich schließlich nur noch Leutnant Onoda im „totalen Widerstand“ befindet.
Allerdings ist die „geheime Kriegführung“ längst nicht mehr geheim, sondern verstärkt gibt es Bemühungen seitens der Behörden und der Familie, einen Kontakt zum Kämpfer herzustellen, um ihm den Lauf der Dinge zu kommunizieren. Was Onoda selbstredend für Feind-Propaganda hält und wohl auch halten muss. Trotzdem erlebt er durch Zeitungen, Radio und Ansprache gewissermaßen den Einzug des Nachkriegs-Japans in die westliche Kultur, Rock’n’Roll und Mondlandung als verstörendes Schattenspiel, dessen Codes er nicht zu dechiffrieren weiß.
Warten auf Erlösung
In dieser Phase erinnert „Onoda - 10.000 Nächte im Dschungel“ mitunter an ein Theaterstück von Samuel Beckett, wobei Onoda ja noch auf seine Erlösung wartet. Ein Student, der nach Lubang aufbricht mit dem erklärten Ziel, „Leutnant Onoda, einen wilden Panda und den Yeti zu finden, in dieser Reihenfolge“, bringt schließlich die Wende. Denn nur sein einstiger Ausbilder, im zivilen Leben Buchhändler geworden, kann ihn schließlich anweisen, seine Mission abzubrechen. Währenddessen hat sich die Popkultur in Japan so weit entwickelt, dass Onoda nach seiner Rückkehr ein Star ist, der seine Erlebnisse in einer Autobiographie mit dem Titel „Niemals aufgeben: Mein 30-jähriger Krieg“ publizierte.
„Onoda - 10.000 Nächte im Dschungel“ ist gerade auch aufgrund seiner wohl kalkulierten Länge von 169 Minuten ein verstörender, aber zugleich auch ein faszinierender, ja geradezu packender Film, der klar vor Augen führt, was Werner Herzog an dem Stoff interessieren musste.