Dopesick
Drama | USA 2021 | Minuten
Regie: Michael Cuesta
Filmdaten
- Originaltitel
- DOPESICK
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2021
- Produktionsfirma
- John Goldwyn Prod./20th Century Fox Television/20th Television/Fox 21 Television Studios/Littlefield Company/Touchstone Television
- Regie
- Michael Cuesta · Barry Levinson · Patricia Riggen · Danny Strong
- Buch
- Danny Strong · Benjamin Rubin
- Kamera
- Checco Varese
- Schnitt
- Matt Barber
- Darsteller
- Michael Keaton (Dr. Samuel Finnix) · Peter Sarsgaard (Rick Mountcastle) · Michael Stuhlbarg (Richard Sackler) · Will Poulter (Billy Cutler) · John Hoogenakker (Randy Ramseyer)
- Länge
- Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Drama | Serie
- Externe Links
- TMDB
Eine Miniserie über den folgenreichen Pharmaskandal um die Zulassung des Schmerzmittels OxyContin und dessen Rolle in der Opioid-Epidemie.
Chronischer Schmerz ist das Zentralmotiv der Mini-Serie „Dopesick“. Es geht in ihr ums Leiden, um die Verheißung, diesem bald schon ein Ende zu bereiten, und um eine regelrechte Epidemie weiterer Leiden, als sich diese Verheißung als trügerisch entlarvt. Das Pharmaunternehmen Perdue schickt sich in den 1990er-Jahren an, dem Gesellschaftsphänomen chronischer Schmerzen zu Leibe zu rücken – und kräftig daran zu verdienen. In der auf Tatsachen und einem gleichnamigen Sachbuch-Bestseller beruhenden Serie wird gezeigt, wie aus vermeintlich noblen Absichten der Firma rund um die Milliardärsfamilie Sackler eine perfide Strategie entsteht, den Verbreitungsgrad verschreibungspflichtiger Opiate auszuweiten – auf Patientinnen und Patienten, die eine Behandlung mit derart potenten Betäubungsmitteln gar nicht nötig hätten.
„Dopesick“ rollt den Beginn der sogenannten „Opioid-Krise“ in den USA aus verschiedenen Blickwinkeln auf. Einer davon davon ist der des gewissenhaften und patientennahen Arztes Dr. Samuel Finnix (Michael Keaton). In dessen Praxis in einer Kleinstadt irgendwo in den Appalachen finden sich die Malocher der örtlichen Kohlegrube mitsamt ihren einschlägigen Verschleißerscheinungen ein. Darunter seit neuestem auch die Tochter eines altgedienten Minenarbeiters, die in die beruflichen Fußstapfen des Vaters getreten ist: Betsy Mallum (Kaitlyn Dever) hat sich bei einem Arbeitsunfall eine Wirbelsäulenverletzung zugezogen und leidet seitdem unter unausgesetzten Qualen. Dr. Sam ist eigentlich keiner, der vorschnell den Verschreibungsblock zückt, und er weiß um die Suchtgefahr von Betäubungsmitteln. Doch der Arzt hat in letzter Zeit immer wieder hartnäckigen Besuch des geschniegelt-ambitionierten Pharmavertreters Billy Cutler (Will Poulter). Der Emissär der Firma Perdue begegnet den ärztlichen Bedenken Samuels mit geschliffenen Gesprächsstrategien und mit Gutachten unter anderem von der Arzneimittel-Zulassungsbehörde FDA. Erfolgreich, wie sich herausstellt.
Ein vermeintliches Wunderpräparat mit fatalen Folgen
Das von Cutler angepriesene Wundermittel des Pharmakonzerns trägt den Namen OxyContin und soll – anders als Generationen von opiathaltigen Schmerzmitteln zuvor – bei Patientinnen und Patienten zu keinerlei Abhängigkeit führen. Dr. Sam glaubt das irgendwann und lässt der jungen Betsy eine Therapie mit dem vermeintlichen Wunderpräparat angedeihen. Mit fatalen Folgen, wie sich herausstellt. Fortan ist der Niedergang der jungen Frau zu verfolgen, die nicht nur ihrem Schmerz- und Abhängigkeitsproblem zu entfliehen versucht, sondern zugleich aufgrund ihres Lesbischseins den beengenden Kleinstadtverhältnissen und erzkonservativen Wertvorstellungen ihres Elternhauses entgehen möchte.
