Alles, was man braucht
Dokumentarfilm | Deutschland 2021 | 102 Minuten
Regie: Antje Hubert
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2021
- Produktionsfirma
- Mairafilm/NDR
- Regie
- Antje Hubert
- Buch
- Antje Hubert
- Kamera
- Henning Brümmer
- Musik
- Roland Musolff
- Schnitt
- Magdolna Rokob
- Länge
- 102 Minuten
- Kinostart
- 28.04.2022
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- TMDB
Dokumentarischer Heimatfilm über Dorfläden von der Uckermark bis zu den Halligen, der den alten und neuen Protagonisten überschaubarer Verhältnisse eine sympathische Hommage widmet.
Zwei Jahre lang, von 2018 bis 2020, hat die Filmemacherin Antje Hubert in Norddeutschland gedreht, von der Uckermark bis zu den Halligen, von der Lüneburger Heide bis ins Dithmarsche. Sie interessiert sich für die Metamorphose der Dörfer, die in der alten Bundesrepublik in den 1970er-Jahren einsetzte und in den ostdeutschen Bundesländern seit der Wiedervereinigung nachvollzogen wurde. Eine „Verwandlung“, die nicht zuletzt mit dem Verschwinden angestammter Dorfläden, der Resignation ihrer Besitzer, der Verlagerung des Einzelhandels in die Supermärkte jenseits der kleinen Gemeinden zu tun hat. Wo die Läden verschwanden, wurden auch die Bewohner immer unsichtbarer, kaum jemand traf sich noch auf den Dorfstraßen; die Plätze im Umfeld der Geschäfte verwaisten. Das war kein beiläufiger Vorgang, im Gegenteil: Die Orte verloren ein wesentliches Zentrum; die ursprüngliche Möglichkeit der Kommunikation mündete in eine zunehmende Vereinzelung und auch Vereinsamung.
Kleine Humanität statt großem Profit
Antje Hubert belässt es jedoch nicht bei dieser Bestandsaufnahme. Vielmehr interessiert sie das Engagement, das Einzelne und später dann ganze Dorfgemeinschaften gegen die Verödung setzen. Ihr Film „Alles, was man braucht“ ist eine Hommage an die wieder oder neu entstandenen kleinen Läden und deren Betreiber, die trotz des Wissens um die ökonomischen Risiken ihren Traum von Gemeinschaftswohl und gegenseitiger Achtung pflegen. Der Film wirft allerdings kein nostalgisch verklärendes Licht auf die Reaktivierung einer im Grunde längst vollendeten Vergangenheit, sondern beobachtet als sachlich-emphatischer Report über das Machbare, die kleine Humanität anstelle des großen Profits. Oder, wie die Regisseurin es nennt, „das Glück, sich zufällig zu begegnen und die Chance, sich anderen Menschen zuzuwenden“.
Zugleich verbindet Hubert ihre alltäglichen Beobachtungen mit der im Titel benannten größeren Frage, was Menschen wirklich brauchen. Es sind nicht die vielen tausend kleinen Dinge, die man immer greifbar zur Hand haben müsste, sondern viel weniger – nämlich die Leidenschaft und die Liebe, mit der die Waren angeboten werden: „Ich behandle jedes Lebensmittel mit Respekt“, heißt es einmal im Film.
Natürlich sind der Dorfladen, den Berit und Knut Thomsen in der leeren Grundschule von Delve eingerichtet haben, oder der Tante-Hanna-Laden in Müden, der dank fünfhundert stiller Teilhaber und Teilhaberinnen aus dem Ort überleben kann, keine Konsumtempel der Moderne, wohl aber Treffpunkte, die mehr als klimatisierte Durchlaufstationen für den schnellen Kaufrausch bedeuten. Sie ermöglichen die Chance für ökologisch wertvolle Produkte, auch wenn es „nicht immer leicht ist, ein Pionier zu sein“. Und sie sind, gerade für die zunehmend ältere Landbevölkerung, ein Überlebensmittel.
Poetisch animierte Intermezzi
„Alles, was man braucht“ ist einer Stationendramaturgie verpflichtet, einer Reise übers flache Land, mit gelegentlicher Rückkehr zu „alten“ Bekannten und der Nachfrage, wie es denn so weiterging mit dem Engagement. Als poetische Intermezzi wirken Animationen, die oft aus realen Landschaftsbildern erwachsen und wieder in sie überleiten.
Die im zweiten Jahr der Dreharbeiten ausgebrochene Covid-19-Pandemie, die Auswirkungen auf das Kaufverhalten in den kleinen Geschäften nach sich zog, wird nicht zum Mittel einer künstlichen Dramatisierung, sondern beiläufig miterzählt: norddeutsch sachlich eben. Auch Kritik an veränderbaren Zwängen, etwa durch die Preispolitik des Großhandels, die für die kleinen Läden oftmals ungünstig ausfällt, ist keineswegs als laustarke Klage vernehmbar, sondern in den ruhigen Erzählfluss integriert.
Wer sich Zeit und Muße für diese Art des Erzählens nimmt, wird mit einem sympathischen Heimatfilm belohnt. „Alles, was man braucht“ liefert zwar kaum neue Erkenntnisse und schlägt auch keinen großen politisch-soziologischen Radius über Denk- und Handlungsmuster in der deutschen Provinz, bleibt darin aber seinem vergleichsweise überschaubaren Thema auf stille, freundliche Weise verhaftet. In seiner Wirkung aber ähnelt der Film durchaus jenen Landläden, die er beschreibt und die für das seelische Gleichgewicht der Gemeinschaft so notwendig sind.