Anhand des Vertrauensverhältnisses, das sie zu ihrem behandelnden Arzt und bald auch Mentor aufbaut, schildert der Serienmacher Danny Strong eines der großen amerikanischen Gesellschaftsdramen unserer Zeit. Der Niedergang betrifft nämlich nicht nur das persönliche Schicksal der jungen Betsy. Ähnlich wie Dr. Sam Finnix haben Ärzte im gesamten Land den Ausführungen des Pharmakonzerns über die Sicherheit von OxyContin Glauben geschenkt. Das Glück ihrer Patienten über ein schmerzfreies Leben sollte nicht lange währen. Denn so schnell OxyContin wirkt, so schnell setzt ein Gewöhnungseffekt bei den Schmerzerkrankten ein, der wiederum einen Zwang zur Erhöhung der Dosis mit sich bringt, so wie auch bei herkömmlichen Opiaten. Das Ergebnis: Abhängigkeit.
Das Ausmaß der Substanzabhängigkeit im Blick
Betsys Suchtschicksal wird so zu einem Paradebeispiel der Substanzabhängigkeit in den Vereinigten Staaten dieser Tage. Über dessen Ausmaß sind sich viele Europäer nicht im Klaren. Zu den gesellschaftlichen Folgen des Opiatmissbrauchs gehören Heerscharen an kaputten Existenzen, zerrüttete Familien, Gewalt- und Beschaffungskriminalität sowie ein erhöhter Konsum von Heroin und anderen Drogen, auf die Süchtige umsteigen, wenn irgendwann die Verschreibungen der Schmerzmittel ausbleiben. Freilich ruft das die Polizei und ermittelnde Behörden auf den Plan. In der Serie werden diese Instanzen verkörpert von der resolut-hartnäckigen Ermittlerin Bridget Meyer (Rosario Dawson) und dem Staatsanwalt Rick Mountcastle (Peter Sarsgaard). Bald schon rücken sie den Chefetagen von Perdue Pharma zu Leibe. Die Ermittler stehen vor einem wahren Netzwerk der Korruption, das seine Kreise bis weit hinein in die Arzneimittel-Zulassungsbehörde FDA zieht. Ins Visier der Staatsanwaltschaft gerät zunehmend auch das Familienoberhaupt Richard Sackler, eindrücklich, wenngleich auch ein wenig überspannt verkörpert von Michael Stuhlbarg. Die Inszenierung zeigt ihn mehrmals vor der Kulisse des Sackler Flügels im Metropolitan Museum of Art und lässt die kunsthistorische Grandezza der dort präsentierten Werke mit der Kleingeistigkeit eines Menschen kollidieren, der ohne mit der Wimper zu zucken in autistisch anmutender Empathielosigkeit das Wohl von Tausenden von Schmerzpatienten der Gewinnmaximierung seiner Firma opfert.
Bis heute beschäftigt der Fall OxyContin die US-Gerichte. Serienschöpfer Danny Strong inszeniert „Dopesick“ weniger als auf Suspense setzendes Gerichts- und Ermittlungsdrama, sondern vielmehr in Form eines vielschichtigen Gesellschaftspanoramas. Zu einem bloßen Lehrstück verkommt der Zehnteiler dabei trotz seiner bisweilen etwas offensichtlichen didaktischen Agenda nie. Das verdankt sich seiner Erzählweise, die stets nah an den Schicksalen der überzeugend konturierten Figuren bleibt. Ihnen gemein ist – ob medikamentenabhängig oder nicht – eine tiefergehende Qual, die über rein körperliche Belange hinausgeht und aufs Ganze der US-amerikanischen Mentalität abzielt. Danny Strong inszeniert Amerika als neoliberales, in sich zerrissenes Schmerzensland; das Streben nach Heilung für die versehrten Seelen seiner Bewohner stellt sich im Laufe der Handlung fast schon als metaphysisch heraus.